《• 24 •》

Im Frühjahr 2013 ist es dann soweit und unsere große Verlobungsfeier mit Freunden und Verwandten steht an.

Wir haben einen prächtigen Saal gemietet und ihn liebevoll geschmückt mit weißen und silbernen Stoffen, funkelnden Lichtern und duftenden Blumenarrangements aus weißen Rosen, Nelken und Lilien, die die Luft mit einem Hauch von Frühling erfüllen. Die hohen Decken und großen Kronleuchter verleihen dem Saal eine elegante und edle Note. Die langen Tische sind mit unzähligen weißen Kerzen bestückt, die Stühle in feine weiße Stuhlhussen gehüllt.

Zahlreiche Freunde und Verwandte sind von nah und fern angereist, um diesen besonderen Moment mit uns zu teilen. Die Frauen tragen wunderschöne, farbenfrohe Abendkleider und die Männer sind in elegante Anzüge gekleidet.

Ein Buffet mit einer Vielzahl an köstlichen Speisen und Süßigkeiten ist aufgebaut, das niemanden hungrig lässt. Die Klänge traditioneller Musik mischen sich mit modernen Beats und laden die Gäste zum Tanzen ein.

Nael und ich stehen im Mittelpunkt, strahlend vor Glück. Ich trage ein wunderschönes Kleid in einem sanften Nudeton, verziert mit filigraner Spitze und funkelnden Strasssteinen. Meine langen, schweren Haare sind zu einer aufwendigen Hochsteckfrisur frisiert und mein Gesicht dezent geschminkt. Nael sieht in seinem schwarzen Anzug mit weißem Hemd und der farblich zu meinem Kleid passenden Krawatte unglaublich gut aus. Wir werden unaufhörlich beglückwünscht, umarmt und fotografiert.

Meine Mama hat Tränen in den Augen, als sie Nael und mir zärtlich über die Wangen streicht.

Mein Vater hält eine kurze, aber für mich sehr emotionale Rede. "Heute feiern wir nicht nur die Liebe zwischen Shalia und Nael, sondern auch die Zusammenführung zweier Familien," sagt er mit fester Stimme. "Inschallah möge eure Zukunft voller Glück, Liebe und Harmonie sein."

Naels Eltern sind ebenfalls sichtlich gerührt und äußern ihre besten Wünsche für uns. Wafaa, die mir damals auf Lounis' Hochzeit schon im Spaß verkündet hatte, dass sie mich gerne zur Schwiegertochter hätte, scheint mit der Wahl ihres jüngeren Sohnes äußerst zufrieden zu sein.

Die Feier dauert bis in die späten Abendstunden. Es wird gelacht, getanzt und erzählt. Wir schneiden gemeinsam eine prächtige Torte an, deren viele Schichten von einer eleganten Dekoration aus essbaren Blumen gekrönt sind.

Als der Abend schließlich zur Neige geht, bin ich erschöpft und dankbar. Es ist ein unvergesslicher Tag, der den Beginn eines neuen Kapitels in unserem Leben markiert. Ein Tag voller Freude, Liebe und Hoffnung für die Zukunft. Und ein Tag, der uns ganz deutlich zeigt, dass es sich gelohnt hat, für unsere Beziehung zu kämpfen.

...

Die nächsten Monate laufen nach dem immer gleichen Muster ab. Wir gehen zur Schule, arbeiten fleißig auf unseren Schulabschluss hin und in der Freizeit hängen wir ebenfalls zusammen. Ehrlicherweise muss man zugeben, dass Naels Noten seit seinem Durchbruch ziemlich abgesackt sind, aber er schafft es trotzdem, im Mai erfolgreich sein Fachabitur zu bestehen.

Die Fachabi-Zeugnisfeier von Zayn und Nael findet in einem festlich geschmückten Saal statt, umgeben von stolzen Familienmitgliedern und Freunden. Ich zwinge Yara, mich zu begleiten und wir haben einen fabelhaften Abend zu viert. Nach der feierlichen Übergabe der Zeugnisse folgt ein Festessen und eine Tanzfläche, auf der die Gäste ausgelassen feiern und die Errungenschaften der Absolventen würdigen.

...

Es ist ein Donnerstagbend im späten Mai, an dem Nael mich von zuhause abholt. Er war wieder mal im Studio, wie beinahe jeden Tag. Seit er nicht mehr zur Schule muss, arbeitet er noch verbissener an seinem ersten Album. Der Hype um Næzir hat nicht abgerissen, im Gegenteil: immer mehr Leute kennen den aufstrebenden Rapper aus Berlin. Er bekam durch "Shamsi" zahlreiche Anfragen von Plattenlabels und hat letztendlich bei einem großen Label aus Berlin einen Plattenvertrag unterschrieben. Seitdem hat er zwei weitere Songs veröffentlicht und er dritte steht bereits in den Startlöchern, ein Feature mit einem anderen, bekannten Berliner Artitst.

Der schöne, große Libanese schließt mich in seine Arme und drückt mir einen Kuss auf den Mund. Ich halte inne und sehe ihm prüfend in die Augen. "Hast du getrunken?", frage ich ihn.

Nael bejaht und lacht leicht, doch sein Lachen verebbt schnell, als er meine ernste Miene bemerkt. "Ich habe ein Glas Whiskey getrunken, aber nur um anzustoßen. Wir haben etwas zu feiern", erklärt er, während er mich über die Mittelkonsole seines 3er BMWs sanft an sich zieht. Sein Blick ist voller Begeisterung und Vorfreude, aber mein Gesichtsausdruck bleibt kühl und meine Augen verraten meine Unzufriedenheit.

Ich seufze schwer und schüttele den Kopf, meine Stirn leicht gerunzelt. "Nael, es ist Donnerstag, mitten in der Woche. Du solltest nicht trinken", ermahne ich ihn streng. Die Tatsache, dass er jetzt auch unter der Woche trinkt, beunruhigt mich. Er hat vor einiger Zeit angefangen jedes Wochenende zu trinken und schon das gefällt mir überhaupt nicht.

"Babe, chill, versau jetzt nicht die Stimmung", entgegnet er mit hochgezogener Augenbraue, doch meine Miene bleibt unbeeindruckt.

Er weicht ein Stück zurück und zieht den Kragen seines weißen Shirts herunter. Zum Vorschein kommt eine goldene Kette mit dem Schriftzug "Shamsi" in gotischen Lettern. "Shamsi ist jetzt Gold, der Song ist Gold gegangen", verkündet er euphorisch. In seinen braunen Augen liegen Stolz und eine beinahe kindliche Freude. Er reicht mir eine rote Schachtel in der dieselbe Kette auch für mich liegt.

Ich will gar nicht wissen, was diese maßangefertigte Kette aus massivem Vollgold gekostet hat. Trotzdem freue ich mich über diese Geste.

Seit Nael seinen Plattenvertrag hat, sitzt das Geld bei ihm ziemlich locker. Er hat sich einen fetten Wegen gekauft, zuhauf überteuerte Markenkleidung und auch mich überschüttet er mit Geschenken. Natürlich schmeichelt mir das, doch ich finde es auch unnötig.

Das wertvollste und schönste Geschenk, das Nael mir machen kann, ist ganz kitschig gemeinsame Zeit und die kippt in den letzten Wochen oft hinten über.

Nicht das einzige, was mir schwer im Magen liegt. "Findest du nicht, dass du es übertreibst?", frage ich ihn vorsichtig, während er seinen Wagen rückwärts aus der Parklücke rangiert. Wir haben uns zu einem gemütlichen, gemeinsamen Spaziergang verabredet und ich will die kostbare Zeit eigentlich nicht mit einer Diskussion überschatten.

"Was meinst du?", fragt er unschuldig.

"Dass du neuerdings ständig Alkohol trinkst, zum Beispiel, oder dass du dein Geld zum Fenster rauswirfst, aber auch generell: du bist ständig im Studio. Ich finde, du arbeitest zu viel, Schatz."

Er seufzt genervt. "Genau, ich arbeite viel und hart, deshalb will ich mich auch belohnen. Ich will mir was leisten, für all den Stress und die schlaflosen Nächte. Kannst du mir das nicht gönnen?"

Ich schnaube verächtlich. "Ich gönne dir immer nur das Beste, das solltest du wissen."

"Gut. Ich denke ja schließlich auch immer an dich, oder kommst du zu kurz?"

Ich lege den Kopf schief und blinzele ihn angriffslustig an. "Ja, irgendwie schon. Mir geht es nämlich nicht um Geschenke, sondern darum, dass du kaum noch Zeit für mich hast."

Nael seufzt und verdreht die Augen. "Ach Shalia." Kurz schweigen wir uns an, während Nael den Wagen parkt und wir aussteigen.

Er sieht mich kurz unschlüssig an, wie ich da stehe, die Arme vor der Brust verschränkt, dann legt er den Kopf schief und kommt auf mich zu.

"Es tut mir leid, okay? Lass mich das Album fertig kriegen, dann widme ich dir wieder all meine Zeit", lenkt er ein.

Ich schlinge meine Arme um seinen Bauch und lasse mir einen Kuss auf meinen Scheitel drücken.

"Ich liebe dich", nuschele ich in sein Shirt. "Ich liebe dich auch", gibt er zurück.

Eine ganze Zeit verharren wir so, bis Nael sich von mir löst.

"Willst du den neuen Song hören? Er ist fast fertig."

Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. "Was ist das denn für eine Frage? Natürlich!"

Mein Verlobter zieht sein Handy hervor und der dunkle Bass dröhnt aus den kleinen weißen Airpods, die er mir in die Ohren steckt.

《...》

Damals hatte ich keine teure Uhr
War nicht mit achtundzwanzig Leuten auf Tour
Alles real, wallah, früher musst ich spielen
Aber hast du nichts zu verlieren, kannst du nicht verlieren
Damals war noch kein Erfolg in Sicht mit Rap
Der ganze Himmel mit 'ner Wolkenschicht bedeckt
Sweet Life, ich weiß heute, wie es schmeckt
Alles Gold, aber esse nicht mit goldenem Besteck

Ich hatte nichts, damals alles anthrazit
Doch sie wissen, was mit denen, die ich anfasse, geschieht
Rap Hits am Set, so wie Brad Pitt
Rrah, rrah und ich shoote die Adlibs
Die goldene Kehle, goldene Seele
Ich heule vor Freude 'ne goldene Träne

Ich bin jetzt ein Goldjunge
Mit Goldplatten, Golduhren und Goldwumme
Gold am Handgelenk, goldene Krone
Gold am Hals, goldene Patrone
Ich bin jetzt ein Goldjunge
Mit Goldplatten, Golduhren und Goldwumme
Goldener Block, Gold wo ich wohne
Sie küssen meine Bilder wie 'ne goldene Ikone
Heute werd ich von mein' Fans verfolgt
Denn sie kennen mein Herz aus Gold

《...》

Als der letzte Ton verstummt, ziehe ich mir die Airpods aus den Ohren. "Richtig gut!", sage ich, meine Augen weit vor Überraschung. "Der Song zeigt eine ganz andere Seite von dir, eine sehr rohe und authentische. Ich mag, wie du deinen Aufstieg einfängst und so kraftvoll rüberbringst."

Ich lächle und füge hinzu: "Auch wenn ich deine emotionalen Sachen noch lieber mag. Du zeigst damit, dass du vielseitig bist und auch diese harte Seite authentisch rüberbringen kannst. Das wird deine Fans sicher begeistern und dir neue Türen öffnen."

Nael strahlt über das ganze Gesicht. "Weißt du eigentlich.." Er drückt mir einen Kuss auf den Mund und legt seine Arme um meine Taille. ".. Dass du meine allerliebste Kritikerin bist?"

Ich küsse ihn ebenfalls.

Nael und ich spazieren Hand in Hand entlang der Spree, die vom milden Glanz der Abendsonne in ein goldenes Licht getaucht ist. Wir sprechen über alles mögliche, lachen viel und genießen einfach die gemeinsame Zeit.

Bis irgendwann das Klingeln von Naels Handy die Stille bricht und uns aus unserer friedlichen Stimmung reißt. Nael wirft einen Blick aufs Display und verzieht leicht das Gesicht. "Es ist Abedin," murmelt er und wirft mir einen entschuldigenden Blick zu, bevor er abnimmt.

"Habibi, was geht?", begrüßt er den Anrufer und lauscht kurz, bevor er antwortet, "Ja, ich bin mit Shalia unterwegs. Was gibt's?"

Ich verdrehe die Augen. Ich kann den Libanesen nicht leiden. Er versucht sich selbst an Rap, allerdings nicht annähernd so erfolgreich wie Nael. Trotzdem hat er ziemlich viel Meinung und quatscht meinem Freund ständig rein. Ich werde das Gefühl nicht los, dass er ihm nicht gut tut.

Ich höre Abedin am anderen Ende reden, seine Stimme gedämpft. Nael runzelt die Stirn, nickt und wirft mir einen kurzen Blick zu. "Okay, ich komme gleich. As-salamu alaikum."

Er legt auf und seufzt. "Abedin will, dass ich ins Studio komme. Ghazi ist auch da und sie wollen an einem neuen Track arbeiten."

Mein Puls steigt. "Nael, das war unser Abend," sage ich und gebe mir keine Mühe, meine Enttäuschung zu verbergen.

Er greift nach meiner Hand, doch ich ziehe sie beleidigt weg. "Ich weiß, Babe. Es tut mir leid, aber das ist wichtig. Wir haben doch gerade im Auto noch darüber geredet. Ich muss dieses Album fertig kriegen."

Ich schüttele den Kopf und verschränke die Arme vor der Brust. "Es ist immer alles so verdammt wichtig, Nael. Alles außer ich halt. Jedes Mal, wenn wir Zeit miteinander verbringen, kommt etwas dazwischen. Du bist ständig im Studio und jetzt lässt du mich schon wieder sitzen."

Er tritt näher und versucht, mich zu umarmen, aber ich weiche zurück. Er seufzt leise. "Ich dachte eigentlich, du würdest mich verstehen, Shalia. Das ist mein Traum und ich muss dafür arbeiten."

"Ich verstehe das," erwidere ich scharf und blitze ihn wütend an. "Ich habe seit Monaten ständig Verständnis für dich. Aber wann verstehst du, dass ich auch Bedürfnisse habe? Dass ich Zeit mit dir brauche? Wir sehen uns kaum noch. Da bringen mir auch deine teuren Geschenke nichts." Ich deute abfällig auf die goldene Kette um meinen Hals.

Nael starrt mir kurz in die Augen. So sauer und tief getroffen habe ich ihn vermutlich noch nie gesehen. Er schluckt. Dann räuspert er sich. "Komm, ich fahre dich nachhause."

"Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?", frage ich beißend und meine Augen verengen sich zu wütenden Schlitzen. "Shukran, Nael. Ich komme alleine nachhause." Ohne auf seine Antwort zu warten, drehe ich mich um und gehe schnellen Schrittes in die entgegengesetzte Richtung.

"Shalia!" Nael ruft mir hinterher, doch ich ignoriere ihn. Mein Herz ist schwer, und Tränen brennen in meinen Augen. Ich wollte mich nicht mit ihm streiten, doch ich will mir das auch einfach nicht mehr gefallen lassen.

Ich höre seine Schritte hinter mir, die immer näher kommen, bis er zu mir aufgeschlossen hat, mich sanft am Arm packt und zu sich umdreht.

"Shalia, du kannst wütend auf mich sein, mich ignorieren, was auch immer, aber ich lasse dich sicher nicht alleine nachhause laufen, egal, was zwischen uns passiert ist. Ich fahre dich nachhause, ob du willst oder nicht," sagt er mit einer Mischung aus Entschlossenheit und Zorn in seiner dunklen Stimme.

Ich sehe ihm fest in die Augen und recke ihm mein Kinn trotzig entgegen. Trotz meiner Wut spüre ich, dass er es ernst meint. Mein Herz rast vor Emotionen und ich hadere mit mir, doch ich weiß, dass er nicht locker lassen wird.

Ich atme tief durch. "Wenn du meinst", knurre ich durch zusammen gebissene Zähne und folge ihm widerwillig zu seiner mattschwarzen Limousine.

Nael öffnet die Beifahrertür und wartet, bis ich einsteige. Er geht wortlos um das Auto herum und setzt sich ans Steuer. Die Spannung zwischen uns ist greifbar und wir fahren los, ohne ein weiteres Wort zu wechseln.

Der Weg zu unserer Wohnung zieht sich in bedrückendem Schweigen dahin. Ich blicke aus dem Fenster und versuche, die aufgewühlten Gefühle in meinem Inneren zu ordnen. Nael ist ebenfalls in Gedanken versunken, seine Hände umklammern das Lenkrad so fest, dass die Knöchel weiß hervortreten.

Als wir ankommen, hält Nael den Wagen vor meiner Haustür an und schaltet den Motor aus. Einen Moment lang bleibt es still. Dann dreht er sich zu mir und spricht mit gedämpfter Stimme: "Ich weiß, dass du sauer auf mich bist. Ich verstehe das sogar. Aber bitte, Shalia, wir müssen einen Weg finden, das hinzubekommen."

Ich antworte nicht sofort, sondern steige aus dem Auto und hole tief Luft. "Das hoffe ich auch, Nael," sage ich schließlich, ohne ihn anzusehen. "Aber so kann es nicht mehr weitergehen."

Nael nickt stumm, seine Augen voll von unausgesprochenen Worten. "Gute Nacht, Shalia."

"Viel Spaß im Studio", stichele ich, dann wende ich mich ab. Während ich zur Tür gehe, höre ich, wie der Motor wieder startet und Nael davonfährt.

Ich beiße mir auf die Unterlippe während Tränen meine Augen füllen.

So eine verdammte Scheiße!

Wutentbrannt stürme ich die Treppen hoch, reiße die Tür auf und schmeiße sie energisch hinter mir ins Schloss, als plötzlich eine alarmierte Stimme ertönt: "Ey, was machst du hier für ein Palaver?"

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