Kapitel 12
Meinen Ausgang aus dem Palast genoss ich sehr, natürlich führte mein erster Weg in den Grauen Bezirk. Dort sprach ich kurz mit den Bauarbeitern, die sich Oengul und Faryl ausgesucht hatten. Es waren sowohl die Dunmer, die in den Häusern lebten, als auch fähige und starke Nord, die das Gold gut gebrauchen konnten. Sie packten alle mit an und schon nach den wenigen Stunden, in denen sie nur die Häuserfassaden renoviert hatten, sahen die Häuser schon wieder viel wohnlicher aus als vorher. Allerdings hatten mich die wenigsten Bürger schon gesehen, daher bildete sich bald eine Schar Leute um mich. Meine beiden Wachen taten gut daran, die Meute zu verscheuchen und machten mir den Weg zum Neu-Gnisis-Club frei. „Nevena?" fragte Ambarys, der gerade die Fenster seiner Taverne sauber machte. Ich fiel ihm glücklich um den Hals, endlich konnte ich ihn wieder sehen. „Deine Flucht hat wohl nicht sehr gut geklappt..." sagte er jedoch etwas leiser, als ich mich aus seinen Armen löste. „Doch, ich bin weit gekommen und habe viel erlebt." sagte ich und lächelte. „Aber vor den Sturmmänteln kann man sich nicht verstecken. Glaub mir, ich wäre auch lieber wo anders, wenn ich es mir aussuchen könnte. Aber ich muss das Spiel mitspielen, mir geht es schon gut." sagte ich. „Das will ich doch hoffen! Traumhaftes Kleid!" erwiderte er und strich über den dunkelblauen Samt. „Und wie du siehst, kann ich nebenher auch noch etwas erreichen!" ich drehte mich im Kreis und zeigte auf die Häuser, die immer weniger nach dem dreckigen Ort aussahen, in dem ich aufgewachsen war. „Pass nur gut auf dich auf!" sagte er zu mir als Abschied und umarmte mich noch ein Mal, solche Zuneigung hatte ich von ihm auch noch nicht gesehen. Aber er war wohl einfach froh mich wohlbehalten wieder zu sehen und hoffte, dass dies auch so blieb. Als nächstes lief ich hinunter zum Hafenviertel, das man nicht nur über die Mauer, sondern auch über eine kleine, dreckige Treppe erreichen konnte. Dieser Gang war immer streng bewacht gewesen, so wie auch diesmal. Aber als Prinzessin von ganz Himmelsrand durfte ich ihn nun nutzen. Ich achtete nicht darauf, ob mein Kleid schmutzig wurde, sondern rannte immer schneller nach unten. Und da saß Shahvee und wusch gerade frisch gegerbtes Leder, um es auf einer Art Wäscheleine aufzuhängen. Als sie mich sah strahlte sie! „Nevena!" rief sie überglücklich und lies sofort ihr Leder zurück in den Wassereimer platschen. Ich umarmte sie und erst nach einiger Zeit lösten wir uns voneinander. „Das Kleid, ist das echter Samt?" fragte sie mich und rieb sich die Augen. „Es gibt so viel zu erzählen!" sagte ich und fasst meine Flucht in einer Kurzform zusammen. Ihre Schwester hatte mir wahnsinnig geholfen, und dafür war ich Shahvee und Keerava unendlich dankbar. Ich erzählte ihr auch leise von der Diebesgilde und meinem wirklichen Zuhause. Die Zisterne der zersplitterten Flasche war etwas ganz besonderes. In meinem eigenen kleinen Haus hatte ich mich nie so wohl gefühlt und im Palast auch nicht, auch wenn es dort tausend mal luxuriöser war. Eines Tages würde ich zur Diebesgilde zurückkehren, auch wenn ich noch nicht wussten wann das war. Auch das sagte ich ihr, alles natürlich in einem leisen Ton, schließlich standen die Wachen ein gutes Stück neben uns. Sie hielten aber freundlicherweise etwas Abstand und ließen uns unsere Privatsphäre. „Einen solchen Ort solltest du festhalten, nichts ist wichtiger als sich wohl zu fühlen." sagte Shahvee zischelnd. „Ich bin froh das du wieder hier bist, Nevena. Aber lass dich nicht von Ulfric benutzen ja? Du bist vielleicht seine Tochter, aber er kann dich nicht einfach so herumschieben wie es ihm passt." sagte Shahvee. Kurz darauf kam ein mürrisch aussehender Nord auf uns zu. „Hafenarbeiterin! Du sollst arbeiten und nicht plaudern!" brüllte er Shahvee an und verschränkte die Arme. Shahvee nickte nur schnell und hob das Leder wieder aus dem Eimer auf um es auf die Leine zu hängen. „Der neue Hafenmeister..." murmelte sie mir zu und machte sich wieder an die Arbeit. „Und arbeite gefälligst schneller, sonst kannst du heute auf dem Steg schlafen!" brüllte er weiter. Er war alt und hatte bereits eine Glatze, sein üppiger, dunkelbrauner Vollbart lies ihn ziemlich mürrisch aussehen und das war er auch. „Guten Tag, der Herr." sagte ich in einem sehr angreifendem Ton. Erst jetzt drehten sich die zusammengekniffenen, schwarzen Augen zu mir. Er musterte mich deutlich. „Wie Ihr sicher mitbekommen habt, ist mein Name Nevena Sturmmantel geborene Sethan." sagte ich und musste bei dem Gedanken, dass ich gerade den Nachnamen meines Vaters benutzte, beinahe wieder würgen. „Behandelt Eure Hafenarbeiter gut, sonst wird mein Vater das zu hören bekommen. Da wir demnächst Besuch von einigen wichtigen Personen bekommen, wird es ihm sicher gar nicht gefallen in welchem Zustand der Hafen sich befindet. Und im übrigen reicht mein Einfluss aus um euch wegen der schlechten Arbeitsbedingungen anklagen zu lassen." sagte ich, nickte zum Abschied und drehte mich schwungvoll um. Der Mann verzog keine Miene, aber meine Strafpredigt hatte ihn sehr wohl in Angst um seine Stelle versetzt. Er nickte mir ebenfalls zu, dann schlurfte er über die Anlegeplätze davon. Shahvee zwinkerte mir zu, begann dann aber wieder mit ihrer Arbeit und ich beschloss meine Freizeit weiter auf dem Markt zu verbringen. Ich wollte Ulfric schließlich nicht enttäuschen, oder zumindest wollte ich nicht gefoltert werden, daher 'lies ich mich sehen'. Ich lief ein wenig auf dem Markt herum und grüßte wichtige Personen. Darunter war zum Beispiel der Schmetter-Schild-Clan, der zu den reicheren Familien der Stadt gehörte, oder die Händler, die ich gestern am Hof angetroffen hatte.
Es war erst kurz nach Mittag, als ich zum Palast zurück lief. „Wir können dich nicht zurück bringen, Jarl Ulfric hat ausdrücklich betont, Euch erst am späten Nachmittag in den Palast zu lassen." sagte einer der beiden Wachen, die mich begleiteten, als wir am großen Tor angekommen waren. „Meine Herren, es macht Ihnen doch keine Umstände." sagte ich und klimperte mit meinen Wimpern. Warum wollte mich Ulfric aus dem Haus haben? Er hatte mir den Ausgang also nicht geschenkt, damit ich Freunde besuchen konnte oder meine Baustelle ansehen durfte... Nun wollte ich noch mehr ins Schloss. „Sie hätten eine kleine Pause und ich würde nur in meinem Zimmer bleiben." sagte ich. „Ich habe noch einige Bücher, die ich gerne lesen würde." sagte ich und nach einigen Bitten gaben die Wachen nach. Sie eskortierten mich zusammen in mein Zimmer, beharrten aber darauf die Tür weiter zu bewachen. Aber das konnte mir gerade Recht sein. Suvaris hatte ebenfalls die Information bekommen, dass ich erst am späten Nachmittag wieder zurück sein würde, daher hatte sie wahrscheinlich auch Freizeit oder musste andere Aufgaben erledigen. Es gab hier sehr wenige Diener im Schloss, daher waren diese ziemlich ausgelastet. Aber ich hatte schon einen Plan, wie ich herausfinden würde, weshalb mich Ulfric aus dem Haus haben wollte. Als erstes lies ich nach Alesan rufen, dem kleinen Dienerlehrling. Ich lies ihn aus der Schatzkammer den Rest des Betrages holen, der mir zur Renovierung des Grauen Bezirks zustand, da ich nicht alles Gold verbraucht hatte. Als er mir den Sack voll Gold brachte, zerriss dich das Leinentuch des Sackes in drei Teile und packte in jeden Sack etwas Gold. Dann lies ich Alesan an meinen Tisch treten. „Alesan, dies ist ein Auftrag von mir persönlich. Diese beiden Bündel müssen zwei bestimmten Personen zugestellt werden. Es ist wichtig das du niemandem etwas davon erzählst, ja? Mein Vater überwacht sicher jede Aufgabe, die ich den Bediensteten gebe, aber es ist wichtig das es niemand erfährt." sagte ich und sah Alesan in die Augen. Er nickte sofort. „Also, einen der beiden Bündel gibst du dem Wirt des Neu-Gnisis-Clubs im Grauen Bezirk. Sein Name ist Ambarys." Der kleine Junge nickte wieder wie wild und nahm das Bündel an sich. „Das andere Bündel gibst du Shahvee, sie ist eine Hafenarbeiterin." sagte ich. „Und das dritte Bündel bekommst du selbst, wenn du es niemandem verrätst." sagte ich und gab ihm auch die letzten beiden Bündel in die Hand. Er staunte nicht schlecht, als er die beiden Goldsäcke die er abgeben sollte in seiner Gürteltasche verstaute und sein eigenes Päckchen öffnete. Es funkelten ihm fünfzig Goldstücke entgegen und das war eindeutig mehr, als er jemals für seine Dienste am Hofe erhalten würde. „Also los, bring den beiden ihre Lieferungen. Wenn dich jemand erwischt, denk dir Lügen aus. Es ist ganz egal, Hauptsache es erfährt niemand was du ihnen gegeben hast." sagte ich und nickte Alesan dann zu. „Aber gerne, werte Dame. Ich mache mich sofort auf den Weg. Und habt Dank, habt vielen Dank." stotterte er und verbeugte sich tief, bevor er aus der Tür rannte. Immerhin gehorchte er mir, dachte ich und lächelte, als ich den kleinen Jungen weglaufen hörte. Nun konnte mein eigentlicher Plan beginnen.
Ich zog mir alleine das dunkelblaue und wirklich wunderschöne Samtkleid aus, denn ich brauchte bequemere Kleidung. Im Schrank fand ich jedoch nur solche Kleider. Ich durchwühlte alles, doch fand nur Kleider aus rosanem, violettem, grünem, blauem und gelbem Stoff. Frustriert trat ich gegen den Schrank. Ein Geräusch ertönte – offensichtlich war der untere Teil des Schrankes hohl. Leicht lies sich der Boden herausnehmen und ich blickte hinab auf meine Diebesgildenrüstung. Wer hatte sie dort hineingelegt? Ulfric hatte mir die Rüstung abgenommen und sie sicher im Kerker verstaut, in der Kiste, in der all die gestohlene Ware verstaut wurde, die die Diebe noch bei sich hatten. Aber nun lag sie hier, in meinem Schrank. Ich schüttelte den Kopf aber musste lächeln, es war nahe zu perfekt. Ich zog die Rüstung an und fühlte mich gleich viel wohler. Die Rüstung schmiegte sich an meine Haut und gab mir das Gefühl eines weichen Kleides, nur das ich mich darin viel besser bewegen konnte und das Atmen fiel auch viel einfacher. Etwas blinkte mich aus dem geheimen Fach an und ich hob das, was es war, auf und wunderte mich. Als ich es ans Licht hob, erkannte ich den Ring, der mir mit der Rüstung abgenommen worden war. Nun breitete sich das Lächeln zu einem Strahlen aus – ja ich war wieder da, mein Plan konnte losgehen.
Mit Leichtigkeit hatte ich das Schloss des Fensters geknackt und war auf den Balkon gesprungen, den man von meinem Zimmer aus aber nicht betreten konnte. Eigentlich nicht! Die Luft war hier oben herrlich frisch, aber auch etwas kühl. Geschickt balancierte ich auf dem Geländer weiter zu der Tür, durch die man eigentlich auf den Balkon gehen konnte. Er gehörte zu einer Bibliothek, die ich schnell durchquert hatte. Hier war niemand zu sehen, offensichtlich interessierten sich die Wachen nicht für Bücher. Leise schloss ich die Tür, die auf den Gang hinausführte. In der großen Halle war ebenfalls niemand zu sehen, aber kurz danach musste ich mich vor zwei Wachen verstecken. Die Sicherheit lief im Moment wohl auf Sparflamme, die beiden Wachen waren tief in ein Gespräch vertieft und bemerkten mich gar nicht. Das konnte allerdings auch an meiner Tarnung liegen, ich hatte mich jedoch nur hinter einen Vorhang gestellt.
Die Flure auf der anderen Seite der Halle verliefen verwinkelt und mit vielen Kurven. Ganz anders als auf der anderen Seite des Palastes, wo alles gradlinig und ordentlich aussah. Ich hörte langsam eine Stimme, die Stimme von Ulfric und folgte ihr. Bald schon hörte ich sie hinter einer schweren Eichenholztür vor sich hin grummeln. Er war allerdings allein, so wie es sich anhörte. Schritte kamen auf die Tür zu und ich hatte gerade noch Zeit über eine Bank an die Decke zu einem Kronleuchter zu springen, ehe sich schon die Tür öffnete und Ulfric heraustrat. „Immer diese Neider." grummelte er vor sich hin. „Jetzt wollen sie mir auch noch die Handelsgesellschaft schlecht machen. Wers glaubt!" grummelte er und war auch schon hinter der nächsten Ecke verschwunden. Ich atmete durch, als ich von dem schweren Kronleuchter gesprungen war. Ich hatte Glück gehabt, dass dieser so stark gewesen war und mich gehalten hatte. Es wäre eine seltsame Situation gewesen, wenn ich mit einem Kronleuchter in kompletter Diebesgildenrüstung auf meinen Vater hinabgefallen wäre.
Schnell schlich ich in den Raum hinein, es war ein Arbeitszimmer mit hübschem Design. In der Mitte des Raumes stand ein großer Schreibtisch, darauf befanden sich viele Briefe und einige Federn mit Tinte. Oben auf lag ein Brief, dessen krakelige Schrift ich nur langsam entziffern konnte. Die Förmlichkeiten übersprang ich, am Hof gab es sehr viel unnötiges und eines davon waren die ganzen Anreden des Großkönigs. „Aus sicherer Quelle habe ich erfahren, dass die Handelsgesellschaft, mit der Ihr versucht einen Handelsvertrag abzuschließen keine weiße Weste hat. Sie verwenden Sklavenarbeiter, die in Morrowind schon seit langer Zeit verboten sind wie Ihr sicherlich wisst." weiter kam ich nicht, denn ich hörte wie einige Schritte den Flur entlang kamen. Schnell steckte ich den Brief ein und sah mich um Raum um. Die Tür war versperrt und je nach dem wer in den Raum kam, würde dieser mich auch an der Decke finden. Schnell traf ich eine Entscheidung und kletterte aus dem Fenster. Gerade noch rechtzeitig, bevor Ulfric mit einem Süßkuchen in der Hand wieder in den Raum kam.
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