Ohne Titel Teil7
„Mr. – Mr. Malfoy ?"
Unsicher wandte sich Harry sich in die Richtung, aus der er die Stimme vernommen hatte. Er konnte noch immer nicht besonders viel erkennen, nur einige verschwommene Farbflecken.
„Das ist doch offensichtlich. Benutzten Sie ihre Augen, dafür sind sie da. " antwortete der Angesprochene kühl.
„Wie denn, Sir ? Ich habe meine Brille nicht..."
„Sie wollen sagen, dass sie ohne dieses Nasenfahrrad nicht mal bis zu mir herüber sehen können ?" Ein wenig entgeistert betrachtete der ältere Mann Harry. Dann suchte er etwas hektisch in den Kleidern Harrys herum, die Gypsy auf einen Stuhl gelegt hatte. Nach kurzer Zeit hatte er das riesige Ding gefunden, und reichte es Harry.
Der tastete etwas unkoordiniert danach und versuchte sie auf seine Nase zu setzten. Als er, um sich nicht ins Auge zu stechen, seine zweite Hand zur Hilfe nehmen wollte, stellte er fest, dass er seinen linken Arm nicht bewegen konnte. Verwirrt und unbeholfen schob er sich also mit der rechten Hand die Brille auf die Nase. Dann wandte er seinen Kopf zu dem blonden Mann.
„Wo bin ich, Sir ? Warum haben Sie mich gefesselt und dann in ein solch bequemes Bett gelegt ? Wieso habe ich keine Schmerzen mehr ? Und warum –"
„Hören sie auf, mir Löcher in den Bauch zu fragen. " unterbrach ihn Mr. Malfoy leicht genervt. „Sie befinden sich in meinem Manor. Und wenn Sie erst denken und dann sprechen würden, Mr. Potter, dann hätten Sie bereits bemerkt, dass sie nicht gefesselt sind, sondern lediglich von oben bis unten eingegipst."
Hastig sah Harry an sich herunter und bemerkte, dass der Andere Recht hatte. Seine beiden Beine, sein linker Arm und seine Brust waren mit unterschiedlichen Bandagen und Verbänden umwickelt.
„Aber warum habe ich keine Schmerzen ? Und was mache ich bei ihnen im Manor ?" Mr. Malfoy musste sich sichtlich zusammennehmen um ihn nicht anzufahren. Er ließ sich elegant auf einen Sessel nieder und wandte sich dann an Harry.
„Hören Sie zu, ich erkläre ihnen alles. Aber unterbrechen Sie mich nicht, Mr. Potter. Sollten sie danach noch Fragen haben, können Sie sie meinetwegen stellen." Er bedachte Harry, der bereits den Mund zu einer Antwort geöffnet hatte, mit einem scharfen Blick.
Der verstummte augenblicklich, jedoch nicht nur wegen der mahnenden Geste des älteren. Nein, es waren diese Augen, die ihn erstarren ließen. Diese unglaublichen, silbernen Augen, die genauso aussahen, wie die – „Nein, das kann nicht sein", rief sich Harry selbst zur Ordnung. Er konzentrierte sich wieder auf die Worte des Politikers, der in diesem Moment zu sprechen begann.
„Nachdem Ihr Onkel Sie niedergeschlagen hatte, stellte ich fest, dass sie wohl nur noch keine Stunde zu leben hätten, wenn sie nicht baldigst Hilfe bekämen. Also nahm ich Sie mit und ließ Sie durch meinen Hausarzt behandeln. Eigentlich sollten Sie noch immer schlafen, weiß der Geier, warum Sie mich stattdessen löchern wie eine Maus einen Käse. Mehr gibt es nicht zu sagen. "
Harrys Gesicht musste ein einziges Fragezeichen sein, denn er stöhnte genervt. „Na los, fragen Sie schon, Mr. Potter..."
Das ließ sich Harry nicht zweimal sagen.
„Warum haben Sie mich gerettet ? Sie hassen mich doch."
„Nein, ich hasse Sie nicht, dass wäre wohl zu viel der Ehre. Ich kann sie nur nicht ausstehen."
Harry konnte nicht anders, als leicht verletzt drein zu blicken. Offenbar merkte der Malfoy das, denn er fügte fast schon hastig hinzu „Ich mag es nicht, wenn Menschen, vor allem Kinder, unschuldig bestraft werden."
Harry gab sich mit dieser Antwort Wohl oder Übel zufrieden und setzte gleich zur nächsten Frage an.
„Was für Verletzungen habe ich alles ? Dank ihrem offensichtlich starken Schmerztrank kann ich das leider nicht erfühlen..."
„Schürfwunden, Prellungen und Schnitte aller Art, zwei gebrochene Beine, einen gerochen Arm, mehrere gebrochene oder angebrochene Rippen und ein Schädel-Hirn-Trauma. Außerdem sind sie äußerst stark unternährt."
Kurz betrachtete Mr.Malfoy Harry und sagte dann „Wenn ich mir ebenfalls eine Frage erlauben dürfte – wie bei Merlins Unterhosen haben sie es geschafft, mit diesen Verletzungen überhaupt zu stehen, geschweige denn zu servieren ? Und ich bezweifle zudem, dass diese pferdegesichtige Frau den Tisch hergerichtet oder das Haus geputzt hat."
Harry sah zur Seite „Um genau zu sein habe ich alles gemacht. Geputzt, aufgeräumt, gekocht, gebacken, den Garten gemacht, den Tisch gedeckt, serviert und als Fußball gedient. Und um auf Ihre Frage zurück zu kommen, hätte ich es nicht geschafft, wäre ich schneller erschlagen worden, als ich „Quidditsch" sagen kann. "
Harry machte eine kurze Pause und fragte dann leise „Mr. Malfoy ?"
„Ja, Mr. Potter ?"
Sehr verschämt und mit roten Ohren sprach Harry den blonden Mann erneut an. Auch wenn er sich kaum fragen traute, er musste es einfach wissen.
„Wann... wann muss ich wieder zurück zu meinen Verwandten ?"
Harrys Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
~*~
Die nahezu greifbare Furcht, die in der Stimme des jungen Helden mitschwang, ließ Lucius das Blut in den Adern gefrieren. Der Junge erwarte allen Ernstes, erneut zu diesen... Kreaturen (Lucius konnte und wollte von ihnen nicht mehr als Menschen denken) geschickt zu werden? Bevor er sich darüber gewahr wurde, was er das sagte, antwortete Lucius „Sie gehen da bestimmt nicht noch einmal hin! Sie werden hier in Malfoy Manor bleiben, bis sie sich wieder erholt haben, und dann sehen wir weiter. "
Erst als er die überrascht geweiteten, smaragdgrünen Augen sah, die ihn ansahen, realisierte er seine Worte. Jetzt war aber auch schon zu spät. Gröber als beabsichtigt sagte er „Sie sollten sich wieder schlafen legen, Mr. Potter, sie sind noch zu schwach. Ich werde indes dafür sorgen, dass sie etwas zu essen bekommen. "
Mit diesen Worten eilte er regelrecht aus dem Zimmer, einen sprachlosen jungen Potter zurück lassend. Draußen im Gang lehnte er sich erstmal an die Wand und massierte seine Schläfen. Warum machte er so viel Aufhebens um Harry Potter ? Damit, dass er der „Retter der Zaubererwelt" war, hatte das gewiss nichts zu tun. Aber was war es dann? Wollte er das überhaupt wissen?
Nein, beschloss Lucius und eilte dann in Richtung Küche, um für das versprochene Essen zu sorgen.
Dort angekommen stellte er fest, das Gypsy bereits eifrig dabei war, in unterschiedlichen Töpfen zu rühren. Das verwunderte ihn, denn Gypsy war nur äußerst selten in der Küche anzutreffen, und noch seltener kochte sie.
Auch wenn sie eine begnadete Köchin war, mochte sie es nicht besonders und Lucius zwang seine treuste Dienerin nicht, etwas zu tun das sie nicht mochte, wenn es nicht unbedingt sein musste.
Tatsächlich war er, entgegen aller Erwartungen, weit weniger streng zu seinen Elfen, als man es allseits zu wissen glaubte.
Gypsy jedoch bekleidete zudem eine gewisse Ehrenstellung in seinem Haus, die sie sich mit viel Mühe erarbeitet hatte. Lucius hatte sogar einen gewissen Respekt vor diesem kleinen Wesen, das dort emsig Zutaten schnippelte und in Töpfen herumrührte. Auch wenn er das natürlich niemals zugegeben hätte.
Jetzt fragt er: „Was machst du da, Gypsy? Seit wann kochst du freiwillig? "
„Der Freund vom Meister sah krank aus, Meister. Ich dachte dass er bestimmt etwas zu essen wünschen wird. Habe ich etwas falsch gemacht, Meister ?"Mit ängstlich geweiteten Augen sah sie Lucius an.
Der schüttelte bloß erschlagen den Kopf und meinte dann „Danke Gypsy. Aber er ist kein Freund von mir, merk dir das."
Verwundert wurde er von seiner Hauselfe gemustert. „Nicht ? Aber Sie haben noch nie jemanden mit so viel Sorge bedacht, also muss er Ihnen doch nahe stehen?"
„Nein, tut er nicht. Ende der Diskussion !"
Entschieden erhob sich Lucius. Das wäre ja noch schöner, er, das Oberhaupt der Malfoyfamilie, befreundet mit einem Zauberer ohne Rang und Namen, noch dazu einem Potter. Oder dass er sich Sorgen um ihn machen solle um eine andere Person. Lachhaft !
Mit raschen Schritten verließ er die Küche. An der Tür blieb er noch einmal stehen und befahl, ohne sich umzudrehen „Wenn du mit dem Kochen fertig bist, bringe dem Jungen das Essen hoch. Du weißt ja, wo er sich befindet. Achja, und mische ihm einen Schmerz- und einen Schlaftrank in die Speisen. Laut Dr. Winters sollte er noch schlafen, also wird ihm das bestimmt gut tun. " Außerdem nervt er mich dann nicht mehr mit Fragen... fügte er gedanklich hinzu. Dann verließ er die Küche endgültig.
Ein Blick auf seine Taschenuhr sagte ihm, dass es kurz nach 10 Uhr abends war.
Er würde sich noch ungefähr eine Stunde mit seiner Arbeit beschäftigen und sich dann schlafen legen, in der Hoffnung, dass sein Gast dann schon schliefe. Zufrieden mit diesem Plan begab er sich in sein Arbeitszimmer um diesen Plan in die Tat umzusetzen.
~*~
Währenddessen saß Harry verwirrt in seinem Bett. Sein Verstand war noch immer etwas vernebelt.
War das alles war oder doch nur ein – zugegebenermaßen merkwürdiger – Traum ?
Oder hatte ihn tatsächlich Lucius Abraxas Malfoy, seines Zeichens ehemaliger Todesser, Vater von Harrys Erzfeind und zudem arroganter Schnösel, vor seinem sadistischen Onkel gerettet ?
Aber warum sollte er, er hasste ihn doch - Nein, er konnte ihn nicht ausstehen, korrigierte Harry sich in Gedanken.
So viel er auch versuchte Nachzudenken, das einzige Ergebnis zu dem er gelangte, waren immer stärker werdende Kopfschmerzen.
Schließlich gab Harry auf, schloss die Augen, und wollte sich grade zurück in seine Kissen sinken lassen, als ein leises Plopp seine Aufmerksamkeit erregte.
Mit etwas Mühe öffnete er seine Augen wieder und sah eine Hauselfe, die für ihre Rasse ungewöhnlich hübsch war, mitten im Zimmer stehen.
Sie hatte lange, silbergraue Haare, ausdrucksstarke, blaue Augen und trug – das war das merkwürdigste – ein violettes Kleid und Schuhe.
Am Kleid war eine goldene Brosche befestigt, auf der ein großes „M" erkennbar war. Dass es sich nicht um eine gewöhnliche Hauselfe handeln konnte, war Harry sofort klar, aber ihm fehlte die Kraft, jetzt weiter darüber nachzusinnen.
In den Händen hielt das kleine Wesen ein reich verziertes Tablet, auf dem sich eine große Schale mit dampfendem Inhalt, ein Teller, bei dem Harry nicht erkennen konnte, was darauf lag, eine Karaffe und ein leeres Glas befanden.
Bevor der Junge etwas hätte sagen können, war die Hauselfe bereits bei ihm am Bett und legte ihm das Tablett auf die Knie. Offenbar wurde es mit einem Zauber gerade gehalten, denn als Harry sich bewegte, zitterte es nicht einmal.
„Sie müssen gut essen, Sir, damit sie wieder gesund werden, Sir. Essen Sie erst die Suppe mit etwas Brot und danach noch ein wenig von diesem Kuchen hier. Und trinken sie viel ! Das ist nämlich gesund, Sir ! Ich hoffe Sie mögen Kürbissaft , Sir ? Master Draco liebt ihn, deswegen haben wir kaum was anderes im Haus und ich hatte keine Zeit noch etwas andres zu besorgen. Essen Sie weiter, Sir Gypsy hat sich viel Mühe gegeben, Sir. Oder schmeck Ihnen etwas nicht ?"
Während dieses Redeschwalls, den sie jetzt besorgt unterbrach, hatte sie Harry schier gleichzeitig den Löffel in die Hand gedrückt, Saft eingeschenkt, das Brot zu ihm geschoben und den Kuchen klein genschnitten. Nun sah sie mit riesigen Augen zu dem jungen Potter auf, halb in der Erwartung, jetzt Schelte für das Essen zu erhalten.
Doch der Junge schüttelte nur den Kopf und lobte zwischen zwei Löffeln Suppe : „Ich habe noch nie etwas Besseres gegessen. Vielen Dank Gypsy ! Dieser Kuchen ist ein reines Meisterwerk ..."
Genüsslich leckte er die Gabel nach dem letzten Stückchen ab. Dank der untergemischten Schmerzmittel fühlte er in diesem Moment nicht einmal mehr die Kopfschmerzen, die ihn vor wenigen Minuten noch geplagt hatten. Doch als er den letzten Schluck des Saftes ausgetrunken hatte, begann auch das Schlafmittel zu wirken und er glitt innerhalb weniger Sekunden in einen völlig traumlosen, fast einer Narkose ähnelnden Schlaf. Er bemerkte weder, wie die kleine Hauselfe in sanft in die Kissen bettete, noch wie sie das Geschirr mit einem leisen Lächeln auf das Tablett stellte und dann in Richtung Küche verschwand.
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