Kapitel 11

„Brynjolf!" entfuhr es mir doch er hielt sich sich sofort den Finger an den Mund. „Verrate mich doch nicht sofort!" zischte er, dann nahm er den Finger wieder vom Mund. „Bist du gekommen um mich aus der Gilde zu werfen? Das hatte ich irgendwie schon erwartet..." murmelte ich, doch zu meiner Überraschung schüttelte Brynjolf seinen Kopf. „Du bist wichtiger denn je! Wir hätten natürlich gerne gewusst wer du wirklich bist, als du der Gilde beigetreten bist..." sagte er, der zweite Satz klang ziemlich vorwurfsvoll, aber sein Gesicht verzog sich gleich wieder ins Freundliche. „Aber mit deiner Position bist du noch wichtiger geworden als du schon warst: Wie du sicher schon weißt, will der Großkönig einen Vertrag mit einer Handelsgemeinschaft aus Morrowind abschließen." sagte er. Ich nickte: „Deshalb bin ich auch hier, er hätte mich in meinem Rattenloch von Grauem Bezirk verrotten lassen, wenn ich kein Dunmer wäre, der genau die Bindung zum Volk symbolisiert, die er gerade braucht." sagte ich leise, aber ziemlich aufgebracht. Die Gründe, warum ich hier war fand ich immer noch schrecklich. „Das tut nichts zu Sache, du musst für uns herausfinden, wie dieser Vertrag aussieht, ob die Waren über das Land getragen oder mit Schiffen gebracht werden – wir brauchen alle Informationen. Am besten welche über Lagerplätze und Rastplätze der Karawanen oder Schiffe!" sagte Brynjolf. „Die Gilde will etwas von den Waren abgreifen?" fragte ich und musste schmunzeln, das passte zur Diebesgilde. Kaum war ein neuer Handelszweig offen, kamen sie auch schon am um etwas zu stehlen. „Natürlich! Aber auch andere Informationen können wichtig sein, finde einfach alles heraus, was du herausfinden kannst. Du bist nun keine Diebin mehr, sondern eine Spionin und zwar in der besten Position, wo wir jemals einen Spion hatten." sagte er und legte seine Hand auf meine Schulter. Es gab mir Halt, ansonsten wäre ich wohl zusammen gebrochen. So eine Aufgabe würde ich nicht bewältigen können – ich konnte klettern und schleichen, aber meine Tür war immer noch bewacht. Geistesabwesend nickte ich einfach nur, ich konnte die Diebesgilde nicht enttäuschen. Und für andere Aufgaben war im im Moment eh nicht zu haben. „Sammle die Informationen in Briefen und schick sie uns mit einem Boten, wenn du die Möglichkeit hast..." sagte er gerade, da drehte sich der Schlüssel im Schloss der großen Eichentür. „Du findest schon einen Weg." sagte Brynjolf noch und nahm seine Hand von meiner Schulter. Stattdessen strich er mir mit der anderen Hand durch meine Haare. „Du schaffst das!" sagte er noch, dann ging die Tür auf. „Nevena, da bist du ja schon!" sagte Suvaris. „Na komm, ich helfe dir beim Umziehen. Für heute hast du genug Aufregung verursacht!" sagte sie und ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Ich drehte mich zum Fenster, aber es stand nur noch weit offen. Brynjolf war wie vom Erdboden verschluckt, er war einfach nicht mehr da. Wie schnell und ungesehen konnte er denn bitte die Mauer des Palastes herunterklettern? Diese Frage blieb mir einige Zeit im Kopf, während Suvaris mir dabei half das Korsett zu lockern und aus dem wunderschönen Kleid zu schlüpfen. Ich fand es sehr angenehm, dass wir so eine freundliche Umgangsweise hatten und ich nicht mit dem Ton mit ihr sprechen musste, den ich am Hof aufgelegt hatte. Suvaris hängte das Kleid zu einigen anderen in den Schrank und legte mir dann ein deutlich bequemeres Kleid raus. „Du musst immer aussehen wie eine Prinzessin, auch wenn du keinen Termin hast!" antwortete sie auf meinen fragenden Blick. Erst jetzt fiel ihr das Fenster auf. „Wolltest du etwa fliehen?" fragte sie mich streng. „Nein, nur etwas frische Luft schnappen..." sagte ich lächelnd zu ihr. „Weißt du, ich müsste einfach mal hier raus. Ich bin seit Tagen nur im Palast..." murmelte ich. „Du bist noch ein zu hohes Sicherheitsrisiko, als das man dich hier im Palast oder sogar draußen frei herumlaufen lassen kann, meint der Jarl." sagte sie und machte meine Frisur auf. Ich zog selbst das fein gewebte Leinenkleid an, das zwischen allen Violetttönen hin und her schattierte. Mit offenen Haaren und diesem Kleid fühlte ich mich viel wohler, ich war einfach nicht ich, wenn ich in einem Kleid durch die Gänge des Schlosses lief, das mehr wert war als zwei Häuser im Grauen Bezirk. Da fiel mir der Graue Bezirk ein und wie aufs Stichwort kam ein junger Diener durch die Tür. Er machte große Augen als er mich sah und sofort zitterten seine Hände. Er war maximal zwölf Jahre alt, aber durfte somit als Dienerlehrling schon einige Aufgaben übernehmen. „Dieser Brief ist vom Großkönig für euch." sagte er stotternd und zitternd und reichte mir nach einigen Verbeugungen den Brief. Ich musste lächeln, der Kleine hatte ganz offenbar großen Respekt vor mir. Ich bedankte mich höflich und las das Pergament durch, auf dem nur wenige Zeilen standen. „Ich halte mein Versprechen." war in krakeliger Schrift dort zu lesen und darunter stand, dass er mir die Erlaubnis gab, den Grauen Bezirk zu renovieren. Alle Ausgaben würden mit diesem Schreiben aus der Schatzkammer genommen werden dürfen, so lange es ein bestimmtes Maß nicht überschritt. Ich lächelte als ich den Brief zusammenfaltete und in das Bücherregal legte. „Diener, ich habe noch eine Aufgabe für euch." sagte ich zu dem Jungen, der sich bereits weggedreht hatte und aus der Tür gehen wollte. Sofort stand er wieder gerade und aufrecht vor mir. „Holt mir den besten Schreiner aus Windhelm zu mir, einen Architekt, wenn du auftreiben kannst wäre mir auch gerecht." sagte ich und nickte ihm zu. Der Junge nickte und freute sich eindeutig, das ich ihm eine wichtige Aufgabe zugeteilt hatte. „Du lernst den Ton am Hofe aber schnell!" sagte Suvaris. „Bald werde ich dich wie eine richtige Dame anreden müssen!" sagte sie und wir lachten. Das erste mal, dass ich hier am Hof lachte. Endlich konnte ich etwas ungezwungener sein, ob das daran lag, dass ich mich endlich hier eingewöhnt hatte oder daran, dass ich nun wusste das ich nicht nur wegen meinem Vater hier im Palast war.

Ich hatte Suvaris mit einem Schreiben zu Ulfric geschickt, in dem ich nach dem Recht fragte, ob ich Briefe an meine Freunde schreiben dürfte und ob ich die lästigen Wachen endlich mal los wurde. Natürlich hatte ich alles freundlicher formuliert, aber ich glaubte trotzdem nicht daran, dass Ulfric Gnade walten lassen würde. Sicher, er brauchte mich mehr als ich ihn, da ich ihn gar nicht brauchte. Aber er würde bald wieder etwas finden, mit dem er mich erpressen konnte und wenn es allein die Folter war, die er mir schon die ganze Zeit androhte. Ich war also alleine in meinem Zimmer und durchsuchte das Bücherregal. Ich hatte selbst kaum Bücher besessen, aber hier entdeckte ich meine Leidenschaft wieder – in diesem Bücherregal standen zwei Regalbretter voller fantasievoller Geschichten oder wahren Begebenheiten. Ich merkte gar nicht wie die Zeit verflog und es draußen schon langsam dunkel wurde. Ich lag auf dem Bauch, vor mir ein Buch und neben mir ein Bücherstapel der Bücher die ich schon alle gelesen hatte, als Suvaris mein Zimmer betrat. „Oh, Nevena, du hast ja eine tolle Beschäftigung gefunden!" sagte sie lachend und räumte den Bücherstapel zurück in das Regal. Ich klappte das Buch zu, das ich gerade zu Ende gelesen hatte und reichte es ihr ebenfalls. „Wie hat der Großkönig meine Anfragen beantwortet?" fragte ich sofort. „Er hat mir gesagt, dass ich dir ausrichten soll das er – wortwörtlich – einen Scheiß tun wird und die Wachen vor der Tür werden dort bleiben. Briefe an deine Freunde sind ebenfalls nicht erlaubt..." sagte sie und setzte sich zu mir aufs Bett. „Du besitzt hier keinerlei Privilegien, man kann wirklich sagen, dass du eine Gefangene bist, die es etwas besser hat als die Gefangenen im Kerker." sagte sie traurig. „Ist schon in Ordnung, Suvaris." sagte ich lächelnd und sah nach draußen. Langsam sollte der kleine Junge mit dem Schreiner und Architekten zurück sein. „Ich habe leider noch eine Aufgabe für den Großkönig zu erledigen, ich lege dir hier dein Nachthemd raus, kommst du alleine klar?" fragte sie mich. „Ich habe mich auf früher alleine umgezogen, ich denke, das kriege ich hin!" sagte ich und musste etwas lachen. Suvaris nickte und nahm beim hinausgehen auch gleich den leeren Teller mit. Ich konnte mich gar nicht erinnern das ich etwas gegessen hatte, aber ich hatte es wohl, das Buch musste zu spannend gewesen sein. Umziehen wollte ich mich jedoch noch nicht, ich erwartete schließlich jemanden.

Es dauerte auch nicht lange und der Junge war wieder zurück, hinter ihm traten zwei Männer in den Raum. „Das hast du gut gemacht, danke!" sagte ich freundlich zu dem kleinen Dienerlehrling, der sofort in eine tiefe Verbeugung verfiel. Auch die anderen beiden Männer machten eine kleine Verbeugung, doch übertrieben es nicht so wie der Junge. „Wie ist dein Name?" fragte ich ihn. „Alesan, werte Dame." sagte er und ich sah, wie seine Hände schon wieder zu zittern begannen. Der kleine Rothwardone war ziemlich ängstlich, wie mir schien. „Gut, Alesan." sagte ich freundlich. „Wenn ich wieder eine Aufgabe für dich habe, werde ich dich rufen lassen, ja?" fragte ich ihn und er nickte ziemlich schnell. „Gut, wir werden uns wieder sehen. Du kannst jetzt gehen." schickte ich ihn weg und wendete mich dem Schreiner und dem Architekten zu. Der eine Mann war Oengul Kriegs-Amboss, einer der berühmtesten Schmiede in ganz Himmelsrand, der allerdings auch noch sehr viel Schreinerwissen vorzuweisen hatte. Der andere Mann stellte sich als Faryl Atheron vor, der der Bruder von Suvaris zu sein schien. Er arbeitet oft auf einer Farm, allerdings war er als Architekt schon sehr weit herumgekommen. Ich besprach mit ihnen einige Umbaumaßnahmen, auch wenn sich Faryl eindeutig gewillter zeigte, etwas im Grauen Bezirk zu verändern, als Oengul. Das überraschte mich nicht, er sah schon aus wie ein Nord der die Verhältnisse am liebsten so lassen würde, wie sie gerade waren. Doch als der Mond schon hoch am Himmel stand, hatten wir einige Pläne ausarbeitet, wie man den Grauen Bezirk renovieren konnte. Dazu zählten nicht nur die Erneuerung der Böden und Dächer, sondern auch die Ausbesserung der Risse in den Wänden und das Einbauen einiger Feuerstellen und fließendem Wasser für die Häuser, bei denen dies noch nicht vorhanden war. „Wir werden bereits morgen in aller Frühe die Baustelle aufschlagen!" sagten die beiden zum Abschied und ich fiel endlich todmüde in mein Bett. Heute hatte ich viel getan und morgen würde noch ein viel anstrengender Tag werden, dachte ich mir und zog mir schnell das seidene Nachthemd an, bevor ich mich in mein Bett sinken lies und mir sofort die Augen zufielen.

Der nächste Tag begann damit, dass Suvaris mich wieder einkleidete. „Nevena muss sich sehen lassen!" lautete wohl Jarl Ulfrics neuer Plan, mich noch mehr an das Volk zu binden. Nachdem ich selbst gebadet hatte, Suvaris mich in ein Kleid aus dunkelblauem, schweren Samt gesteckt hatte und mir meine schwarzen Haare zu einem Zopf geflochten hatte, empfing ich Ulfric persönlich. „Du hast dich hier ja gut eingelebt, das gefällt mir." sagte er anerkennend, als er mich sah. Ich lächelte nur zurück, am liebsten hätte ich ihm ins Gesicht gespuckt. Ich hielt mich jedoch zurück und fragte ganz sachlich: „Was wollt Ihr hier?" ich versuchte wieder etwas höflicher sein als gestern, ich konnte schließlich nicht mit jemandem unter einem Dach leben, mit dem ich mich nur stritt. „Ich wollte eigentlich nur sehen wie du dich hier eingerichtet hast, laut der Dunkelelfendienerin kommt sie sehr gut mit dir aus." sagte er lächelnd und ich erkannte wie Suvaris bei dem Wort 'Dunkelelfe' zusammenzuckte und schnell aus dem Zimmer schritt. Sie hatte offensichtlich die selbe Meinung zu diesem Wort, wie die meisten Dunmer die ich kannte. „Ich wollte dich bitten heute unter das Volk zu gehen – geh wohin es dir beliebt!" sagte er und lächelte mich falsch an. „Aber: die beiden Wachen werden dich begleiten, sie werden auf dich achten und dich schützen. Allerdings werden sie auch aufpassen, dass du nichts falsches sagst und das man dich sieht. Schließlich sollst du die Verbindung zum Volk sein, die die Handelsgesellschaft so sehr sucht." sagte er und ich nickte nur. Ich durfte hingehen wohin ich wollte, das reichte mir schon. Die beiden Wachen störten dabei nicht wirklich. „Du hast den ganzen Tag Zeit, nutze ihn!" sagte er noch dann stand er auf. „Ach ja, in zwei Tagen ist das Treffen mit der Handelsgesellschaft aus Morrowind." sagte er und warf mir einen Blick zu, der Gehorsam verlangte. „Danke für die Information." sagte ich nur und lies mir dann von Suvaris, die wieder in den Raum gekommen war, einen Pelzmantel bringen. Kaum war die Tür zugefallen, machte Suvaris ihrem Ärger Luft. „Was glaubt dieser Mann eigentlich wer er ist? Niemand hat das Recht unser Volk so zu beleidigen!" sagte sie und stampfte auf den Boden. Ich knirschte mit den Zähnen. „Leider ist er der Großkönig und damit hat er das Recht zu tun was er möchte." sagte ich leise und Suvaris nickte nur. „Ich weiß. Nevena? Eine Dunmer hatte in Himmelsrand noch nie so eine hohe Position. Versprich mir das du für unser Volk kämpfst!" sagte Suvaris. Ich lächelte: „Halbdunmer, aber ich verspreche es dir." sagte ich. „Und das hier ist nur der Anfang." ich stellte mich neben das Fenster und zeigte mit dem Finger auf den linken Rand des Fensters. Von dort aus konnte man den Rand des Grauen Bezirks erkennen, der langsam aber sicher in Holzgerüste gekleidet wurde und immer mehr Arbeiter begannen die Wände der Häuser auszubessern. Ein Lächeln huschte über Suvaris Gesicht und ich wusste, dass dies kein falsches Lächeln war um sich bei einer verhassten Person gut zu stellen. Es war ein echtes Lächeln, das tief aus ihrem Herzen kam.

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