《• 39 •》

Am Samstagmorgen starte ich voller Vorfreude in den Tag. Heute steht endlich mal wieder ein ganzer Tag mit Yara an. Wir haben ein paar schöne Sachen geplant. Alles, was ein guter Mädelstag braucht.

In den letzten Monaten haben wir das viel zu selten gemacht. Oft war ich nicht in der Stimmung, etwas zu unternehmen und habe meine Zeit lieber alleine zuhause verbracht, deshalb soll heute ein besonderer Tag werden – nur wir zwei, keine Verpflichtungen, keine Sorgen. Und als Dank für Yaras Freundschaft und ihren Beistand in dieser schweren Zeit habe ich ihr sogar ein Geschenk besorgt.

Als meine beste Freundin an der Tür klingelt, öffne ich mit einem breiten Lächeln und als sie die Wohnung betritt, umarme ich die Blondine herzlich.

"Hallo Binti", begrüßt meine Mama ihre dritte Herzenstochter, wie sie Yara liebevoll nennt. Sie hat Frühstück gemacht und auch Zayn und Lamiya setzen sich mit uns an den Tisch.

Letztere ist bereits ganz hibbelig, denn bei unserer ersten Unternehmung ist sie der Star. Sie sitzt frisch frisiert in einem wunderschönen, hellblauen Kleidchen am Tisch und funkelt Yara aus ihren großen, braunen Augen begeistert an. "Weißt du schon, welchen Film wir gleich gucken?", fragt sie aufgeregt.

Yara legt den Kopf schief und spielt überrascht. "Ne, welchen Film hast du dir denn ausgesucht?"

"Die Monster-Uni. Das ist der zweite Teil von Monster-AG, kennst du den?"

Yara streicht sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Wie immer trägt sie ihre prächtige Mähne offen, ihr makelloses Gesicht ist dezent geschminkt. "Natürlich kenne ich den. Das wird bestimmt lustig", sagt meine beste Freundin lächelnd.

Nachdem wir gefrühstückt und beim Tisch abräumen geholfen haben, machen wir uns auf den Weg. Zayn hat uns seinen Angeber-Schlitten, wie Yara seinen Wagen betitelt, für den ganzen Tag geliehen.

Auf der Fahrt hören wir laute Musik und singen aus ganzem Herzen mit, während wir durch die sonnigen Straßen Berlins fahren.

Endlich kann ich das wieder genießen, vielleicht sogar ein bisschen mehr als je zuvor. Nur wo Schatten ist, kann Licht sein und ohne den Winter, wüsste man den Sommer nicht zu schätzen.

Im Kino angekommen kaufen wir Tickets, eine riesige Tüte Popcorn, die wir uns teilen und eiskalte Getränke. Lamiya ist überglücklich und kann ihre Augen kaum von der Leinwand abwenden, als der Film beginnt. "Die Monster-Uni" ist genau so witzig und süß wie erwartet und selbst wir großen Mädchen lachen von ganzem Herzen über die lustigen Szenen.

Es sind zwei Stunden, in denen wir selbst wieder zu Kindern werden, albern und unbesorgt.

Nach dem Film ist Lamiya noch immer voller Energie und sprudelt vor Begeisterung. "Das war der beste Film aller Zeiten!", erklärt sie und hüpft vor Freude. "Danke Yara, danke Shalia", ruft sie, strahlt über das kleine, runde Gesicht und fällt uns beiden gleichzeitig in die Arme.

"Freut mich, dass es dir gefallen hat, mein Herz", antworte ich lächelnd. "Und jetzt bringen wir dich nachhause. Yara und ich haben noch einiges vor heute. Wir machen einen Mädelstag, nur wir zwei beste Freundinnen."

Lamiya zieht einen Schmollmund. "Kann ich nicht mitkommen? Ich bin doch auch ein Mädchen", protestiert sie und sieht mich aus ihren großen, braunen Augen mit einem Dackelblick an.

Ein Schmunzeln schleicht sich auf meine Mundwinkel und hätten wir keine konkreten Pläne, würde ich vermutlich schwach werden, so süß wie sie schaut. "Das stimmt zwar, aber das was wir machen ist nur für Erwachsene", flunkere ich notgedrungen.

Wir setzen die kleine Erstklässlerin wieder zuhause ab, bevor wir uns auf den Weg in die Innenstadt machen. Jetzt ist Zeit für etwas, das Yara und ich lange nicht mehr gemacht haben: ausgiebig shoppen gehen.

Stundenlang laufen wir von Geschäft zu Geschäft, probieren zahlreiche Kleidungsstücke an und beraten uns gegenseitig. Zwischendurch holen wir uns einen Kaffee oder verweilen kurz, damit Yara ihrem größten Laster nachgehen und eine Zigarette rauchen kann.

Wir finden beide einige tolle Teile, und haben bald unsere Arme voller bunter Einkaufstüten.

Mein Highlight ist ein schwarzer Bikiki, den ich für gerade mal zehn Euro im Sommerschlussverkauf ergattere. Er ist zwar unifarben, hat aber einen raffinierten Schnitt und hübsche, silberne Perlen an den Trägern und den Hüften.

Ich fühle mich unbeschwert und glücklich, so als wären wir wieder Teenager ohne Sorgen. Wie damals, als wir mit 16 Jahren unser spärliches Taschengeld auf den Kopf gehauen haben und danach ins JuZe weitergezogen sind. Als meine größte Sorge noch war, ob ich die Matheklausur wieder verkackt habe, und ob meine braune Locken gut liegen.

Am Nachmittag beenden wir unsere erfolgreiche Shopping-Tour und setzen uns mit einem kühlen Getränk ins Nagelstudio. Yara lässt ihre langen Gelnägel erneuern, ich lasse meine kurzen Naturnägel einfach nur in einem schönen, satten Pink lackieren.

Als wir auch diesen Punkt auf unserer Liste abhaken können, lassen wir uns zum Abschluss in einem neuen Restaurant direkt am Alex nieder.

Wir finden einen freien Tisch auf der Terrasse, der bei diesen milden Temperaturen perfekt ist, und bestellen Essen und alkoholfreie Cocktails.

Von unserem Platz aus haben wir die beste Aussicht auf das pulsierende Leben, welches so üblich für Berlin ist. Menschen flanieren geschäftig vorbei, einige Touristen machen Fotos vor dem Fernsehturm, während ein Straßenmusiker in der Nähe eine fröhliche Melodie auf seinem Akkordeon spielt.

Der Duft von gegrilltem Fleisch und exotischen Gewürzen am Nebentisch vermischt sich mit dem süßen Aroma von gebratenen Mandeln aus einem nahegelegenen Stand. Die vielen Gesprächsfetzen in verschiedenen Sprachen, herzliches Lachen und das Klirren von Geschirr schaffen eine lebhafte, einladende Atmosphäre.

"Das war wirklich ein toller Tag", strahlt Yara, während wir auf unsere Getränke warten. "Ich habe das Gefühl, wir machen sowas viel zu selten."

"Ja, das stimmt. Es tut gut, mal wieder richtig Zeit miteinander zu verbringen", stimme ich zu. "Wo du das gerade sagst, ich habe da noch was für dich." Seit heute morgen habe ich auf den passenden Moment gewartet, um meiner schönen Freundin ihr Geschenk zu überreichen und jetzt ist es endlich so weit.

Ich greife in meine Handtasche und ziehe eine kleine Schachtel heraus, die ich ihr gebe.

Überrascht sieht sie mich an. "Wofür ist das denn?"

"Nur ein kleines Dankeschön, dafür, dass du immer für mich da bist. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich tun würde."

Yara öffnet die schwarze Schatulle und zieht ein feines, silbernes Armkettchen hervor, auf dem in verschnörkelten Buchstaben "Yara & Shalia" steht.

Ich schiebe den Ärmel meiner schwarzen Jeansjacke nach oben. "Ich hatte schon den ganzen Tag Angst, dass du es entdeckst. Hier, ich habe dasselbe."

Sie beugt sich über den Tisch und zieht mich überwältigt in ihre Arme. "Das ist so lieb von dir, Shalia. Danke." Sofort reicht sie mir das Armband und lässt es sich von mir umlegen.

Nach einer Weile Geschwätz über allerlei Themen schwenkt Yara das Gespräch auf eine Sache, die sie schon seit einiger Zeit interessiert. "Was läuft da eigentlich mit Essad?", fragt sie vorsichtig. "Ihr macht ziemlich viel zusammen in letzter Zeit."

"Wir sind nur Freunde", gebe ich schulterzuckend zurück und lächele verlegen.

Szenen von unserem letzten Treffen auf dem Basketballplatz vor einigen Tagen kommen in meinen Kopf. Wie nah wir uns waren, die tiefen Blicke. Wie er mich an sich gezogen und nicht mehr los gelassen hat, sein verschwitzter, muskulöser Körper ganz nah an meinem. Und schließlich unser Fast-Kuss vor der Tür, den wir beide seitdem beharrlich totgeschwiegen haben.

Meine Freundin legt den Kopf schief und mustert mich aufmerksam. Es scheint, als könne sie in meinem Gesicht lesen, dass das nicht die ganze Wahrheit ist. "Aber?"

"Aber es gab in letzter Zeit ein paar Momente, in denen wir uns sehr nahe waren. Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, er wollte mich letztes Mal küssen."

Die schönen, blauen Augen meiner Freundin weiten sich und sie schlägt sich verzückt die Hände vor den Mund. "Hat er aber nicht?", hakt sie nach.

"Nein. Weißt du, Yara, Essad ist immer für mich da und bringt mich zum Lachen, er tut alles für mich. Ich fühle mich so wohl in seiner Gegenwart", platzt es aus mir heraus. "Nach der Trennung von Nael hat niemand so viel Licht in mein Leben gebracht wie er, und dabei habe ich ihn tausendmal abgewiesen."

Yara sieht mich neugierig an. "Nur Freunde, hm? Klingt nach mehr als das, wenn du mich fragst."

Ich erröte leicht. "Ja, vielleicht ist da mehr. Ich mag ihn wirklich sehr, und er bedeutet mir viel, aber ich bin nicht bereit für eine Beziehung. Es gefällt mir genauso, wie es ist. Ich will das nicht zerstören."

"Das ist doch völlig in Ordnung", beruhigt mich Yara. "Ihr müsst ja nicht morgen zusammenkommen. Wichtig ist, dass du dich wohlfühlst und glücklich bist."

Ich nicke dankbar. "Ja, du hast Recht."

Es ist so erleichternd, endlich ehrlich mit jemandem über meine Situation mit Essad sprechen zu können. Die Last auf den Schultern teilt sich, wenn man sie nicht alleine tragen muss und Yara hilft mir, ein wenig Klarheit in mein Gefühlschaos zu bringen, dass ich seit einigen Tagen wegen ihm habe.

"Aber knutschen könntet ihr trotzdem", setzt sie mit einem teuflischen Lächeln nach.

Ich lache auf. "Ist das dieselbe Yara, die mir noch vor ein paar Monaten geraten hat, Essad keine gemischten Signale zu senden?"

"Da warst du auch noch mit Nael zusammen", winkt sie ab. "Bist du aber schon lange nicht mehr. Und wenn du Essad küssen willst, solltest du das tun."

"Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn küssen will, sondern dass ich glaube, dass er mich küssen wollte", stelle ich gerade und zwinkere ihr überlegen zu.

Yara legt den Kopf schief, ihre Augen blitzen angriffslustig auf. "Musst du auch nicht sagen, ich habe die Enttäuschung in deiner Stimme gehört." Jetzt ist sie es, die überlegen grinst.

Dann wird ihr Gesicht wieder ernster und sie beugt sich zu mir. "Ich sage dir jetzt mal was, Shalia. Du hast einfach nur Schiss. Du hast Schiss davor, dass Nael behauptet, du bist eine fremdgehende Schlampe, und dass Zayn wieder einen halben Herzinfarkt kriegt, wenn du einen Freund hast und dass deine Eltern durchdrehen, wenn du mit achtzehn Jahren nach deiner geplatzten Verlobung einen neuen Mann kennenlernst.
Aber am allermeisten hast du Angst davor, dass Essad eine Beziehung mit dir will, wobei du eher Angst davor hast, dass Essad der nächste ist, der dich enttäuscht und dein Herz bricht.
Weißt du, im Leben gibt es keine Garantie. Du kannst dich verloben, du kannst heiraten, Kinder kriegen, und das ganze kann immer noch nach Jahrzehnten in die Brüche gehen. Egal wie gut du jemanden kennst, er kann dich enttäuschen. Es gibt keine Liebe ohne Risiko. Aber wenn man gewinnen will, muss man auch mitspielen. Dann muss man riskieren, dass man verliert, vielleicht sogar mehr als einmal.
Und was deine Familie angeht: ich weiß, dass du konservativ erzogen wurdest. Aber die Welt wird nicht untergehen, wenn du Essad küsst. Sie geht auch nicht unter, wenn du einen Freund hast. Nicht mal, wenn du mit ihm schlafen würdest. Du musst dich nicht erst mit ihm verloben und ihn heiraten, auch wenn dir das suggeriert wird und auch wenn es vielleicht löblich ist, sich nicht mit jedem x-beliebigen Typen zu vergnügen. Du kannst tun und lassen was auch immer du willst. Wenn es dich glücklich macht, hör auf dir den Kopf zu zerbrechen, und tu es einfach. Der einzige Mensch, den du glücklich machen musst, bist du selbst. Nicht Essad, Zayn, Nael, nicht mal deine Eltern. Nur dich selbst."

Ich schlucke hart und meine Augen glänzen in der schummrigen Beleuchtung. Yara kennt mich in und auswendig. Es ist schon fast erschreckend, dass sie mich jedes Mal lesen kann, wie ein offenes Buch.

"Ich weiß", wispere ich. "Aber es fällt mir schwer, das zuzulassen."

"Natürlich fällt es dir schwer. Es ist auch schwer, vor allem wenn man das durchgemacht hat, was du mit Nael durchmachen musstest. Aber die Welt gehört den Mutigen."

In dem Moment tritt ein Kellner an unseren Tisch und bringt unsere Bestellung. Ehrlicherweise bin ich froh um diese Verschnaufpause. Das Gespräch ist plötzlich unerwartet deep geworden und es wird ein bisschen dauern, bis ich Yaras Worte verarbeitet habe.

Wir genießen die leckeren Speisen und unsere alkoholfreien Cocktails. Yara isst einen Cheeseburger, ich einen Wrap und wir trinken Virgin Daiquiries, bis wir fast platzen.

Als wir das Restaurant verlassen, ist die Nacht hereingebrochen und die Stadt funkelt im Lichtermeer. Wir beschließen, noch einen kleinen Spaziergang zu machen, bevor wir nach Hause fahren. Die kühle Abendluft ist erfrischend, und wir gehen Arm in Arm durch die belebten Straßen.

"Es war wirklich ein perfekter Tag", sage ich leise. "Danke, Yara. Du bist die beste Freundin, die man sich wünschen kann."

"Das kann ich nur zurückgeben, Shalia", antwortet Yara. "Ich hoffe, es kommen wieder mehr Tage wie dieser."

Ich bringe Yara nachhause und fahre dann selbst heim.

Im Bett denke ich noch lange über Yaras Worte nach. Alhamdulillah habe ich eine Freundin, die mir ihre ehrliche Meinung ins Gesicht sagt und nicht davor scheut, mir auch mal den Kopf zu waschen.

Und vielleicht, nur vielleicht, bin ich bereit, mich in der Sache mit Essad ein Stück mehr fallen zu lassen.

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