《• 33 •》
Die Glastür schwingt auf und eine mir bekannte, dunkle Stimme erfüllt den ganzen Raum: "As-salamu alaikum."
Ich erkenne die Stimme sofort und sie löst direkt Unbehagen in mir aus.
Der Barkeeper am Tresen grüßt ihn herzlich zurück, sie scheinen sich zu kennen, dann läuft er zielstrebig auf uns zu.
Er tritt an unseren Tisch, die kurzen, dunklen Haare ein wenig verwuschelt, sein bulliger Körper in eine schwarze Benlee-Shorts mit passendem Hoodie gehüllt, als hätte er sich nur schnell was übergeworfen, um hierhin zu kommen.
Essad mustert mich mit verächtlichem Blick, sein Gesichtsausdruck eine Mischung aus Wut und Enttäuschung. "Was machst du hier?", fragt er scharf.
Mein ganzer Körper verkrampft sich. "Die Frage ist doch: Was machst du hier?", schieße ich sofort zurück und funkele ihn böse an.
Sein Blick gleitet an mir vorbei zu Yara, seine Stimme wird noch vorwurfsvoller: "Du weißt doch, wie scheiße es ihr geht. Wieso lässt du sie trinken?"
Selma funkt dazwischen, ihre Stimme giftig: "Was juckt dich das denn, Essad? Shalia kann machen, was sie will, oder bist du ihr Vater?"
Essad ignoriert sie demonstrativ, seine Augen strahlen tiefe Abneigung aus. Er hasst sie, das weiß ich. Er hat es mir oft genug gesagt. Auch seine Körperhaltung unterstreicht dies, denn er hat sich vollends mit dem Rücken zu der jungen Frau gedreht.
"Ich habe ihr gesagt, sie soll aufhören und ihr Cola gegeben, aber sie meinte, ich bin nicht ihr Babysitter", erklärt Yara, ihre Stimme entschuldigend und ein wenig verzweifelt.
Ich werfe ihr kurz einen wütenden Blick zu und widme mich dann wieder Essad, der keine Anstalten macht, nachzugeben. "Komm, Shalia. Ich fahre dich heim", sagt er mit Nachdruck.
"Ich will nicht", entgegne ich trotzig und verschränke meine Arme vor der Brust. "Ich will noch hier bleiben."
"Du bist betrunken", stellt er fest und bemüht sich, ruhig zu bleiben, doch ich sehe, wie es hinter seiner Fassade brodelt.
"Na und? Ihr könnt doch auch alle feiern gehen, rauchen, euch betrinken, Drogen nehmen, was weiß ich; dann kann ich das auch."
"Wann hast du mich denn mal betrunken gesehen oder im Club?", lacht Essad verächtlich. Dann geht er vor mir in die Knie, sein Tonfall bedrohlich ruhig: "Du hast jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder kommst du mit mir oder ich rufe Zayn an und sage ihm, er soll dich hier abholen. Was ist dir lieber?"
Diese Drohung trifft mich. Zayn würde ausrasten, wenn er mich in diesem Zustand sehen würde, das weiß Essad genauso gut wie ich.
Einen Moment lang erwidere ich nur stur seinen Blick. Ich will ihn spüren lassen, wie scheiße ich sein Verhalten finde. Doch der kräftige Boxer lässt sich davon nicht beeindrucken und sitzt die Situation einfach aus, bis ich mich widerwillig erhebe.
"Geht doch", raunt er leise.
"Was ist mit dir, Yara? Soll ich dich auch nachhause fahren?", bietet er meiner Freundin fürsorglich an, doch die winkt ab. "Ich wohne doch gleich hier vorne. Aber danke für das Angebot." Sie schenkt ihm ein ehrliches Lächeln.
Er zieht einen losen 50-Euro-Schein aus seiner Hosentasche und legt ihn vor Selma auf den Tisch. "Hier, eure Rechnung geht auf mich. Happy Birthday", knurrt er, dann verabschiedet er sich von Yara und schiebt mich aus dem kleinen Laden.
Draußen ist es kühl, und ich merke, dass mir schlagartig schwindelig wird. Ich muss mich richtig zusammenreißen, nicht zu schwanken. Essad führt mich zum Auto, seine Hand auf meinen Rücken gelegt, und öffnet die Beifahrertür für mich. Schweigend steige ich ein. Meine gute Laune hat er ruiniert, nur weil er so einen Aufstand machen muss.
Essad verriegelt die Türen von innen und dreht sich dann zu mir. Seine Augen wirken bedrohlich in der Dunkelheit. "Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?"
Ich verdrehe genervt die Augen. Ich habe echt keinen Bock darauf, dass er mir jetzt den Moralapostel spielt.
"Wieso treibst du dich spätabends in so einem Aufzug in diesem Drecksschuppen rum und betrinkst dich?"
"Essad", stöhne ich. "Wieso lässt du mich nicht einfach in Ruhe?"
Er lacht verbittert auf. "Weil ich dich beschützen will, Shalia. Ich weiß, dein Herz ist gebrochen, und bei Allah das tut mir leid, aber er ist es nicht wert, dass du solche Sachen machst. Du schadest dir nur selbst."
Ich schlucke schwer und spüre, wie die Tränen hinter meinen Augen brennen. "Du verstehst das nicht. Ich wollte einfach für ein paar Stunden alles vergessen."
"Vielleicht verstehe ich das nicht, aber ich weiß, dass du mehr wert bist als das", sagt er, seine Stimme sanfter und sein Blick weicher.
"Stell dir mal vor, astaghfirullah, dir passiert etwas. Da kommt irgendein Hurensohn und tut dir was an. Du bist doch leichte Beute, so betrunken wie du bist, völlig wehrlos. Soll ich das einfach mit ansehen?"
Ich senke beschämt den Kopf, weil mir die Tränen kommen. Ich weiß, dass er Recht hat. Manchmal bin ich selbst überrascht, dass ich überhaupt noch Tränen zu weinen habe, so viele, wie ich in den letzten Tagen und Wochen vergossen habe.
Essad legt seinen Arm um meine Schultern und zieht mich an sich. Ich lasse es geschehen, wieder einmal. Ich drücke mein nasses Gesicht in seinen weichen Hoodie und heule mich aus. Ich fühle mich erbärmlich. Mir ist schlecht, mein Kopf dröhnt, mein Herz schmerzt nach wie vor. Ich bin froh, dass Essad bei mir ist, obgleich er nicht derjenige ist, den ich mir an meiner Seite wünschen würde.
Liebevoll streicht er mit seinen Fingerspitzen durch meine Haare und redet beruhigend auf mich ein. "Es wird alles gut, Shalia. Hab etwas Geduld. Sabr. Dein Herz wird heilen. Er war nicht dein Nasip, nicht dein Schicksal. Und wenn du den Falschen schon so sehr lieben kannst, was meinst du, wie sehr du erst den Richtigen lieben wirst?"
Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen und mein Magen tut es ebenso. Mir wird heiß und kalt zugleich und Speichel sammelt sich in meinem Mund. Ich löse mich von Essad und richte mich schlagartig auf. "Ich..", stottere ich. Dann reiße ich die Tür seines dunklen BMWs auf. "Sorry", ist das Letzte, was ich herausbringe, bevor ich mich neben das Auto auf den Bordstein übergebe.
Es dauert einen Moment, bis er reagiert und beruhigend über meinen Rücken streichelt. Er streicht meine Haare nach hinten, und als ich mich vollständig entleert habe, zieht er aus seinem Handschuhfach eine Packung Taschentücher und reicht sie mir.
"Es tut mir so leid", weine ich, beschämt und erniedrigt. Mir ist die Situation so unangenehm, dass ich mich nicht mal traue, ihm noch in die Augen zu sehen.
"Muss es nicht", entgegnet er lässig und streicht sich durch den Bart. Dann startet er seinen Wagen. "Schnall dich mal an", fordert er mich auf. Kurz darauf halten wir an der nächsten Tankstelle.
Essad kauft mir Cola, Wasser und ein trockenes Brötchen, weil das angeblich den Alkohol aufsaugt. Zurück im Auto sitzen wir einfach beisammen, während ich langsam wieder zu mir komme. Wir hören Musik und reden oder schweigen zeitweise.
"Ich kann dich ja so nicht heimbringen. Deine Eltern würden dich killen", erklärt er irgendwann schief grinsend, während ich an meinem Wasser nippe und das trockene Brötchen kaue.
Seine Fürsorge berührt mich tief. Essad behandelt mich so gut und ich bin total empfänglich dafür, nachdem ich so lange vernachlässigt wurde. Ich schmiege mich an ihn, schlinge meine Arme um seinen rechten Oberarm und lege meinen Kopf auf seine Schulter. Ich kuschle mich regelrecht an ihn und sehe ihm tief in die Augen.
Er hingegen bleibt distanziert, ist lange nicht so flirty, wie ich es sonst von ihm gewohnt bin. Kriegt er etwa kalte Füße?
"Willst du mich?" frage ich, noch immer benebelt vom Alkohol.
"Das weißt du doch genau", antwortet er trocken und hält meinem Blick stand.
"Dann küss mich", fordere ich leise.
"Auf gar keinen Fall, Shalia. Du bist heartbroken und betrunken. Ich will dich zwar, aber nicht so. Du würdest es morgen nur bereuen. Ich nutze sowas nicht aus."
Seine Worte sind ernst und ehrlich, und ich spüre tiefen Respekt für ihn. Er ist anständig - vielleicht sogar anständiger, als ich dachte.
Wir verbringen gute zwei Stunden miteinander in Essads Auto, bis es mir endlich besser geht und ich fast wieder nüchtern bin und er mich nachhause fährt.
Vor meinem Haus bleibt er stehen und schaltet den Motor aus. "Geh nach oben und versuch zu schlafen."
Ich nicke. "Es tut mir leid, Essad, wallah. Mir ist das jetzt schon alles unendlich peinlich, ich will gar nicht wissen, wie sehr ich mich morgen früh schämen werde."
"Du musst dich nicht schämen, wirklich nicht. Ich will einfach nur, dass es dir gut geht."
Ich beuge mich über die Mittelkonsole und drücke ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. Sein Vollbart kitzelt an meinen Lippen. Er lächelt, scheint meine Zuneigung zu genießen.
"Tisbah ala kheir", wünsche ich ihm eine gute Nacht.
"Taabat laylatak", erwidert er lächelnd. Ein anderer Ausdruck, der so ziemlich dasselbe bedeutet.
Ich steige aus und schließe leise die Tür. Essad wartet, bis ich im Haus bin, dann fährt er langsam davon. Die Nachtluft ist kühl und als ich die Tür hinter mir schließe, spüre ich, wie erschöpft ich bin. Mir wird das langsam alles zu viel. Jeden Tag ein neues Drama ohne Pause.
Ich schleiche mich in die Wohnung und in mein Zimmer. In Windeseile ziehe ich mich aus und schlüpfe in meinen kuscheligen Satin-Pyjama. Halbherzig wische ich mir noch mit einem Abschminktuch das Make-up aus dem Gesicht, bevor ich mich endlich in mein Bett lege und binnen Sekunden einschlafe.
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