《• 15 •》

Wenn die Morgende bei uns sonst schon hektisch verlaufen, ist dieser Samstagmorgen der Supergau.

In aller Herrgottsfrühe klingelt der Wecker. Wir Mädels stehen eine gute Stunde früher als meine Brüder und Lamiya auf, die maximal duschen und ihre Haare machen müssen. Wir erhoffen uns eine Chance auf etwas ungestörte Zeit im Bad, müssen aber irgendwann einsehen, dass das in diesem Haushalt nicht passieren wird.

Mama macht Frühstück für alle und entgegen meiner Bitte, es heute klein zu halten um sich nicht zusätzlich zu stressen, tischt sie natürlich wieder ordentlich auf: frische Brötchen vom Bäcker, Rührei, Hummus, Arabisches Fladenbrot, Oliven, geschnittene Tomaten und Gurken, Käse, Sucuk, Cay, Orangensaft und Kaffee.

Wir schlagen uns die Bäuche voll, die Stimmung ist zu gleichen Teilen aufgeregt wie ausgelassen. Nach dem Essen hängen wir unsere wunderschönen Abendkleider in Kleiderhussen und lassen uns von meiner Mama zu dem kleinen arabischen Friseursalon um die Ecke bringen, der uns die Haare für die Hochzeit frisiert.

Im Hintergrund läuft fröhliche Musik aus den Charts, Yara und ich nehmen auf den Ledersesseln vor den großen Spiegeln Platz, meine Mama setzt sich in den Wartebereich und Lamiya hüpft aufgeregt wie ein kleiner Flummi herum.

"Weißt du schon, was du machen willst?", erkundige ich mich bei meiner besten Freundin, während wir auf unsere Friseurinnen warten. Yara nickt: "Locken, die vorderen Haare etwas zurückgesteckt und du?"

Ich zeige ihr als Antwort ein Bild auf meinem Handy, das ich mir als Inspiration abgespeichert habe. Währenddessen kann Lamiya ihre Aufregung kaum verbergen. Sie bewundert sich im Spiegel und sagt mit leuchtenden Augen: "Ich werde wie eine echte Prinzessin aussehen, oder?" Ich strecke meine Hand aus und kitzle sie leicht: "Ja, du wirst die entzückendste Prinzessin sein, die dieser Salon je gesehen hat."

Die Friseurinnen beginnen damit, unsere Haare zu waschen und zu föhnen, während eine dritte Lamiyas Haare zu einem zauberhaften Zopf flechtet. "Wie wäre es mit ein paar hübschen Blümchen in deinen Haaren, Lamiya?", schlägt sie vor. Meine kleine Schwester strahlt und nickt begeistert.

Während die Friseurinnen an unseren Haaren arbeiten, schreibe ich Nael verstohlen eine Nachricht. "Noch am schlafen? 🙄"

Dass er nicht antwortet, werte ich als Zustimmung. Nach den Frisuren werden Mama, Yara und ich noch geschminkt, bevor wir uns dann im hinteren Teil des Salons umziehen, da wir von hier aus direkt zum Standesamt fahren. Erst findet die standesamtliche Trauung statt, danach die islamische Eheschließung und anschließend die große Feier. Ein wahrer Hochzeitsmarathon, der uns heute bevorsteht.

Mama sieht in ihrem dunkelgrünen, glitzernden Kleid mit ausladender Schleppe und farblich passendem Kopftuch aus wie eine arabische Königin.

Yara trägt ein himmelblaues Kleid von mir aus fließendem Chiffon, bodenlang und schulterfrei. Statt Ärmeln hat es riesige, hübsche Schleifen auf den Schultern. Die Farbe spiegelt sich in ihren schönen blauen Augen wieder und lässt sie noch mehr strahlen. Ihre Frisur ist genauso geworden, wie sie es sich gewünscht hat und rundet das Gesamtbild ab.

Zufrieden trete ich neben sie vor den großen Spiegel. Mein Kleid besteht aus mehreren Lagen weich fallendem, nudefarbenem Chiffon, wobei die oberste Stoffschicht mit abermillionen kleinen funkelnden Pailletten besetzt ist. Es hat schmale Spaghettiträger und eine enganliegende Corsage mit hochgeschnittenem Ausschnitt. Der Rock ist weit und fließend und meine schlanke Figur schmeichelhaft umspielend.

Meine Haare sind in einem sehr tiefen Dutt zusammengesteckt. Einige meiner wilden Locken umspielen mein strahlendes Gesicht und ein großes Haarteil aus glitzernden Strasssteinen schmückt meine linke Kopfseite. Ein dezentes Augen-Make-up in Brauntönen und glänzende Lippen unterstreichen meine natürliche Schönheit und komplettieren den Look.

"Wunderschön ihr beide", strahlt meine Mutter und drückt uns liebevoll an sich. "Und jetzt lasst uns schleunigst zum Standesamt fahren. Wir wollen ja nicht, dass Ilayda noch vor uns da ist. Yallah!"

Als wir nach kurzer Fahrt umständlich in unseren langen Kleidern aus dem Auto steigen, stehen Zayn, Kinan, Lounis und unser Vater schon in ihren schönsten Anzügen bereit.

Lounis steht die Aufregung ins Gesicht geschrieben und er reibt sich nervös die Hände. Ich laufe zielstrebig auf ihn zu und schließe ihn liebevoll in die Arme. "Du siehst so gut aus, Lounis", schwärme ich. Der klassische, schwarze Anzug, für den er sich entschieden hat, steht ihm hervorragend und verleiht ihm ein ungewöhnlich erwachsenes Auftreten.

"Danke, du auch, Shalia", erwidert er und löst sich wieder von mir, um sich hektisch durch die Haare zu streichen. Seine braunen Augen glänzen jetzt schon verräterisch und seine Anspannung ist beinahe greifbar. Auch Zayn und Kinan haben sich für schwarze Anzüge entschieden und sehen verboten gut aus.

Doch keiner von ihnen kommt für mich auch nur annähernd an Nael heran.

Als er gefolgt von seinem Bruder und seinen Eltern zu uns kommt, setzt mein Herz einen Schlag aus. Auch er trägt einen schwarzen Anzug mit weißem Hemd und einer schwarzen Fliege. Seine schwarzen, wuscheligen Haare, die für gewöhnlich in alle Richtungen abstehen, hat er mit viel Haargel nach hinten gestylt. Sein Babyface ist frisch rasiert und seine honigbraunen Augen funkeln aufgeregt, als er mich entdeckt.

Genau wie mich selbst durchfährt ihn eine Welle der Rührung und Begeisterung. Sein Gesicht erhellt sich mit einem breiten, strahlenden Lächeln. Seine Augen weiten sich vor Freude und seine Atmung scheint für einen Moment zu stocken, als er mich in meinem wunderschönen Kleid ansieht.

Er steht wie gebannt da, während er mich von Kopf bis Fuß betrachtet, als wäre ich die einzige Person auf dem gepflasterten Vorplatz.

So sehr wir uns auch immer bemühen, uns möglichst neutral und freundschaftlich zu verhalten und so gut uns das in der Regel gelingt - gerade versagt Nael auf ganzer Linie und das beunruhigt mich mindestens so sehr, wie es mich berührt.

Seine Reaktion ist so pur und ehrlich, so unkontrolliert und unvernünftig, dass ich am liebsten alle anderen ausblenden und in seine Arme fallen würde.

Mein Mund wird trocken und meine Finger kribbeln unter dem tiefen Blick, den mein gutaussehender Freund mir schenkt und ich bin dankbar, als er sich endlich aus seiner Starre löst und weiter auf uns zukommt.

"Oh, Shalia", ertönt plötzlich die liebliche Stimme seiner Mutter neben mir. "Du siehst einfach umwerfend aus." Herzlich küsst sie mir zur Begrüßung auf die Wangen.

Noch umwerfender sieht nur Ilayda aus, die wenig später endlich in einer weißen Limousine am Standesamt eintrifft. Ihr Kleid pompös zu nennen wäre eine Untertreibung in Anbetracht der meterlangen Schleppe und den Tonnen von Pailletten, Strasssteinen und Perlen, mit denen der hochwertige Stoff in Handarbeit bestickt wurde.

Als Lounis sich umdrehen darf und sie endlich vor ihm steht, bricht er hemmungslos in Tränen aus. Er weint wie ein Baby und ist so gerührt vom Anblick seiner geliebten Verlobten, dass ich gleich mitweinen muss.

Ich kann mir nur vorstellen, wie schwer und steinig der Weg der beiden bis hierhin war und Ilayda nun endlich wie in seinen kühnsten Träumen in einem Brautkleid vor sich zu sehen rührt ihn verständlicherweise zutiefst.

...

Es vergehen ganze sechs Stunden, bis wir nach standesamtlicher und islamischer Eheschließung endlich an den großen, runden Tischen im Festsaal sitzen und auf das Essen warten.

Der riesige Raum ist bis in die letzte Ecke geschmückt und dekoriert. Lounis' und Ilaydas Hochzeitsplanerin hat nichts dem Zufall überlassen. Weiße Stofftischdecken und weiße Stuhlhussen, prächtige, weiße Orchideen und Rosen. Unzählige Kerzen, reinweißes Licht und opulente Kronleuchter an der Decke. Alles glänzt und funkelt - so wie die Liebe der beiden.

Yara sitzt links neben mir, auf der anderen Seite Zayn, der uns beiden höflich Cola in unsere Gläser schüttet. Unsere Kernfamilie ist so groß, dass wir einen der Tische beinahe alleine füllen. Lediglich Azeem, der jüngere Bruder meines Vaters, seine Frau Yusra und unsere Cousins Nabil und Omar sitzen bei uns.

Ich kann die vier nicht besonders gut leiden. Auch wenn unser Onkel ganz witzig ist, kommen seine Söhne leider eher nach seiner Frau und die ist eine richtige Hexe.

Was Lounis sich dabei gedacht, die vier ausgerechnet zu uns zu setzen, erschließt sich mir nicht, aber ich bin gewillt, meinem Bruder zur Liebe gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Außerdem sitzt man auf arabischen Hochzeiten außer zum Essen eh kaum am Tisch.

Glückselig beobachte ich meinen Bruder und seine frisch Angetraute, während ich meinen leckeren Couscous esse. Das Menü besteht wahlweise aus Grillhähnchen oder Dorade, Couscous, Hummus, Fladenbrot und einer gemischten Gemüsebeilage. Die beiden schauen sich immer wieder verliebt an und können die Finger nicht voneinander lassen. Jede ihrer Poren strahlt pures Glück aus.

Trotzdem fällt mir unangenehm auf, dass Omar Yara immer wieder mustert, offensiv ins Gespräch mit einbezieht und ihr Komplimente macht. Interessanterweise bin ich nicht die Einzige, der das sauer aufstößt. Zayn versteift sich zusehends auf dem gepolsterten Stuhl und wirft unserem ungeliebten Cousin eisige Blicke zu, bis er nach dem Essen beinahe aufspringt und Yara und mich auffordert, mit zu Nael und seiner Familie zu kommen.

Ich werfe Yara einen hilflosen Blick zu, doch die scheint über diesen Ausweg, Omar zu entkommen, so dankbar zu sein, dass Nael das deutlich kleinere Übel darstellt.

"Das ist so ein Pisser", raunt Zayn und legt schützend seine Arme um uns beide. "Was müsst ihr euch auch so aufbrezeln, wenn diese ganzen Aasgeier hier rumrennen."

"Jo, weil das bestimmt unsere Schuld ist, wenn irgendwelche pubertären Schwachköpfe ihre Hormone nicht unter Kontrolle haben", schießt Yara ungewöhnlich scharf zurück. Zayn bedenkt sie mit einem giftigen Blick und schiebt sie weiter auf Nael zu.

"Ahlan Amma", begrüßt er Naels Mutter fröhlich und lächelt ihr zu.

"Hallo meine Lieben, habt ihr schon gegessen?", fragt sie fürsorglich. Wir bejahen. Zayn holt mit Naels Hilfe drei freie Stühle und stellt sie im Halbkreis zu der Familie Jaziri.

"Wie geht es euch? Wie läuft es in der Schule? Nael erzählt mir ja nie was", meckert sie und bedenkt ihren jüngeren Sohn mit einem tadelnden Blick.

"Es geht", antworte ich lächend. "Dein Sohn ist auf jeden Fall ein besserer Schüler als ich", gebe ich zu.

Seine Mutter winkt grinsend ab. Nael legt den Kopf schief und schaut sie beleidigt an. "Warum ist Shalia überzeugter von mir als du, Mama?"

Ich spüre, dass Faizals dunkle Augen mich neugierig beobachten, doch ich ignoriere das und zeige keine Regung.

Wafaa lacht auf. "Na ja, ein bisschen extra Motivation hat noch niemandem geschadet. Wenn ich ihn mal schreiben sehe, ist es meistens irgendein neuer Songtext."

Ich schüttele den Kopf. "Nael ist wirklich sehr strebsam. Und Zayn schlägt sich auch tapfer."

Wie auf Kommando fällt mein Bruder neben mich auf den freien Stuhl.

"Und bei dir, Habibi? Wie läuft dein Fußball?", erkundigt Wafaa sich interessiert.

"Ganz gut, Amma. Ich habe das Spiel diese Woche ausfallen lassen, aber nächsten Samstag stehe ich wieder auf dem Platz. Kommt doch mal wieder zuschauen. Ihr wart lange nicht mehr bei einem Spiel von mir. Sagt Nael einfach Bescheid, dann gebe ich euch Karten", plaudert er euphorisch drauf los.

Man kann über Zayn sagen, was man will, aber er ist mit Abstand der Beste von uns allen, wenn es darum geht, Smalltalk zu führen.

Wobei Wafaa, Naels Mutter, es ihm auch leicht macht. Sie ist eine herzliche Frau, in deren Nähe man sich gleich wohlfühlt. So sehr, dass ich sogar meine Anspannung darüber vergesse, dass sie unwissernderweise immer noch die Mutter meines Freundes ist.

"Sehr gerne, mein Junge." Sie dreht sich zu ihrem Mann, der gerade in ein Gespräch mit einem anderen Hochzeitsgast vertieft ist. "Issa, haben wir nächstes Wochenende etwas vor? Zayn hat uns zu seinem Spiel am Samstag eingeladen", flötet sie freudig.

Der gutaussehende Mann mit den graumelierten Haaren legt den Kopf kurz schief und überlegt kurz, bevor er zustimmt.

"Das freut mich", erklärt Zayn ehrlich. "Ich gebe Nael die Karten in der Schule."

Plötzlich kommt Lamiya in ihrem hübschen Kleidchen angelaufen, greift nach meiner Hand und zerrt daran. "Shalia, komm schnell mit, ich möchte dir was zeigen", ruft sie aufgeregt.

Ich werfe Yara einen fragenden Blick zu, doch die nickt verständnisvoll. "Ich bin sofort wieder da", entschuldige ich mich und folge Lamiya quer durch den Saal. Was sie mir unbedingt zeigen will, ist nichts geringeres als die vierstöckige Hochzeitstorte, die gerade in der angeschlossenen Küche vorbereitet wird und die die kleine Gaunerin durch eine Glasscheibe in der Tür erspäht hat.

"Die ist wirklich wunderschön. Ich bin gespannt, ob die auch so lecker ist, wie sie aussieht", lächele ich sie an. Dann greife ich wieder nach ihrer kleinen Hand. "Kommst du mit zurück zu Nael? Er wollte später auch noch mit dir tanzen, hat er mir gesagt."

Ihre kleinen Augen funkeln vorfreudig. "Dann will ich ihm den Gefallen tun", antwortet sie großzügig und bringt mich damit zum Lachen. "Aber erstmal spiele ich noch ein bisschen mit Dunya", verkündet sie und läuft urplötzlich davon. Man muss halt Prioritäten setzten. Sister before Mister und so.

Also laufe ich allein zurück an den Tisch, doch stelle überrascht fest, dass Nael und seine Mutter alleine da sitzen. Fragend sehe ich ihn, während ich mich zwischen die beiden setze.

"Zayn und Yara sind kurz raus, frische Luft schnappen", erklärt er und zwinkert mir zu. Meine Freundin will nach dem Essen unentdeckt eine rauchen, schon klar.

"Die Hochzeit ist wirklich schön, maschallah", schwärmt Wafaa und lächelt mich herzlich an. "Lounis hat sich wirklich eine tolle Braut ausgesucht. Inschallah, machen meine Söhne mich auch mal zu einer so glücklichen Schwiegermutter."

"Ganz bestimmt", antwortet Nael und zwinkert mir heimlich zu.

"Du kannst ja einfach Shalia heiraten, dann hat die Hälfte meiner Söhne schon mal eine gute Wahl getroffen", schlägt sie vor und stupst ihren Sohn grinsend an. Seine Wangen röten sich leicht und er lächelt verlegen.

"Gar keine schlechte Idee", antwortet er und mein Herz schlägt ein bisschen höher.

"Ich glaube, ich brauche auch frische Luft", beschließe ich, um mich aus der unangenehmen Situation zu retten und stehe genauso schnell wieder auf, wie ich gekommen bin.

"Ich begleite dich", erklärt Nael und folgt mir.

Der Weg nach draußen ist kurz, doch Nael nutzt jeden einzelnen Meter, um mich mit Komplimenten zu überhäufen.

"Du bist wunderschön", raunt er mir zu und die kleinen Haare in meinem Nacken stellen sich auf. "Du siehst sogar noch schöner aus als gestern und ich wünschte, ich wäre jetzt mit dir alleine", wispert er weiter, so leise, dass nur ich ihn hören kann. Seine Hand ruht an meiner Taille und er geleitet mich durch die vielen Menschen.

"Khallas, Nael", kichere ich, da höre ich plötzlich eine mir vertraute Stimme rufen: "Willst du mich verarschen?"

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Meine Lieben,

Was sagt ihr zu Naels Reaktion am Standesamt?

Ist seine Mutter nicht zauberhaft?

Und wer oder schreit am Ende? Was ist da wohl los?

Alles Liebe,
A.

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