《• 28 •》

"Wo fahren wir denn hin?", frage ich Nael neugierig, als ich am Nachmittag in seinen dunklen BMW steige.

"Lass dich überraschen", antwortet er grinsend und drückt mir zur Begrüßung einen Schmatzer auf die Wange.

Meine Neugierde wächst mit jedem Kilometer, den wir zurücklegen. Zum Glück fahren wir nicht lange, bis ich fußläufig unseres Parkplatzes den Berliner Zoo entdecke.

Ein ehrliches Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. "Gehen wir in den Zoo? Wie cool ist das denn?"

Zufrieden nickt er und greift nach meiner Hand. Wir überqueren die Straße und Nael kauft uns an dem kleinen Kassenhäuschen zwei Tickets.

Hand in Hand betreten wir den Zoo. Es fühlt sich an wie früher, als alles noch einfach und unbeschwert war. Die Sonne scheint golden vom wolkenlos Himmel und der Park ist lebendig mit den vielen Familien und lachenden Kindern.

Wir beginnen unseren Rundgang bei den Elefanten. Die majestätischen Tiere gefallen uns beiden und wir beobachten amüsiert, wie ein Elefant seinen grauen, runzligen Rüssel geschickt einsetzt, um Heu zu greifen.

Als wir weitergehen, stoßen wir auf das Gehege der Giraffen. "Ich hab ganz vergessen, dass die so groß und ihre Hälse so lang sind", kommentiere ich beeindruckt. Nael lächelt und zieht mich näher an sich. "Die sind wirklich cool. Aber jetzt lass uns weiter zu den Pinguinen gehen, die mag ich am liebsten."

Auf dem Weg dorthin kommt plötzlich eine Gruppe Teenager auf uns zu. "Hey, bist du nicht Næzir? Können wir ein Foto mit dir machen?", fragt ein Mädchen aufgeregt.

Daran, dass mein Nael plötzlich bekannt ist, werde ich mich wohl nie gewöhnen können. Ich laufe ein paar Schritte weiter und warte etwas abseits auf ihn. Erfahrungsgemäß kann die Aktion etwas dauern, denn wenn er dem ersten Fan ein Foto erlaubt, kommen schnell weitere dazu.

Doch zu meiner Überraschung schüttelt Nael den Kopf und ich höre wie er sagt: "Heute nicht, sorry. Ich bin privat hier." Die Fans nicken verständnisvoll und ziehen weiter.

Ich schenke ihm ein Lächeln, als er zu mir aufschließt. Es schmeichelt mir, dass er unseren gemeinsamen Nachmittag nicht durch solche Begegnungen unterbrechen lässt. Endlich tut er mal das, was ich mir so lange vergeblich von ihm gewünscht habe - er macht mich zu seiner Priorität.

Als nächstes erreichen wir das Pinguin-Gehege. Die putzigen Tiere mit dem schwarz-weißen Gefieder bringen Nael zum Lachen und ich genieße den Anblick seines entspannten Gesichtes. Für einen Moment vergesse ich all den Stress und die Sorgen der letzten Zeit. "Die sind so witzig", sagt er. "Wie sie da rumwatscheln und ins Wasser springen."

Wir stehen eine Weile da und beobachten die Pinguine, wie sie elegant durch das Wasser gleiten und sich gegenseitig mit ihren Schnäbeln stupsen. "Sie sind wirklich süß", stimme ich ihm zu und drücke selig seine Hand.

Unser nächster Stopp sind die Raubtiere. Ein Löwe mit wilder Mähne liegt majestätisch auf einem Felsen und beobachtet die Besucher mit seinen durchdringenden Augen. Auch das Affenhaus besuchen wir. Die verspielten Primaten schwingen sich an Seilen durch das Gehege und führen Kunststücke vor.

Zwischendurch wird Nael erneut von Fans angesprochen, aber jedes Mal lehnt er freundlich ab und erklärt, dass er heute nur für mich da ist. Es gefällt mir, dass er unsere gemeinsame Zeit schützt. Kurz überkommt mich ein schlechtes Gewissen wegen meines Flirts mit Essad, aber ich schiebe den Gedanken schnell beiseite.

Wir beenden unseren Besuch im Zoo bei den Pandas. Die großen Wesen, die aussehen wie Plüschtiere, kauen gemütlich auf Bambus herum oder liegen genussvoll in der Sonne. "Ich glaube, das ist mein Lieblingsplatz", beschließe ich. Nael nickt zustimmend. "Die sind so gechillt, das wirkt richtig ansteckend."

Als die Sonne langsam immer tiefer am Himmel sinkt, verlassen wir den Zoo. Diesen Nachmittag haben wir beide so dringend gebraucht. Endlich gemeinsame Zeit, unbeschwert und sorgenlos. Nael legt seinen Arm um meine Schulter, als wir zum Auto laufen und küsst mich verliebt auf die Wange.

Die Rückfahrt nutze ich dazu, mir die Fotos anzusehen, die Nael und ich im Zoo mit meinem Handy gemacht haben, während er fährt. Ein Foto sticht mir besonders ins Auge. Es ist ein Selfie von Nael, bei dem der Pinguin im Hintergrund mit geöffnetem Schnabel in die Kamera guckt, wodurch es scheint, als hätte das niedliche Kerlchen ebenfalls für das Foto posiert.

"Oh mein Gott", lache ich verzückt.

"Zeig mal", antwortet Nael neugierig und nimmt mir das Handy aus der Hand. Er schaut auf das Display und beginnt ebenfalls zu lachen. "Das ist echt witzig", pflichtet er mir bei, da ploppt eine Nachricht auf meinem Bildschirm auf.

Essad: "Lass morgen nochmal reden."

Nael runzelt die Stirn und sieht mich skeptisch an. "Wieso schreibt Essad dir? Und was habt ihr miteinander zu bereden?"

Mein Herz setzt einen Schlag aus, und ich spüre, wie mir das Blut in den Kopf steigt. "Ach, nur was wegen der Schule", lüge ich und versuche, mir das Handy zurückzuholen, doch Nael zieht es weg und sieht mich ernst an.

"Shalia, was soll das? Seid ihr jetzt beste Freunde? Läuft da was zwischen euch, oder was?", fragt er eindringlich.

"Wir verstehen uns einfach gut", gebe ich trotzig zurück, kriege mein Handy zu fassen und stecke es zurück in meine kleine Handtasche. "Seit wann bist du so eifersüchtig?"

Nael zieht seine buschigen Augenbrauen zusammen und seine Miene verhärtet sich. "Seit wann? Seit du anfängst, solche Nachrichten zu bekommen, Shalia. Essad ist mein Freund und ich frage mich ernsthaft, warum er dir sowas schreibt."

Ich seufze und schaue aus dem Fenster, um meinen aufkommenden Ärger zu verbergen. "Es ist wirklich harmlos, Nael. Wir müssen ein Referat zusammen halten, das ist alles."

Nael schüttelt den Kopf und starrt auf das Lenkrad. "Es fühlt sich aber nicht harmlos an. Ich habe das Gefühl, da steckt mehr dahinter."

Mein Herz zieht sich zusammen, und ich fühle die Last der Wahrheit auf meinen Schultern. Unsicher beiße ich mir auf die Unterlippe.

"Nun rück schon mit der Sprache raus und verkaufe mich nicht für dumm", fordert er und seine Stimme wird lauter. "Du hast mir letztens noch vorgeworfen, dass ich dich belüge und hintergehe und jetzt machst du dasselbe."

Ich schließe meine Augen und lege meinen Kopf in den Nacken. Als ich Nael wieder ansehe, brennt er fast vor Wut. Ich atme tief durch und nehme all meinen Mut zusammen.

"Essad, Yara und ich verstehen uns gut, aber er hat es in letzter Zeit ein bisschen übertrieben mit seinen Scherzen, deshalb habe ich ihm heute klargemacht, dass ich verlobt bin und das nicht mehr will."

Nael zieht scharf die Luft ein. "Und mit Scherzen meinst du, dass er dich anbaggert, ja?"

Ich antworte nicht.

Nael lacht abfällig auf. "Was für ein Bastard." Seine braunen Augen funkeln angriffslustig auf. "Ist das jetzt deine Rache dafür, dass ich gekifft habe?"

"Spinnst du? Was kann ich denn für Essads Verhalten?"

"Du kannst was dafür, dass du mir das verheimlicht hast", schießt er zurück.

"Ja, fühlt sich ganz schön scheiße an, wenn der Partner einem was verheimlicht, nicht wahr? Dann weißt du ja jetzt, wie es mir ging", zische ich.

"Also Rache, sage ich doch."

Ich schüttele enttäuscht den Kopf. "Das wird mir hier zu blöd." Schwungvoll öffne ich die Tür seines Wagens und steige aus. "Du kannst dich melden, wenn du in der Lage bist, dich vernünftig zu unterhalten."

"Leck mich, Shalia", ruft er mir hinterher. Ich hebe die Hand und zeige ihm einen Mittelfinger ohne mich nochmal umzudrehen.

Ich laufe schnellen Schrittes davon, meine Handtasche fest an mich gedrückt. Mein Herz rast und Tränen der Wut laufen über meine Wangen. Als ich mich ein wenig beruhigt habe, hole ich mein Handy heraus und rufe Essad an.

"Shalia? Was ist los?", fragt er, als er abhebt.

"Du hast mich richtig in die Scheiße geritten", schnauze ich ins Telefon. "Nael hat deine Nachricht gelesen und ist total ausgerastet."

Essad seufzt am anderen Ende der Leitung. "Tut mir leid, das war nicht meine Absicht. Wo bist du denn jetzt?"

"Ich laufe nachhause."

"Soll ich dich abholen?"

"Nein danke, damit machst du es nur schlimmer", antworte ich scharf. "Ich habe dir heute gesagt, es ist falsch, was du machst."

"Und trotzdem bist du oft genug darauf eingestiegen", gibt er zurück, seine Stimme klingt herausfordernd.

Ich bleibe stehen, atme tief durch und wische mir die Tränen aus dem Gesicht. "Weil ich mich einsam gefühlt habe und du mir die Aufmerksamkeit geschenkt hast, die mir gefehlt hat und das wusstest du ganz genau. Du hast meine Situation schamlos ausgenutzt."

"Achso. Sorry, dass ich dein Lückenfüller war. Mein Fehler. Tut mir leid", knurrt er zynisch.

"Ja, das hoffe ich auch", erwidere ich trotzig und drücke ihn weg.

Was für eine verdammte Scheiße.

Ich stecke das Handy zurück in meine Tasche und setze meinen Weg fort. Meine Gedanken wirbeln durcheinander, ein Mix aus Wut, Enttäuschung und Traurigkeit. Die Straßen sind inzwischen deutlich leerer, die Abenddämmerung hat sich über die Stadt gelegt.

Schließlich erreiche ich unser Wohnhaus. Ich nehme einen tiefen Atemzug, bevor ich die Tür aufschließe. Die Stille im Inneren wirkt plötzlich erdrückend. Ich gehe direkt in mein Zimmer und lasse mich auf das Bett fallen. Meine Gedanken kreisen weiter um Nael, Essad und die verfahrene Situation, in der ich stecke.

Unsere Beziehung hat in letzter Zeit sowieso gelitten. Dieser Vertrauensbruch meinerseits macht es nicht besser.

Wenn ich doch nur wüsste, wie es weiter gehen soll.

Ich liebe Nael so sehr, aber Liebe ist nicht alles.

Ich dachte, unsere Beziehung verheimlichen zu müssen und Zayn ein Jahr lang zu hintergehen sei der Tiefpunkt gewesen und ich hatte die Hoffnung, dass es danach nur noch bergauf gehen kann.

Dass wir vor solche Herausforderungen gestellt werden, hätte ich nicht mal zu fürchten gewagt.

Ich drehe mich von einer Seite auf die andere und wieder zurück, hin und her, immer wieder, bis ich endlich vor Erschöpfung einschlafe.

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