Kapitel 1

Es war ein stürmischer Tag in Windhelm und ich saß auf der Straße im Grauen Bezirk. Heute war der Ort, an den alle Dunmer-flüchtlinge nach dem Ausbruch des roten Berges in der vierten Ära verbannt wurden, noch grauer aus als sonst. Jetzt waren nicht nur die trostlosen Straßen und Häuser grau, sondern auch die schweren Wolken und der Himmel. Und meine Haut, sie war ebenfalls grau, dachte ich, als ich an mir herunter sah. Ich hatte nicht viel und das alte Leinenkleid und die Pelzstiefel schützten nur wenig vor der Kälte, die hier im Norden von Himmelsrand herrschte. Sicherlich gab es noch kältere Orte, aber hinter Windhelm gab es fast nur eisige, karge Landschaften ohne Zivilisation, wie man mir erzählt hatte. Ich selbst war nie dort gewesen, aber so sehr zog es mich auch nicht in die Eiswüste.

Es war erst kurz nach Sonnenaufgang und ich saß schon hier in der Straße, ich lebte zwar in einem kleinen Haus, allerdings liebte ich es Menschen um mich zu haben. Zudem besaß ich keinen Kamin und keine Feuerstelle, daher war es egal ob ich drinnen oder draußen saß – es war immer gleich kalt. Ich saß oft hier, vor meinem Haus auf den Steintreppen und beobachtete wie langsam einige Schneeflocken auf den Schneematsch der sich schon am Rand der Straße gesammelt hatte fielen. Die meisten Dunmer oder Dunkelelfen, wie sie von den anderen Rassen auch genannt wurden, lebten verarmt hier im Grauen Bezirk der Stadt. Dennoch verschlug es immer mal wieder andere Bewohner hier her und wenn ich Glück hatte, dann tat ich ihnen so leid, dass sie mir ein paar Goldstücke zusteckten. Ich würde mich nicht als Bettler bezeichnen, schließlich lief ich nicht mit einer Steintasse durch die Städte und bettelte nach Geld. Allerdings konnte ich schon jedes Goldstück gebrauchen, dass ich mir aneignen konnte.

„Nevena, ist dir nicht kalt?" fragte eine bekannte Stimme hinter mir. Ich brauchte mich nicht umzudrehen um zu erkennen um wen es sich handeln musste. Ambarys Rendar war einer der wohlhabenderen Dunmer im Grauen Bezirk und betrieb die Taverne „Neu-Gnisis-Club". Auch er gehörte nicht zum reichen Volk, aber er besaß einen Laden und damit war er schon mal besser dran als die meisten hier. „Nein, ich habe mich dran gewöhnt." antwortete ich nur. In Gedanken lachte ich mich selbst aus, diese Stadt war mein Geburtsort und ich war hier aufgewachsen und dennoch hasste ich die Kälte über alles. Ich hasste diese gesamte Stadt, den Dreck in den Straßen, das wenige Brot das ich mir hin und wieder kaufen konnte und vor allem die spöttischen Gesichter der Nord, wenn sie uns sahen. Und dennoch war ich hier geblieben, aber wo wollte ich auch hin? Es gab keine Verwendung für eine gerade so erwachsene Dunmer ohne Familie. Ambarys lachte nur kurz auf, dann drehte er das hölzerne 'Geschlossen' Schild an seinem Club um und lies die Seite nach Außen zeigen auf der mit schwarzer Farbe 'Geöffnet' geschrieben worden war. „Willst du heute auch noch arbeiten, Kleine?" fragte er nun und hielt mir die Tür auf, als ich den Schnee von meinem Kleid klopfte und in die Taverne ging. 'Kleine' nannte er mich nicht nur, weil er mich schon seit langer Zeit kannte, sondern auch weil ich wirklich klein für mein Alter war. Ich war ausgewachsen und ging Ambarys gerade so bis zur Schulter. Ambarys kannte mich schon mein Leben lang, schließlich hatte auch meine Mutter schon im Neu-Gnisis-Club gearbeitet. Doch ich hatte keine Familie mehr, meine Mutter war vor mehr als zwei Jahren an einer schlimmen Krankheit gestorben für dessen Heilung uns das Geld fehlte. Und mein Vater, an diesen Mistkerl wollte ich gar nicht denken. Denn ich war nur eine Halb-Dunmer, was die andere Hälfte war, wusste ich nicht. Ork oder Argonier war mein Vater wohl nicht gewesen, das könnte man an meinem Aussehen feststellen. Aber ich war meiner Mutter sehr ähnlich. Ich hatte ihn nie getroffen und meine Mutter hatte sich bis zuletzt geweigert über ihn zu sprechen, aber ich schloss daraus, dass er sich aus dem Staub gemacht hatte, als ihm bewusst wurde das meine Mutter schwanger war.

Warme Luft schlug mir von der Feuerstelle entgegen und sofort ging ich in die Küche. Die Arbeit in der Taverne war nicht wirklich eine Traumarbeit, aber sie brachte mir ein wenig Geld. Allein durch die Geschenke und einige Taschendiebstähle konnte man nicht leben, schließlich waren selbst die Leute die ich bestahl einigermaßen Arm.

Es war ein normaler Tag in der Taverne, erst kochte ich einige Mahlzeiten und als gegen Vormittag die ersten Gäste durch die Tür kamen, setzte ich mein strahlendes Lächeln auf und tat meine Pflichten. Es waren nicht viele Gäste, größtenteils Dunmer aber auch der ein oder andere Nord lies sich blicken. Es hatte sich schon seit einer Weile herumgesprochen, dass der kleine Club im Grauen Bezirk die besten Getränke der Stadt hatte. Doch die meisten Nord besaßen zu viel Stolz um in eine Taverne im Grauen Bezirk zu gehen.

Es war gegen Abend und ich hatte gerade einige Teller abgewaschen, als die Tür erneut aufgerissen wurde. Ich konnte kurz einen Blick nach draußen, an dem Mann der in der Tür stand vorbei, werfen und erkannte, dass es bereits angefangen hatte zu schneien. Das würde eine unruhige und kalte Nacht werden, dachte ich und begann schon jetzt zu zittern. Der Mann der in der Tür stand war groß und eindeutig ein Nord. Seine mittelbraunen Haare reichten ihm bis zu den Schultern und ein Dreitagebart zierte sein Kinn und seine Wangen. Wir hatten eigentlich nur Stammgäste, doch dieser Nord war uns noch nie begegnet. Schnell tauschte ich mit Ambarys einen Blick aus, der gerade seinen Lederbeutel leerte und die heutigen Einnahmen zählte. Er nickte dem Kunden freundlich zu und war mir einen Blick zu, der mir eindeutig sagen sollte freundlich zu diesem Mann zu sein. Offensichtlich waren die Einnahmen von heute nicht so berauschend. „Guten Abend, wie kann ich ihnen helfen?" sagte ich freundlich, als sich der Mann an einen großen Tisch setzte. Im Club war nur noch wenig los, nach diesen Gästen würden wir wohl schließen. „Einen Schwarz-Dorn-Met und etwas Eintopf." sagte er nur, weder Bitte noch Danke oder sonst etwas. Er musterte mich nur ziemlich genau und sein Blick glitt an mir hinab und hinauf. „Gerne." sagte ich und schenkte ihm ein Lächeln, das er garantiert nicht verdient hatte. Eilig ging ich in die Küche und kam mit einem Teller unseres besten Eintopfes und einer Flasche Schwarz-Dorn-Met wieder. Ich stellte es dem Mann vor die Nase und ohne ein weiteres Wort zu sagen, begann der Nord zu essen. Ich wandte mich von ihm ab und verdrehte die Augen, als ich bereits von dem anderen Tisch gerufen wurde. Die Herrschaften wollten zahlen und schnell rechnete ich ihnen zusammen, was sie bezahlen mussten. Die Preise hier waren erschwinglich, auch wenn die Mahlzeiten noch so gut waren bestand immer ein Kampf zwischen Angebot und Nachfrage. Und die Nachfrage war bei diesem Standort eindeutig im Keller. An dem Tisch saßen Revyn Sadri, ein Gemischtwarenhändler aus dem Grauen Bezirk und einige weitere Personen. Ich hatte nur halbherzig zugehört, was sie die ganze Zeit geredet hatten, aber es ging wohl um einen Handelsvertrag, offensichtlich waren die Anderen nicht von hier. „Das Wildbret war vorzüglich!" schwärmte eine blonde Altmer-Frau gerade und nahm überschwänglich meine Hand in ihre. Erst war ich überrascht aber dann bedankte ich mich lächelnd und stahl ihr unbemerkt einen Goldring, den sie am Finger trug. Er saß ihr ziemlich locker, daher war es ein leichtes ihn ihr unbemerkt abzunehmen. Als die Meute die Taverne verlassen hatte, verdrehte ich nur die Augen und steckte den Ring in meine Tasche. Danach begann ich wieder mit dem Teller abwaschen und bemerkte, dass mich der Nord die ganze Zeit beobachtete. Während ich Teller für Teller und Tasse für Tasse abspülte, malte ich mir Szenarien aus, wie ich ihn so schnell es ging aus dem Club scheuchen könnte. Doch ich beruhigte mich, ich brauchte das Geld dringender. Ambarys hatte nun sein Geld gezählt und half mir schnell beim Abwaschen. „Wo ist eigentlich Malthyr?" fragte er als erstes, nach einer Langen Phase des Schweigens. Ich zuckte mit den Schultern. „Ich denke mal er schläft noch – oder wieder. Ich weiß echt nicht warum du ihn eingestellt hast..." sagte ich und es entsprach nur der Wahrheit. Malthyr Elenil war so faul, dass er statt uns in der Taverne zu helfen lieber in seinem Bett schlief und oft erst Abends zu uns stieß. Wir hatten uns daran gewöhnt, aber heute war er gar nicht aufgetaucht. Ambarys grinste nur. „Er hilft mir ja auch bei der Leitung dieses Ladens, ich bin nicht besonders gut was den Papierkram angeht." sagte er. Ich verdrehte nur lächelnd die Augen, Malthyr war schon eine Klasse für sich aber auch er hielt den Club am Laufen. Wenn man ihn auch erst zwanzig mal dazu auffordern musste. Dennoch mochte ich den etwas älteren Dunmer mit den braunen, zurückgebundenen Haaren. Damit sah er immer noch ordentlicher aus als Ambarys selbst, dessen hellbraune Haare von einem lockeren, sehr hohen Zopf zusammengehalten wurden, da sie sonst in allen Richtungen vom Kopf abstanden.

„Ich bediene noch den letzten Gast." sagte ich, als wir fertig waren und es bereit spät am Abend war. Ambarys nickte nur und räumte die Teller und Tassen in einen großen Schrank. Schnell brachte ich ihm auch das Geschirr des Nord und versprach ihm noch zu helfen, doch er lehnte dies ab und sagte, ich solle ruhig gehen, wenn denn Mann gezahlt hatte.

Doch als ich am Tisch des Mannes ankam musterte dieser mich nur weiter. „Das macht vier Goldstücke." sagte ich und er sah mich mit einem durchdringenden Blick aus gelb-braunen Augen an. „Hast du heute nicht genug Umsatz gemacht?" fragte er mich mit leiser Stimme, die dennoch klar und bestimmt war. Sein Blick wanderte auf die Tasche meines Kleides, in die ich den Goldring hatte sinken lassen. Ich sah ihn nur mit hochgezogener Augenbraue an. „Ihr müsst eure Mahlzeit bezahlen." brachte ich nur heraus, bis jetzt war ich nie von jemandem bei einem Diebstahl erwischt worden. „Aber sicher doch." sagte er und lächelte geheimnisvoll. „Ihr bekommt euren Umsatz – wenn ihr mich in der Zersplitterten Flasche trefft, dann werde ich euch gerne entlohnen." sagte er und grinste schief, dann stand er auf und zog sich seinen Mantel an. „Ein vorzüglicher Eintopf, ich nehme mal an selbstgekocht. Ihr habt Talent." sagte er verschmitzt und mit einem rauen Unterton. Ich kniff die Augen zusammen und wollte gerade meine Hand in seine Jackentasche gleiten lassen um mir meinen Umsatz schon jetzt zu nehmen, was auch immer der Mann gefaselt hatte, ich brauchte das Geld. „Ein Dieb stiehlt von keinem anderen Dieb!" sagte er und packte meinen Arm ehe ich auch nur eine Goldmünze greifen konnte. Solche Reflexe hatte ich nicht erwartet und sofort lief ich rot an, seine Hand war warm und es war als fuhr ein gefährlicher Blitzschlag durch meine Haut, dort wo er mich berührte. Er zwinkerte mir noch schnell zu, dann verschwand er in der eisigen Nachtluft von Windhelm. Ich brauchte einige Minuten bis ich verstand was geschehen war und was der Nord mir gesagt hatte. Wieso hatte ich nicht reagiert wie sonst? Es war niemand im Laden, ich hätte ihm ruhig zeigen können wer hier das sagen hatte. Aber diese Begegnung war seltsam gewesen. Und genau jetzt kam Ambarys aus der Küche. „Hier ist dein Verdienst." sagte er und drückte mir sechs Goldstücke in die Hand. „Behalte das Geld von dem Mann, es ist dein Trinkgeld für heute." sagte er und lächelte. Wenn jemand einen Preis für seine Freundlichkeit verdient hätte, dann war es Ambarys. Er hatte mir nicht nur den Platz als zweiten Gehilfen im Club gegeben, obwohl ich damals nicht mal wusste wie man ein Wildbret brät, er hatte mir auch den Halt gegeben den ich brauchte, nach dem meine Mutter gestorben war. Ich verabschiedete mich von ihm und lief durch die Nacht zu meinem Haus hinüber. Ich kramte gerade den schäbigen Schlüssel aus meiner Tasche und schloss die morsche Tür auf. Mein Haus war nicht besonders groß, es standen gerade mal ein Bett, ein Tisch mit Stuhl und eine Truhe mit meinen Habseligkeiten darin. Erschöpft lies ich mich in mein Bett sinken und umschloss den gestohlenen Ring mit meiner Hand. Ich lies den Tag noch einmal an mir vorüber ziehen, ebenso wie die seltsame Begegnung. In Gedanken verloren schlief ich ein.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top