《• 25 •》

"Ey, was machst du hier für ein Palaver?" Zayn steht im Flur, die rechte Augenbraue hochgezogen und schaut mich besorgt an.

Ich wische mir die Tränen aus den Augen und seufze tief. "Es ist nichts, Zayn."

"Ne, ist klar. Sehe ich, dass nichts ist", erwidert er zynisch.

Ich streife meine Schuhe von den Füßen, antworte ihm jedoch nicht.

"Komm schon Shalia, rück mit der Sprache raus. Was hat Nael gemacht?"

"Er hat einfach keine Zeit mehr für mich und denkt, er kann das mit überteuerten Geschenken wieder gut machen."

Ich öffne den Verschluss der goldenen Halskette, nehme sie ab und drücke sie Zayn lieblos in die Hand. "Hier, sein neuestes Schmerzensgeld."

Mein Bruder beäugt die Kette mit Unbehagen, bevor er sich wieder mir zuwendet. "Die kannst du nicht draußen tragen, das weißt du oder?"

"Wieso nicht?"

"Weil dann jeder weiß, wer Shamsi ist. Du. Und dass du Naels Freundin oder sogar Verlobte bist."

"Und was ist das Problem daran? Wir sind verlobt, wir halten es nicht mehr geheim", erinnere ich ihn.

"Das nicht, aber die Abmachung war, dass er dich aus diesem Næzir-Hype raushält."

"Boah Zayn", raunze ich und lasse ihn stehen, um zu meinem Zimmer zu laufen. "Das ist jetzt echt mein kleinstes Problem. Wir verstecken uns auch nicht, wenn wir draußen über die Straße gehen. Wer eins und eins zusammenzählen kann, checkt das doch sowieso."

Zayn lässt sich von meiner Flucht nicht beirren, sondern läuft mir einfach hinterher.

"Komm schon, Shalia, lass uns reden."

Ich werfe meine Tasche auf das Bett und drehe mich genervt zu ihm um. "Was willst du hören, Zayn? Dass ich unglücklich bin? Dass ich mich von Nael ignoriert fühle? Dass ich mich frage, ob das alles überhaupt noch Sinn macht?"

Zayn lehnt sich an den Türrahmen und seufzt. "Ich verstehe, dass du frustriert bist, aber du musst auch Nael verstehen. Er arbeitet hart an seiner Karriere, auch, um euch etwas aufzubauen. Ist bestimmt nicht einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Der Hype kann genauso schnell wieder vorbei sein, wie er gekommen ist."

Ich sinke auf das Bett und vergrabe mein Gesicht in den Händen. "Es ist nicht so einfach. Ich liebe ihn, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass ich ihm egal bin. Es ist, als ob ich für ihn nur eine Trophäe bin, die er mit teuren Geschenken zufriedenstellen kann."

Zayn setzt sich neben mich und legt einen Arm um meine Schultern. "Das stimmt nicht, und das weißt du selbst. Nael liebt dich, Shalia, aber er hat viel um die Ohren und versucht, seinen Traum zu verwirklichen. Manchmal verliert er dabei das Wesentliche aus den Augen."

Ich blicke zu ihm auf, meine Augen voller Zweifel. "Und was soll ich tun? Einfach weiter warten, bis er Zeit für mich findet?"

"Ja, vielleicht musst du jetzt einfach mal ein bisschen durchhalten, ihm gleichzeitig klarmachen, wie du dich fühlst, aber ihm auch zeigen, dass du hinter ihm stehst und seine Träume unterstützt. Es ist eine Balance, die ihr finden müsst."

Ich lehne mich an meinen Bruder und spüre, wie ein Teil des Drucks von meinen Schultern abfällt. "Ich habe ja versucht, mit ihm zu reden."

"Und was sagt er?"

"Er sagt, dass es ihm leid tut und dass er das Album fertig kriegen muss. Er hat mir versprochen, dass es danach besser wird."

"Na, siehst du. Dann ist ein Ende doch in Sicht", antwortet Zayn optimistisch.

Ich runzele die Stirn. "Und danach ist es der nächste Song, das nächste Album, das erste Konzert, die erste Tour.."

Zayn seufzt und verdreht seine dunkelbraunen Augen. "Abwarten. Er muss doch auch erstmal in die neue Situation reinwachsen."

Es herrscht kurz Stille zwischen uns, bis ich erneut das Wort ergreife: "Weißt du, ehrlich gesagt ist das nicht das einzige, was mich stört."

Es tut gut, mich bei Zayn auszuheulen. Ich habe endlich mal das Gefühl, mit dem ganzen Scheiß nicht alleine zu sein.

Wie sagt man so schön? Geteiltes Leid ist halbes Leid.

Mein Bruder sieht mich auffordernd an.

"Ich kann diese Leute nicht ausstehen, mit denen er neuerdings abhängt. Allen voran dieser Abedin. Der ist so ein richtiger Dummschwätzer und seit Nael mit dem ist, trinkt er sogar Alkohol."

Zayns Gesicht verfinstert sich. "Wie kommst du darauf?"

Ich zucke mit den Schultern. "Er erzählt es mir oder ich rieche es."

"Also willst du mir sagen, dass er sich besoffen mit dir trifft?" Seine Augen verengen sich, sein markanter Kiefer ist angespannt.

"Nein", entgegne ich schnell. "Ich habe ihn noch nie betrunken erlebt." Nervös spiele ich an meinem schönen Verlobunsgring herum. Ich rufe mir das Gefühl in den Kopf, dass ich hatte, als Nael ihn mir angesteckt hat. Ich war so glücklich und so voller Vorfreude. Wieso konnte es nicht einfach so bleiben, wie es war?

"Ich hab Abedin auch erst ein paar Mal gesehen, aber du bestätigst meinen Eindruck, dass er kein guter Umgang für Nael ist. Er ist laut und unerzogen."

"Voll", kommentiere ich kurz.

Zayns Gesicht ist sorgenvoll. Ich weiß, dass er es hasst, wenn es mir schlecht geht und ich weiß auch, dass er Nael gerade dafür hasst, dass er der Grund ist. Für gewöhnlich erzähle ich meinem Bruder deshalb nicht, wenn wir uns streiten, aber heute habe ich nicht mehr eingesehen, auf Zayns Hilfe zu verzichten um Nael zu schützen.

Er schenkt mir ein aufmunterndes Lächeln, das jedoch seine Augen nicht erreicht. "Ich werde mal mit ihm reden wegen Abedin", verspricht er und erhebt sich von seinem Bett. "Und jetzt geh schlafen, morgen ist Schule."

Ich setze einen Dackelblick auf. "Brauchst du deinen Wagen morgen früh oder darf ich den nehmen?"

Zayns Blick wird weicher. "Kannst du nehmen. Der Schlüssel hängt im Schlüsselkasten." Er greift nach der Türklinke. "Wird Zeit, dass du dir selbst ein Auto käufst, Fräulein."

...

Am nächsten Morgen liegt mir die Auseinandersetzung mit Nael noch schwer im Magen, obgleich mich das Gespräch mit Zayn ein wenig aufgebaut hat.

Ich ziehe eine enge Jeans, ein weißes Top und eine weite, lilafarbe Bluse an und kämme meine wilden Locken, bevor ich in die Küche gehe und mir eine Banane schnappe. Ich drücke meiner Mama zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.

"Kannst du Lamiya zur Schule bringen, bevor du gehst?", fragt sie mich und schenkt mir ein sanftes Lächeln.

"Natürlich," antworte ich und gehe zum Kinderzimmer, um meine kleine Schwester zu wecken. Sie liegt noch eingekuschelt in ihrem Bett, ihr Gesicht friedlich im Schlaf, ein rosaner Elsa-Pyjama bedeckt ihren kleinen Körper. Ich kann immer noch nicht glauben, dass diese kleine Zuckermaus im Sommer eingeschult wurde. Gefühlt war sie gestern noch ein Baby.

"Lamiya, aufwachen. Es ist Zeit für die Schule," flüstere ich sanft, während ich sie leicht an der Schulter rüttle.

Das kleine Mädchen öffnet langsam die Augen und lächelt verschlafen aus ihren großen, braunen Augen. "Guten Morgen, Shalia."

"Guten Morgen, kleine Maus. Aufstehen, wir müssen los."

Sie krabbelt aus dem Bett und ich helfe ihr, sich anzuziehen. Schnell binden wir ihre langen, dunklen Haare zu zwei Zöpfen und dann geht es auch schon in die Küche für ein schnelles Frühstück. Ich gehe meinerseits ins Badezimmer und schminke mich, bevor ich Lamiya wieder einsammele, Zayns Autoschlüssel nehme und mit meiner Schwester runter zum Parkplatz laufe.

Der silberne Mercedes C63, der ganze Stolz meines älteren Bruders, glänzt im morgendlichen Sonnenlicht. Ich steige ein, starte den Motor und bringe Lamiya zu der naheliegenden Grundschule. Sie verabschiedet sich mit einem dicken Kuss von mir, bevor sie aus dem Auto hüpft und Richtung Eingang rennt, wo ihre Freunde bereits warten.

Ich schaue ihr einen Moment lang lächelnd nach, dann fahre ich weiter, um Yara abzuholen. Als ich vor ihrem Haus halte, steht sie bereits draußen und wartet. Sie winkt mir zu und steigt ein, ein breites Lächeln auf den Lippen.

"Guten Morgen", begrüßt sie mich fröhlich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. "Ich liebe es, wenn du mich mit dem Angeber-Schlitten abholst", grinst sie.

Ich lache und rolle mit den Augen. "Ja, genieße es. Wie geht's dir?"

"Alles gut. Und bei dir? Du siehst ein bisschen fertig aus."

Ich atme tief durch. "Ich habe mich gestern ziemlich mit Nael gestritten. Wir sind im Streit auseinander gegangen und ich habe seitdem nichts von ihm gehört."

Yaras blaue Augen fixieren mich und sie legt ihre Stirn in Sorgenfalten. "Was war denn los?"

Ich nutze den Schulweg dazu, ihr von den gestrigen Ereignissen zu berichten. An der tristen, grauen Berufsschule angekommen, parke ich Zayns Wagen und folge ihr zum Eingang, wo Essad auf uns zu warten scheint.

Der große, muskulöse Palästinenser war ursprünglich bei Zayn und Nael in der Klasse, doch er hat sein Fachabitur nicht bestanden und muss wiederholen. Seitdem hält er sich an meine hübsche, blonde Freundin und mich.

Wir begrüßen ihn und Yara lässt sich Feuer von ihm reichen, um ihre Zigarette anzuzünden.

"Ihr solltet das Rauchen echt sein lassen," sage ich mit gerümpfter Nase und sehe die beiden ernst an. "Es ist teuer, ungesund und stinkt."

Essad grinst und schüttelt den Kopf. Seine braunen Augen funkeln belustigt, sein markantes Gesicht wird von einem gepflegten Vollbart gerahmt. "Machst du dir etwa Sorgen um uns, Shalia?"

Ich verschränke die Arme und sehe ihn streitlustig an. "Ja, tatsächlich. Rauchen ist einfach nur schädlich. Ihr solltet besser auf eure Gesundheit achten."

Essad lächelt breit und tritt einen Schritt näher an mich heran. "Dann werde ich mir das vielleicht noch einmal überlegen, wenn du dir so große Sorgen machst." Er strafft seine breiten Schultern und macht sich groß.

"Das ist ja richtig süß von dir", setzt er offensiv hinterher und sieht mir tief in die Augen.

"Ist ja nichts neues, dass ich süß bin, oder?", gebe ich frech zurück und zwinkere ihm zu.

"Stimmt. Das ist mir schon lange bewusst."

Unsere Augen kleben aneinander wie zwei Magneten, bis ich schlagartig realisiere, was hier gerade passiert: Essad flirtet mit mir und ich lasse mich auf dieses Spiel ein.

Ich löse mich aus seinem Blick und räuspere mich kurz. "Wir sollten lieber hochgehen, bevor der Unterricht anfängt."

Essad schnippt seine Zigarette weg und wir drei machen uns auf den Weg ins Schulgebäude. Während wir die Treppen hinaufsteigen, nutzt Yara einen unbeobachteten Moment, indem Essad mit jemand anderem spricht, um mich zur Seite zu ziehen.

"Shalia, was war das denn eben? Du hast fast mit Essad geflirtet!" schimpft sie leise, aber bestimmt.

Ich fühle mich ertappt. "Was? Nein, ich wollte ihm nur klar machen, dass Rauchen schlecht ist."

Yara verdreht ihre blauen Augen.

"Pass auf, was du tust, Shalia. Du bist mit Nael verlobt. Du solltest keine gemischten Signale senden."

Ich seufze und nicke. "Du hast Recht, Yara. Ich wollte das nicht. Es ist nur alles gerade ziemlich kompliziert."

"Verstehe ich, aber das ist kein Grund sich in die Aufmerksamkeit eines anderen zu flüchten. Wenn Nael das erfährt, wird eure Situation nämlich nicht leichter. Essad ist nicht der Typ, der leicht aufgibt, wenn er Interesse zeigt."

Ich nicke erneut und wir gehen weiter zur Klasse. Yaras Worte hallen in meinem Kopf nach, und ich nehme mir vor, in Zukunft zurückhaltender zu sein. Es ist schon schwer genug, mit Nael und meinen eigenen Gefühlen klarzukommen, da brauche ich nicht noch zusätzliche Verwirrung.

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