Kapitel 2

Ich nahm meine Tasche vom Beifahrersitz, in der ich, schon heute morgen bevor ich von dem Stellplatz in der Schweiz gestartet war, alles Wichtige für die Nacht auf der Fähre gepackt hatte. Ich schnappte mir auch den Schlafsack, der zusammengerollt daneben lag und stieg dann aus und schloss meinen Bus ab. Aus den Autos neben mir stiegen Familien und Paare aus und ich erkannte den alten Hymer ein Auto neben mir stehend wieder und nun auch das alte Ehepaar, das wohl dazu gehörte.

Ich grüßte sie höflich, während ich mich durch die Autos in Richtung Aufgang schlängelte. Laute Rufe der Einweißer hallten durch den Bauch des Schiffes und das stetige rumpeln von immer weiteren Autos, die die Fähre betraten, war zu hören. Die Fähre war für circa 2000 Passagere und deren Autos asugelegt und um den Hochsommer fast asugebucht, somit dauerte die „Beladung" meist ein bis zwei Stunden. Ich erreichte den Aufgang, der den Frachtteil der Autos mit den oberen Stockwerken verband. Gefolgt von einer großen italienischen Familie, die ihren großen Schäferhund dabei hatte, begab ich mich die endlosen Stufen hinauf, bis ich das 6 Stochwerk erreichte und somit das erste, wo es Kabinen gab. Ich hielt eine Verschnaufpause, bevor ich die letzten drei Stockwerke hinauf stieg und endlich auf dem Deck ankam. Der Motor der Fähre dröhnte, die salzige Luft des Meeres wehte, zerrte an meinen Haaren und nur wenige Momente später fühlten sich meine nackten Oberarme schon fettig an, weil sich das Salz in der Luft direkt auf meiner Haut ablagerte. Als ich meinen Kopf in den Nacken fallen lies, erblickte ich über mir die rießigen Abgasrohre, aus denen es noch immer schwarz qualmte und die aus der Ferne so viel kleiner gewirkt hatten. Ich lehnte mich gegen die Reling und als ich hinunter sah wurde mir gefährlich schwindelig. Es ging verdammt tief hinunter und die klare Schwärze, die nun im fast dunklen das Meer widerspiegelte war beängstigend. Trotz der Höhe konnte ich die Wellen hören, die gegen das Schiff und das Hafenbecken schlugen. Ich seufzte tief und schloss die Augen, zog tief den Duft nach Salz, Meer und Dieselmotor ein. Unwillkührlich musste ich an Illian denken...Er hatte fast so gerochen, nur weniger nach Diesel und viel mehr nach etwas anderem. Viel besser...

Ich seufzte und öffnete die Augen, bevor ich mich umdrehte und einer Gruppe von Frauen mit Kindern folgte, bis ich einen Poolbereich mit Bar erreichte. Der Pool war leer und mit einem Netz abgesperrt, doch die Bar und die darum stehenden Liegestühle und Sitznieschen waren offen. Eillig steuerte ich die Bar an um mir dort einen kleine Snack und eine kalte Cola zu kaufen, nur um mir dann schnellstmöglich einen der heißbeliebten Liegestühle zu schnappen. Mein Plan war es hier draußen zu schlafen, denn es war so warm das ich noch immer in einer kurzen Hose und einem dünnen Top herumlaufen konnte. Ich hatte mir keine Kaine dazu gemietet, weil es mir zu teuer war und so bleib mir nur die Wahl zwischen frischter Luft an Deck und stickerer unter Deck. Ich wählte definitiv ersteres. Ich stellte meinen Snack auf die freie Liege zwischen mir und einem alten Mann der schon jetzt tief und fest zu schlafen schien.In die andere Richtung war gottseidank die Wand und so konnte ich es mir in meiner Ecke bequem machen. Ich rollte meinen Schlafsack aus , stopfte meine Tasche unter den Liegestul, aber nicht bevor ich all meine Wertsachen herausgeholt hatte und sie in meinen Schlafsack gesteckt hatte. Dann legte ich mich auf den kühlen Stoff, schnappte mir das belegte Baguette und biss genüsslich hinein. Während ich das Baguette aß, holt ich mein Handy hervor und begann eine Nachricht an meine Eltern zu tippen, das ich gut auf der Fähre angekommen.

„Wie kann es sein, das der einzige freie Liegestuhl ausgerechnet neben dir ist?"Mein Blick fuhr bei der bekannten Stimme hoch und mir blieb fast das Brotstück im Hals stecken als ich ihn sah.

„Keine Ahnung, aber wenn du ein Problem damit hast, kannst du dir ja einen anderen Platz zum schlafen suchen."Murrte ich und versuchte so ungerührt wie möglich weiter zu essen, ignorierend dessen wie dämlich ich mich vorhin ihm gegenüber verhalten hatte. Er seufzte als hätte ich ihm von seinem größten Problem berichtet. „So meinte ich das nicht."Ohne weitere Worte lies er seinen Rucksack auf den Boden neben mir fallen und als er für einen Moment zwischen meinem und dem anderen Liegestuhl stand, konnte ich nicht mehr an ihm vorbei schauen, so groß und breit war er. Als er sich dann neben mich auf seine Liege fallen lies, die Hände im Kopf verschränkte und dann zu mir rüber sah, war ich schon wieder kurz davor meine Sprachfähigkeiten zu verlieren. Doch bevor das passieren konnte griff ich ein. „Wie meintest du es dann?"Fragend sah ich ihn an und wünschte im selben Moment ich hätte es nicht getan. Sein Blick ging mir unter die Haut.

Ich riss mich los, biss erneut in mein Brötchen und lies meinen Blick über die vorbeigehenden Menschen gleiten.

„Ich meinte das auf den Zufall bezogen, nicht, dass ich mich nicht neben dich setzten wollte. Im Gegenteil. Ich finde deine Gesellschaft...amüsant."Ich konnte nicht anders, als ihn mit hochgezogener Augenbraue anzuschauen. „Machst du dich jetzt auch noch über mich lustig?" Illian grinste mich an und zuckte mit den Schultern. „Möglich."

Ich konnte nicht anders, nahm die Tüte von meinem halbaufgegessenen Brötchen, zerknüllte sie und warf sie mit Schwung gegen seinen Kopf. Ich traf perfekt und genoss den ungläubligen Blick seiner Seits, während er den Papierball auffing. „Den hab ich wohl verdient."

„Ja hast du.Und jetzt lass mich in Ruhe, ich bin müde."Ich holte meine Ohrstöpsel aus meiner Tasche, steckte sie in meine Ohren und machte die Musik über mein Handy an. Ich sah, dass Illian noch irgendetwas sagte, doch ich deutete auf meine Kopfhöhrer und drehte die Musik noch lauter. Das musste ich mir wirklich nicht weiter geben. Während ich mein Brötchen zuende aß, achtete ich tunlichst darauf nicht mehr zu ihm zu schauen und schlüpfte dann, weil es langsam kühler wurde, in den Schlafsack, drehte ihm den Rücken zu und beobachtete die Menschen, die immer wieder an uns vorbei gingen, lauschte der Musik, während ich immer müder wurde. Irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, war es ruhig um mich herum, keiner lief mehr an mir vorbei und über mir scheinte der Mond hell. Ich zog die Kopfhöhrer aus meinen Ohren, meine Musik war längst aus gegangen und zog mir den Schlafsack enger um die Schultern. Obwohl es tagsüber brütend heiß war, fror ich nun doch. Wir waren vermutlich mitten auf dem offenen Meer, ich hörte die Wellen und den Wind, der mir um die Nase pfiff und für die Kälte verantwortlich war. Seufzend sah ich mich nach meiner Tasche um und mein Blick fiel automatisch auf Illian. Er lag eingerollt auf seinem Schlafsack, nur mit einem Hoodie und einer kurzen Hose bekleitet und ich fragte mich ob er wohl nicht fror. Sein Kopf war unter der schwarzen Kaputze seines Pullovers versteckt und ich hörte seinen ruhigen Atem unter dem Pfeifen des Windes. Ich schluckte und kramte so leise wie möglich meinen Pullover aus meiner Tasche und schlüpfte hinein bevor ich mich wieder in meinem Schlafsack vergrub. Nun war ich wieder hell wach und mein Körper spürte eindeutig die Präsens die von ihm ausging. Es war als würde seine Aura sich langsam, wie ein Tuch über mich legen und mich sanft streicheln. Ich spürte die Gänsehaut auf meinen Armen und drehte mich ungewollt auf die andere Seite, sodass ich ihn ansehen konnte. Ich zuckte zurück, denn anders als ich gedacht hatte, schlief er nicht. Seine Augen funkelten mir schwarz entgegen und ich schluckte. „Kalt?"Ich nickte und keinen Moment später richtete er sich auf, zog eine Decke aus seinem Rucksack und hielt sie mir hin. Etwas überfordert mit seiner immer wiederkehrenden Freundlichkeit, die im Kontrast zu seinen dummen Sprüchen stand, nahm ich sie entgegen und bedankte mich leise. Er selbst schlüpfte nun ebenfalls in seinen Schlafsack und beobachtete mich dann wie ich die Decke über mir ausbreitete und sie an den Seiten unter den Schlafsack steckte.

Ich rollte mich ein und spürte augenblicklich die Wärme, die sich langsam unter den Stoffen breit machte, weil der Wind nicht mehr so sehr hindurch kam.

„Besser?"Fragte er leise um den schlafenden Mann neben ihm nicht aufzuwecken. Ich nickte.

„Ja...danke."Im Schatten der Laternen, die noch immer das Deck beleuchteten, sah ich ihn leicht Lächeln. Plötzlich wirkte seine Geste wie eine Entschuldigung für seine vorherigen Worte und komischerweise nahm meine Seele sie an. Ich lächelte leicht zurück und sein Lächeln wurde breiter. Er zwinkerte mir zu und ich verdrehte die Augen, bevor ich mich auf den Rücken drehte und augenblicklich der wunderschöne Sternenhimmel, der hier auf offener See noch viel kräftiger erschien, in mein Blick fiel. Ich spürte wie auch Ellian neben mir sich drehte und plötzlich war die Situation so intim, dass mein Puls höher schlug.

„Siehst du den großen Waagen?"Seine Stimme klang rau als er in den Himmel deutete und mich auf das Sternenbild aufmerksam machte. Ich nickte und beobachtete fasziniert das Funkeln über uns. Am östlichen Rande des Himmels färbte sich das schwarz der Nacht schon langsam bläulich und wies daraufhin, das es bald Morgen sein und die Sonne aufsteigen würde. Ergriffen betrachtete ich wie das Licht die Dunkelheit der Nacht vertrieb und mit ihr das glühende Funklen der Sterne. Langsam tauchte der klühende Feuerball am Horizont das helle blau in zartes Rosa, welches immer kräftiger wurde. Nur am Rande nahm ich wahr, das auch das Schiff langsam zum leben erwachte, immer mehr Menschen kreuzten meinen Blick, welcher in die Ferne gerichtet war.

Irgendwann, als die Sonne ganz am Himmel stand und die ersten Druchsagen, das wir Olbia bald erreichen würden, erklangen, rührte ich mich, setzte mich auf und streckte mich genüsslich.

„Ich hab noch nie jemanden erlebt, der so oft nicht ansprechbar ist."Ich sah zu Ellian, der noch immer mit den Händen im Nacken in den Himmel starrte. „Warum hast du was gesagt?"Fragte ich ihn verwundert und er lachte leise. „Dreimal habe ich versucht dich zu fragen an was du gerade denkst."

„Echt?"Ich konnte mich wirklich kein Stück daran erinnern. „Echt."Ellian richtete sich auf und sah mich aus einem komischen Blick an. „Willst du es mir jetzt verraten, Mia?"Ich war irriertiert über seine Interesse ständig mit mir zu reden, doch ich antwortete ihm dennoch, denn seit heute Nacht war mir irgendwie klar, das er es aus ernsthafter Interesse machte und nicht aus Spaß.

„Eigentlich habe ich an nichts bestimmtes gedacht. Das Schauspiel am Himmel hat mich nur irgenwie fasziniert."Murmelte ich und er schüttelte ein bisschen fassungslos den Kopf.

Ich zuckte die Schultern. „Als ob du nicht manchmal die Gegenwart einfach so vergisst und in deinen Träumen versinkst."

„Nein, aber ich wünschte ich könnte es. Es sieht faszinierend aus."Ich zog die Augenbrauen hoch, doch er schaute mich so ernsthaft an, das ich ihm seine Worte unweigerlich glaubte.

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