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Vor mir stand ausgerechnet... Violetta.

Heute war das Schicksal eindeutig gegen mich. Das muss die Tochter von Markus sein. Wer sonst soll auch an meinem super Limonadenstand vorbeikommen. Zumal es ja nur eine Frage der Zeit gewesen war, bis diese mysteriöse Tochter auftauchen würde.

„Ach ne, was?" Die Hände in die Hüften gestemmt, baut sich Violetta vor mir auf. Sie wirkt wie eine Tyrannin, der eine Aussage einer niederen Untertanin missfallen hat. Und im Grunde ihres Herzens ist sie das auch. Eine üble Tyrannin, die alle nur unter sich auf dem Boden kriechen sehen will. Überlegen schaut sie missbilligend auf mich herab, um mich noch mehr zu demütigen.

„Meinst du: Ach ne, da kommt endlich wer, der Ahnung hat, wie dieser Stand funktioniert und ich muss das nicht ganz alleine machen?" Ja, so ungefähr. Ich hatte bloß nicht erwartet, dass du so gnädig sein würdest. Danke, hohe Herrscherin, für deine Gunst mir, kleines Stückchen Dreck, gegenüber.

Urplötzlich beginnt sie zu lachen und schubst mich ein wenig beiseite, was auch nötig ist, damit sie sich unseren hölzernen Tresen auch nur ein wenig ansehen kann. Zum allerersten Mal habe ich das Gefühl, dass es nicht erniedrigend, sondern eher kumpelhaft gemeint ist. Doch woher der plötzliche Stimmungswandel kommt, bleibt mir immer noch ein Rätsel.

Zugegeben, Violetta hat mir nie richtig was getan. Ich habe sie kennengelernt, als ich in die Grundschule gekommen bin. Damals, bei meiner Einschulung, wurde sie von der Lehrerin neben mich gesetzt, da ich neu hergezogen war und noch keine Freunde hier hatte. Violetta, oder Vio, wie sie gerne genannt werden wollte, hatte damals wohl auch keine gehabt und daher hätten wir wunderbar zueinander finden können.

Leider hat Vio so einen dermaßen dominanten Charakter und befielt immer nur rum, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Ich muss sagen, bis zur dritten Klasse habe ich das mitgemacht. Aber dann hat sie mich dazu gezwungen, mich mit einem Jungen aus der Parallelklasse zu prügeln. Zu viel für mich, ganz ehrlich. Für diese Aktion habe ich Anschiss vom Direktor bekommen, woran ich mich heute noch erinnere, als wäre es gestern gewesen.

Als rauskam, dass Vio daran Schuld gewesen war, hatte sie eiskalt die Schule verlassen. Ob gezwungenermaßen oder freiwillig habe ich nie erfahren. Somit hatte ich sie auch nicht wiedersehen müssen. Nach der Vierten war sie dann auf die Gesamtschule gegangen und ich ebenfalls, weil meine Mutter meinte, das Gymnasium würde mich nur überfordern. Wie Unrecht sie damit hatte. Um von Vio schnellstmöglich wieder wegzukommen -man stelle sich vor, ich war in die selbe Klasse aufgenommen worden wie sie- , hatte ich zu Hause so lange Terror gemacht, bis ich endlich die Schule hatte wechseln können. Nun trennen unsere Schulen zumindest zwei Straßen.

Im Konfirmandenunterricht hatte ich noch einmal das Vergnügen gehabt, aber der war zum Glück seit knapp einem Jahr vorbei. Dort war ich ihr einfach konsequent aus dem Weg gegangen und gestört schien sie das nicht zu haben. Da es nie zu einem Streit gekommen war, hatte das auch niemand bemerkt.

Unglücklicherweise muss ich mir jetzt mit ihr diesen Stand teilen und ich fürchte, dass ich nicht darum herumkommen werde, mich zumindest minimal mit ihr abzusprechen. Ohne auf eine Aufforderung meinerseits zu warten, presst Vio schon die ersten Zitronen. Alles klar. Ich werde sie einfach machen lassen. Wenn sie was will oder Hilfe braucht, wird sie schon so schlau sein, sich an mich zu wenden. Wenn nicht, habe ich mir wenigstens Arbeit gespart.

„Pack mit an!", schallt mir auch schon der erste Befehl entgegen. Vio, wie sie leibt und lebt. Ich probiere es mit einem Lächeln, welches nicht erwidert wird.

„Wie kann ich dir denn helfen?", versuche ich es höflich, nachdem sie sich von mir weggedreht hat und auch keine Anstalten macht, weiter mit mir zu kommunizieren.


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