Aufprall
Kapitel 57
Sugar
Für den Hauch einer Sekunde schwebte ich und konnte mich so auf den Schmerz vorbereiten, der zweifellos kommen würde. Das Schaben und Reiben von Haut, der über Asphalt schlitterte, das Brennen, das mich bis in meine Träume verfolgen würde. Die Wucht des Aufpralls und die Gewissheit, dass ich auf all das keine Rücksicht nehmen konnte, wenn ich von diesen Typen weg wollte, ließen mich das alles ertragen.
Ich legte meine Arme über meinen Kopf, versuchte mich zusammenzurollen und schrie nicht, als der Schmerz in meinen Körper explodierte. Nicht weil ich so taff gewesen wäre, sondern weil der Aufprall mir die Luft aus den Lungen drückte.
Dann rollte ich über den Asphalt und kaum dass ich zum Liegen kam, löste ich mich aus meiner Kugel-Form und versuchte mich aufzurappeln.
Die Betonung lag aber auf dem Wort: Versuchen, den mein Kopf dröhnte und meine Beine knickten sofort wieder ein, als ich versuchte aufzustehen. Die Hitze von der trockenen Las Vegas Luft ignorierte ich, genauso wie die quietschenden Bremsen hinter mir.
Sie hielten an, um mich zurückzuholen, sie hielten an, um dafür zu sorgen, dass ich nicht noch einmal entkam und mein Körper weigerte sich aufzustehen und wegzurennen. Die Schläge von diesem Mistkerl hatten mir härter zugesetzt als gedacht und ich stöhnte vor Schmerz, Irritation und blanker Wut.
Einen Atemzug und unendlichen Starrsinn später stand ich endlich und humpelte los. Wir waren noch nicht weit aus der Stadt heraus, aber die Landschaft wurde jetzt bereits von den unendlichen sandigen Dünen dominiert, die um Las Vegas herum herrschten.
Ich sah, wie ein weiterer Wagen hielt.
Ein Mann kurbelte das Fenster herunter, blinzelte scheinbar überlegend, ob er mich ansprechen sollte oder nicht. Ich wusste, dass es unverantwortlich war, ihn in die Sache mit hineinzuziehen, es könnte ihn umbringen, doch er war meine Rettung, also humpelte ich auf ihn zu. Seine Augen waren riesig, als ich mich näherte und er aus guten Willen heraus die Tür öffnete, offensichtlich, um mir zu helfen. Es gab noch gute Menschen auf dem Planeten. Menschen wie dieser Mann, die sahen, dass jemand offensichtlich in Gefahr war und helfen wollten.
Dann hörte ich das Brabbeln auf seinem Rücksitz und ein kleiner Junge drückte seine Nase gegen die Scheibe und bedachte mich mit großen Augen. Fuck.
Oh. Fuck. Kinder. Der Mann war ein Familienvater. Ein guter Vater nicht so ein Scheißkerl wie mein eigener. Einer der bei Problemen half. Das konnte ich nicht verantworten!
Für einen Moment zögerte ich, schüttelte alles an Hoffnung ab und wollte nur einmal in meinem Leben das Richtige tun.
"Fahren Sie weiter!", schrie ich dem Mann entgegen und schlug eine andere Richtung ein. Er öffnete den Mund.
"Miss...sie...", begann er, aber ich schüttelte den Kopf, raffte meinen Bademantel zusammen und humpelte weiter.
Er hatte Kinder, war ein Familienvater, ich konnte ihn in diese Scheiße nicht mit...
Schüsse ertönten und instinktiv sprang ich hinter den Wagen meines Retters und verkroch mich dort.
Fuck, diese Bastarde hatten wirklich nicht vor ,mich gehen zu lassen. Fuck.
"Papa!", erklang das entsetzte Heulen des Jungen auf dem Rücksitz und als ich hinter dem massiven Heck des Fahrzeuges herum lugte, sah ich den Mann, der mit helfen wollte, auf dem Boden. Die Blutlache um ihn herum wurde immer größer und der brennende Gedanke darum, dass er meinetwegen tot war, fraß sich einmal komplett durch meinen gesamten Körper.
Wieder ertönten Schüsse, die Heckscheibe des Wagens über mir zersprang und das Geheul des Jungen wurde zu einem puren ängstlichen Schrei. Fuck. Fuck Fuck.
Meinen Vater und seine Arschlöcher von Handlangern interessierte es ein Dreck, ob dieses Kind in dieser Schießerei draufgingen. Was sie wollten, war ich und wenn sie mich nicht verkaufen konnten, würden sie mich umbringen wollen.
Fuck. Fuck.
Ich überlegte fieberhaft, was ich tun konnte, als wieder geschossen wurde.
Einige andere Wagen, die auf der Straße aus der Stadt gefahren waren, hielten ebenfalls. Menschen liefen panisch davon und ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Polizeisirenen ertönten. Irgendwer würde die Polizei rufen, irgendwer würde zur Hilfe kommen, die Frage war nur, ob dieser Junge und ich bis dahin überlebte.
Diese Arschlöcher feuern immer noch auf mich. Ich musste von diesem Wagen weg. Schnell.
Ich schätzte meine Entfernung zum nächsten Auto ab. Der Fahrer des roten Toyotas war längst verschwunden. Wenn ich schnell war, würde ich es hinter die offene Tür schaffen und dann weiter hinter das Fahrzeug. Doch wie schnell konnte ich sein, mit meinem verletzten Bein? Es war riskant, geradezu dämlich, meine Deckung zu verlassen, aber wenn ich zumindest dieses Kind retten wollte, musste ich verschwinden. Diese Bastarde würden sonst weiter darauf schießen.
Entschlossen, es zu versuchen woanders Schutz zu finden, weil es schlichtweg das Richtige war, belastete ich probeweise mein Knie, dass bei dem Aufprall auf dem Asphalt in Mitleidenschaft gezogen wurde und hoffe , es würde mein Gewicht tragen.
Es tat scheiße weh, aber ich würde es dennoch wagen, also verdrängte ich den Schmerz und sprintete los. Jemand feuerte auf mich, diesmal näher als zuvor und ich schrie als mich eine der Kugeln erwischte und ich mitten vor dem rettenden Schutzschild zusammenbrach.
Doch nicht schnell genug. Fuck.
"Schade um das Geld", hörte ich dann eine Stimme fast schon direkt über mir. Ich blinzelte der Sonne entgegen und sah meinen Vater, der eine Waffe auf mich richtete. Drückte ab.
Dann fluchte er.
Ich hatte mir bei diesem Klicken spontan fast ins Höschen gemacht. Der Wichser hätte mich ohne Verzögerung erschossen, doch sein Magazin war leer. Was mir nur wenige Sekunden mehr gab. Vollkommen emotionslos wechselte er das Magazin. Und schien immer noch kein Interesse mehr daran zu haben, mich am Leben zu lassen. Wahrscheinlich weil er erkannt hatte, was so viele Männer vor ihm erkannt hatten: Ich war den Aufwand nicht wert.
Ich war kämpferisch, launisch, sarkastisch, frech und würde ihm auch weiterhin Probleme machen. Da konnte er mich ebenso gut gleich ausknipsen.
Da ich mich nicht mehr bewegen konnte, weil alles in meinen Körper einfach nur weh tat, atmete ich fast ergebend durch. Das war wohl mein Ende.
Witzig, weil ich immer gewusst hatte, dass es so enden würde, weil ich immer gewusst hatte, dass ich nicht alt genug werden würde, um alt zu werden. Meine letzten Gedanken richteten sich an Crow und ich stellte fest, dass ich es bereute.
Ich bereute es so zickig zu ihm gewesen zu sein, anstatt die Zeit mit ihm zu genießen, ich bereute es diese Pille geschluckt zu haben, auch wenn ein mögliches Kind durch mein viel zu frühes Ableben eh nie die Chance gehabt hatte einen Atemzug zu machen. Es würde mit mir hier sterben. Kurz dachte ich an Pearl und war froh, sie aus der Scheiße heraus bekommen zu haben. Das sollte mich trösten, oder? Tat es aber nicht, denn ich war auch wütend auf mich selbst. Die großen Player in dieser Stadt hatte ich überlebt, sogar einen Mann gefunden, für den ich mehr hätte sein können.
Gott, ich hatte mich in Crow sowas von verknallt und stellte das erst jetzt fest. Drei Sekunden, bevor ich draufging. Ich hatte ein beschissenen Timing. Echt. Und dann wurde ich ausgerechnet von den oberflächlichen und miesesten kleinen Wichser umgebracht, denn es hätte geben können. Mein Vater wollte simple Rache für seinen Serienkiller-Sohn, etwas tiefgründiger hatte ich mir meinen Mörder schon vorgestellt.
"Wir haben ein paar Trostpreise!", meinte einer der Bastarde, die mein Vater sich als Minions hielt und ich sah, wie diese Penner die Wagentür des Familienvaters öffneten.
Oh. Nein!
Nein! Nein! Nein!
Sie würden nicht den Jungen verkaufen, sie würden nicht...
"Jetzt bist du nicht mehr hübsch genug. Grüß meinen Sohn von mir", meinte dann mein Vater, der den Sicherheitsbügel der Waffe wieder löste. Er hatte das Magazin gewechselt und drückte ohne ein weiteres Zögern ab.
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Willkommen zu Lesenacht,
wer bis zum ende dabei ist, darf mitbestimmen, was nach dieser Geschichte läuft auf Wattpad
LG
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