《• 14 •》
Der Rest des Schultages vergeht und schon eilen Yara, Zayn und ich nachhause. In Windeseile machen wir uns die Haare, legen ein wenig Make-up auf und schlüpfen in unsere Outfits. Yara entscheidet sich für einen Zweiteiler bestehend aus einer schwarzen Stoffhose und der passenden Bluse, die sie offen über einem Top trägt. Ihre blonden Haaren drehen wir zu Wellen auf, die ihrem hübschen Gesicht schmeicheln.
Ich trage mein dunkelrotes Kleid, das lange Ärmel und eine enganliegende Corsage hat und nach unten hinten fließend breiter wird. Es ist aus einem schönen burgundfarbenen Satin und schmeichelt meinem schlanken Körper. Meine wilden Locken habe ich mit Yaras Hilfe hochgesteckt und meine mandelförmigen Augen mit Eyeliner betont.
"Shalia, kommt ihr? Wir wollen los", ruft meine Mutter hektisch. Ich werfe einen letzten prüfenden Blick in den Spiegel und nicke Yara wohlwollend zu.
Als wir aus meinem Kinderzimmer auf den Flur treten, hält meine Mutter inne und klatscht verzückt in die Hände. "Banati al-jameelat!", ruft sie. "Meine schönen Töchter", fügt sie lächelnd hinzu, damit auch meine beste Freundin sie versteht. Wir strahlen beide von einem Ohr bis zum anderen.
"Ihr seht wunderschön aus", lächelt sie und drückt erst mir und dann Yara einen Kuss auf die Wange. Bereits im Kindergarten war das hellblonde Mädchen mit den strahlend blauen Augen, die optisch so völlig den Kontrast zu mir bildet, meine beste Freundin und nach all den Jahren unserer Freundschaft ist sie fest in unsere Familie integriert.
Ihr eigenes Elternhaus war und ist oft schwierig und so war sie immer froh, Zuflucht in unseren bedeutend liebevolleren vier Wänden zu finden. Meine Eltern haben sie stets mit offenen Armen empfangen und nie einen Unterschied zwischen uns gemacht. Sie ist mit uns zu Ausflügen gefahren, kam zu jedem Geburtstag und sogar schon zwei Mal mit uns in den Libanon, wenn wir dort im Sommer unsere Familie besucht haben.
Sie ist wie meine Schwester, auch wenn nicht dasselbe Blut durch unsere Adern fließt.
Mein Vater fährt uns zum Festsaal und hilft, die ganzen Sachen auszuladen. Ilayda und ein Teil ihrer Familie sind bereits damit beschäftigt, den Saal mit zahlreichen Tüchern und Kerzen zu dekorieren.
Die Braut meines Bruder sieht fabelhaft aus. Sie trägt ein rotes Kleid mit goldenen Applikationen und einen opulenten Schleier, der ihr im Verlauf des Abends für die Zeremonie über den Kopf gelegt wird. Sie ist eine hübsche Frau mit seidigglatten schwarzen Haaren und funkelnden braunen Augen und ich freue mich für meinen Bruder, dass es nun endlich so weit ist, dass er seine große Liebe endlich heiraten wird.
Wir helfen den anderen Frauen beim Aufbau und Dekorieren, während Lamiya in ihrem kleinen roten Kleid alle verzückt und unterhält.
Die Zeit vergeht wie im Flug und bevor wir es wissen, ist der Henna-Abend in vollem Gange. Die Gäste trudeln nach und nach ein, die Musik spielt und alle sind voller Freude und Feierlaune. Wir tanzen und lachen gemeinsam und essen zwischendurch immer wieder von den diversen Köstlichkeiten, die auf einem langen Tisch zu einem Buffet aufgebaut sind.
Die Sonne steht mittlerweile tief am Himmel und die Atmosphäre auf dem Henna-Abend wird immer ausgelassener. Die Musik wird lauter, und die Tanzfläche füllt sich immer mehr, während die Gäste fröhlich miteinander feiern. Yara und ich finden uns inmitten einer Gruppe von jungen Frauen wieder, die sich angeregt unterhalten und lachen.
"Yara, Shalia, kommt, wir machen ein paar lustige Fotos", ruft Aylin, eine von Ilaydas engsten Freundinnen, die jetzt auch als Fotografin agiert und eine Kamera in der Hand hält.
Wir folgen ihr zu einer Ecke des Saales, die für Fotos vorbereitet wurde. Es gibt verschiedene Requisiten und Hintergründe, die die Bilder bunt und festlich gestalten sollen. Wir posieren grinsend mit einem Schild "Ilaydas Henna-Abend" und einem großen Pappherz, während Aylin ein Foto nach dem anderen schießt.
"Jetzt ein Foto mit der Braut!" ruft eine junge Frau und Ilayda gesellt sich zu uns. Wir nehmen sie in unsere Mitte und drücken uns eng an sie, während Aylin das Bild macht.
"Es wird Zeit für das Henna" verkündet Ilaydas Mutter wenig später und alle versammeln sich um sie um der emotionalen Zeremonie beizuwohnen, die nun folgt. Ilayda wird das Henna auf die Hand gemalt, begleitet von traditionellen türkischen Gesängen, die nicht nur bei der zukünftigen Braut einige Tränen auslösen.
Währenddessen bemerke ich, wie Yara ihren Blick über die Gäste schweifen lässt. Ihr Gesichtsausdruck verrät, dass auch sie gerührt ist. Keine Spur mehr von der Unsicherheit, die sie noch heute Morgen benannt hat.
"Alles in Ordnung?", flüstere ich ihr zu. Sie schenkt mir ein Lächeln. "Ja, es ist einfach nur wunderschön."
Erst, als ich mich in einem ruhigeren Momemt von der Party-Gesellschaft abseile um auf die Toilette zu gehen, komme ich dazu, endlich mal auf mein Handy zu sehen.
"Wo bleibt das Update? Kein hinreißendes Foto von dir in deinem Kleid? 🫤", hat Nael mir bereits vor zwei Stunden geschrieben. Schmunzelnd wähle ich eins der vielen Bilder aus meiner Galerie aus, die Yara von mir geknipst hat. Wenn ich mich schon mal so herausgeputzt habe, muss das schließlich auch bildlich festgehalten werden.
Ich schicke ein besonders süßes Foto an Nael. "Bitte sehr 🙃 Wie ist euer Abend? Alles gut?"
Zum Glück kommt er sofort online und antwortet mir. "Ja, wir haben eine großartige Zeit. Lounis genießt es total."
Direkt hinterher kommt eine zweite Nachricht. "Ana mo'gib biki, shamsi. Jamalik la yusaf. Afariq nazri 'anki."
Mein Herz schlägt höher. "Ich bin von dir beeindruckt, meine Sonne. Deine Schönheit ist unbeschreiblich. Ich kann meinen Blick nicht von dir abwenden." Ich schlucke hart und blinzele schnell in das helle Licht der Neonröhre, die an der Decke des Badezimmers installiert ist, um die Tränen zu vertreiben, die meine Augen vor Rührung füllen.
"Shukran ya azizi ♡", bedanke ich mich. Es ist das erste Mal, dass ich ihn bewusst mit einem Kosenamen anspreche. Er nutzt sie täglich, doch ich bin deutlich verhaltener damit.
"Das klingt super. Ich hoffe, sie benehmen sich alle gut und machen keine Dummheiten", schicke ich hinterher.
"Keine Sorge, wir passen aufeinander auf. Aber ich vermisse dich hier. Es wäre schöner, wenn du auch dabei wärst"
"Ich vermisse dich auch. Aber der Henna-Abend ist toll, und ich freue mich darauf, dich morgen bei der Hochzeit zu sehen."
"Also habt ihr auch Spaß?"
"Und wie. Die Musik ist super und Lamiya tanzt zuckersüß wie eine kleine Prinzessin. Yara und ich versuchen mitzuhalten, aber keine Chance."
"Haha, das kann ich mir gut vorstellen. Sag Lamiya, dass ich sie morgen auch zum Tanzen auffordere. Sie soll sich ihre Kräfte gut einteilen 🤭"
"Mache ich", antworte ich schmunzelnd. "Ich muss wieder zurück. Ich melde mich bei dir, wenn ich zuhause bin."
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht kehre ich zu Yara zurück, die meine kleine Schwester an beiden Händen hält und mit ihr über die Tanzfläche wirbelt.
Die Stunden vergehen wie im Flug und die Stimmung bleibt ausgelassen und fröhlich.
Als Lounis dann für die Henna-Prozedur zu uns stößt und mit den Tränen kämpft, als er Ilayda in ihrem prachtvollen, traditionellen Kleid erblickt, brechen bei mir alle Dämme und die Tränen laufen mir über die Wangen. Der Stolz und die Liebe in seinem Blick, als er realisiert, dass sie es geschafft haben, lassen sich nicht in Worte fassen.
Während der gesamten Zeremonie fließen viele Tränen und es dauert eine Weile bis die emotionale Stimmung danach wieder lockerer wird.
Als die Sonne langsam untergeht, beginnen die Lichter zu leuchten und die Feier geht in die Nacht über. Die Musik wird noch lauter und die Tanzfläche wird zum Epizentrum der Feierlichkeiten.
Yara und ich lassen unsere Hände und Unterarme mit kunstvollen Blumen und Ornamenten aus Henna bemalen. Es ist Teil des Brauches, dass die Gäste sich ebenfalls die Hände bemalen, um von dem Glück der Braut etwas abzubekommen.
Der Rest der Nacht vergeht wie im Rausch. Wir tanzen und lachen und ich spüre die Freude und den Stolz in mir, Lounis bei diesem besonderen Anlass zu begleiten. Die Hochzeit ist nur noch wenige Stunden entfernt, und ich kann es kaum erwarten, die Feierlichkeiten fortzusetzen und meinen Bruder und seine zukünftige Frau glücklich zu sehen.
Um zwei Uhr nachts kann ich nicht mehr. Meine Füße schmerzen und ich bin müde und erschöpft, schließlich bin ich beinahe seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Umso dankbarer bin ich darüber, dass sich die Feier langsam auflöst und auch die letzten Gäste den Heimweg antreten.
Wir räumen mit Ilaydas engsten Vertrauten noch den Saal auf, bevor mein Papa uns abholt und nachhause bringt. Noch bevor wir an der ersten Ampel anhalten, ist Lamiya eingeschlafen und mit ihrem kleinen Kopf auf Yaras Schoß gesunken.
"Wie sieht denn unser Garten aus?", fragt meine Mutter meinen Vater mit einem seligen Grinsen auf dem Gesicht. Einmal mehr wird mir bewusst, was für ein Glück wir mit unseren Eltern haben. Auch wenn vor allem unser Vater sehr traditionell geprägt ist und es Regeln gibt, an die wir alle uns zu halten haben, sind die beiden immer fair und nicht unnötig streng. Sie lassen uns unsere eigenen Erfahrungen machen, bemühen sich zumindest, modern und liberal zu leben und immer darauf zu achten, dass wir glücklich sind.
"Keine Sorge, Malika, die Jungs haben sich alle gut benommen. Lounis wird gleich den Rest mit seinen Brüdern aufräumen", beschließt er in einem Ton, der keine Widerrede zulässt.
Unser älterer Bruder, der in dem geräumigen Familien-Van in seinem schicken Anzug und dunkelroter Krawatte vor uns sitzt, brummt irgendwas, doch mein Vater ignoriert ihn.
"Sind denn alle weg oder haben wir noch Gäste?", hakt Mama nach und richtet in dem kleinen Spiegel der Sonnenblende ihr seidiges Kopftuch.
"Zwei Freunde von Lounis waren eben noch da und Faizal und Nael."
Mein Herz schlägt höher, als Baba seinen Namen nennt. Ich werfe Yara einen schnellen Seitenblick zu und nehme das zarte Schmunzeln war, das auf ihrem hübschen Gesicht liegt.
"Yara, soll ich dich nachhause bringen oder bleibst du heute Nacht bei uns?", wendet er sich stattdessen an meine Freundin.
"Ich bleibe über Nacht, wenn das okay ist", antwortet sie höflich.
"Ich hoffe, das ist ein Scherz", erwidert meine Mutter streng und dreht sich zu ihr herum. "Du bist jederzeit herzlich willkommen bei uns."
Das Lächeln meiner Freundin strahlt durch die Dunkelheit. "Danke, ich weiß das wirklich sehr zu schätzen."
Wenig später parkt mein Vater den Wagen auf einem Parkplatz unweit unseres Mehrfamilienhauses.
Aus dem Gemeinschaftsgarten hinter dem grauen Gebäude dringen leise Musik und einige vertraute Stimmen.
Papa schnappt Lamiya aus ihrem Kindersitz und trägt das tief und fest schlafende Mädchen nach oben, während wir anderen das Haus umrunden und auf den weißen Pavillon zusteuern.
"Masa al khayr", begrüßt meine Mutter die jungen Männer freundlich. Fünf schwarzhaarige Köpfe drehen sich zu uns. Neben Zayn und Kinan, Faiz und Nael ist nur noch Lounis' bester Freund und Trauzeuge Sami da. Wer auch immer der zweite Freund war, ist wohl in der Zwischenzeit nachhause verschwunden.
Die Männer begrüßen uns höflich und Naels Augen leuchten in der Dunkelheit, als er mich kurz umarmt. Ich spüre seine Blicke auf mir, so liebevoll und ehrfürchtig, dass eine Gänsehaut meinen gesamten Körper überzieht.
Faizal, der mich danach umarmt, bedenkt mich mit einem undurchsichtigen Blick. Noch immer ist es mir wahnsinnig unangenehm, dass er weiß, was zwischen Nael und mir läuft und der tadelnde Ausdruck in seinen Augen lässt mich das auch nie vergessen.
"Sieh an, du hast es überlebt", feixt Zayn und legt seinen Arm freundschaftlich um Yara. "Können wir denn morgen noch erhobenen Hauptes zur Hochzeit oder hast du uns alle vor unserer neuen Familie blamiert?"
"Zayn, ayip", schimpft meine Mutter unverzüglich über sein unhöfliches Verhalten, doch der winkt nur grinsend ab.
"Keine Sorge, das schaffst du morgen ganz alleine", raunt sie ihm so leise zu, dass niemand sonst es hört und entlockt mir damit ein schadenfrohes Lachen. Ich werfe ihr einen Luftkuss für diese schlagfertige Retourkutsche zu und lasse meinen Blick durch den dunklen Garten schweifen.
"Da habt ihr aber schon gut vorgearbeitet", stelle ich beeindruckt fest. Wenn ich nicht wüsste, dass die Jungs hier im Garten gefeiert haben, würde es mir nicht auffallen.
"Wir haben schon mal das Gröbste weggeräumt, als Lounis abgehauen ist", antwortet Nael mit sanfter Stimme.
"Danke mein Sohn", lächelt meine Mutter herzlich und ein warmes Gefühl durchströmt meinen Körper. Sie kennt ihn wie Yara seit dem Kindergarten und genau wie sie gehört auch Nael zu unserer Familie.
Nael legt eine Hand auf seine Brust und neigt seinen Kopf. Dann wendet er sich seinem älteren Bruder zu. "Lass uns langsam nachhause fahren, oder?" Faiz nickt zustimmend.
Es ist offensichtlich, wieso er bis jetzt geblieben ist. Er wollte mich noch sehen. Auch Faizal scheint das zu wissen, denn er wirft mir wieder einen kurzen Seitenblick zu. "Soll ich dich nachhause bringen?", fragt er dann Sami, der dankbar zustimmt.
Wir alle verabschieden uns noch voneinander, räumen gemeinschaftlich die letzten Reste weg und machen uns Bettfertig, bis wir eine halbe Stunde später endlich totmüde in die Kissen sinken.
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Meine Lieben,
Das klingt doch nach einem gelungenen, Abend oder nicht?
Schön, wie Yara in die Familie integriert ist. Kennt ihr es auch, wenn Freunde zur Familie werden?
Alles Liebe,
A.
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