5
„Siehst'de doch!", ertönt es als Erklärung. Also mache ich mich ebenfalls daran, Zitronen zu pressen. Nach einer Weile findet Vio, dass wir das lange genug gemacht haben.
„So, jetzt kommt das Zuckerwasser hinzu", erklärt sie mir und schüttet auch schon alles zusammen. „Habe ich zu Hause vorbereite, weil man das aufkochen muss, damit sich der Zucker auflöst." Zumindest weiß ich jetzt, warum sie weg war. Fachmännisch mischt sie dann das Getränk, während ich dabei zusehe. Danach kippt sie auch noch kühleres Waser hinzu und verfeinert das Ganze mit Zitronenmelisse.
„Fertig!", stellt sie zufrieden fest, „Magst du mal probieren?" Wow! Mit einem solchen Anflug von Nettigkeit hätte ich gar nicht mehr gerechnet. Vielleicht sollte ich auch mal einen winzigen Schritt auf sie zu machen. Kann schließlich sein, dass sie sich geändert hat. Die Grundschule ist immerhin bereits ein paar Jahre her. Menschen ändern sich bekanntlich.
Vorsichtig nicke ich ihr zu und nippe an dem Glas, welches sie mir sogar mit einem Gesichtsausdruck reicht, der an ein Lächeln grenzen könnte.
„Schmeckt echt gut", stelle ich beinahe verwundert fest.
„Die Zitronen sind auch echt bio", versichert mir Vio daraufhin. Bisher ist eigentlich ganz nett. Bis auf, dass sie manchmal so spricht, als hätte sie einen Sprachfehler, kann ich ganz gut mit ihr leben.
„Wie geht's en bei dir so?" Habe ich mir das gerade eingebildet oder hat sie tatsächlich versucht, ein ernsthaftes Gespräch mit mir aufzubauen? Zu meinem Frust fällt mir keine besonders geistreiche Antwort ein.
„Was meinst du damit genau?", erkundige ich mich daher. Mein Ärger, mit ihr zusammen arbeiten zu müssen, ist längst verflogen.
„Im Leben, in der Schule? Keine Ahnung, was de grad so machst", führt Vio das Thema etwas mehr aus.
„Also in der Schule läuft es ganz gut", berichte ich „Und im Leben, na ja, was soll ich sagen? Alles wie immer." Vor lauter lauter rutscht mir ein kleines Kichern heraus.
„Was bedeutete ne das jetzt?" Schälmisch grinsend sieht mich Vio von der Seite an. „Gibs zu! Du suchst nen nice Typen für deine Mutter."
„Wie bitte?" Entsetzt sehe ich sie an. Wie konnte sie das denn gerochen haben? Die Röte scheint mir ins Gesicht geschrieben zu sein.
„War doch nur Spaß!" Belustigt schlägt mir Vio auf die Schulter. Innerlich atme ich erleichtert auf. Sie hatte also doch nicht die Fähigkeit zum Hellsehen erlangt.
„Und wie geht es dir so?", frage ich, um ein möglichst belangloses Gespräch in die Bahnen zu leiten.
„Ganz ok", meint Vio nur. „Mein Vater is n letzter Zeit wa einsam, aber ansonsten passts. Sucht halt immer noch nach der Frau fürs Leben. Könnt ja deine Mum sein", endet sie lachend. Ja, oder auch nicht. Ich nicke aber nur verständnisvoll.
„Meine Mutter hätte auch gerne wieder einen Partner, doch davor würde sie sich wünschen, dass ich einen Freund hätte. In ihren Augen bin ich schon viel zu lange single", versuche ich das Gesprächsthema auf etwas anderes als den Fakt zu lenken, dass unsere Eltern beide ledig sind.
„Ach echt? Und? Schon jemand ins Auge gefasst?" Es klang beinahe so, als hätte ich das Auge einer wildfremden Person einfach so berührt, um mich an diesen Menschen ranzuschmeißen. Mal eine andere Möglichkeit des Flirts. Ein kleines Grinsen konnte ich mir einfach nicht verkneifen.
„Was ist so komisch daran?", gibt Vio lachend zurück. Offensichtlich habe ich sie mit meiner ungewohnten Fröhlichkeit angesteckt.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top