《• 12 •》
"As-salamu alaikum, Mama", begrüße ich sie mit einem Kuss auf die Wange und nehme dann meine kleine Schwester auf den Arm, die freudig angerannt kommt.
"Wa aleikum assalam, Shalia", begrüßt meine Mutter mich selig lächelnd, während sie frisch gebackenes, herrlich duftendes Baklava mit Zuckersirup übergießt.
"Was soll ich tun? Womit kann ich dir helfen?", erkundige ich mich und setze Lamiya vorsichtig wieder auf den Boden, nachdem ich sie ausgiebig geknuddelt habe.
"Kannst du die Sachen für morgen und fürs Wochenende bügeln? Die Anzüge und Hemden von den Jungs und Papa und Lamis Kleider?"
"Klar, kein Problem", stimme ich zu.
"Und kannst du Lamiya bitte mitnehmen? Sie turnt hier die ganze Zeit herum und hat mir gerade beinahe den Topf vom Herd geschmissen."
Schuldbewusst schaut mich das kleine Mädchen aus ihren mandelförmigen, braunen Augen an. Ich nicke schmunzelnd.
"Wo ist denn der Rest?"
"Baba arbeitet noch, Zayn hat ein Spiel, Lounis wollte mit Ilayda noch irgendwas für morgen besorgen und Kinan.." Sie zuckt mit den Schultern.
"Kinan halt", nicke ich verstehend. Der Lockenkopf hat seine ganz eigene Art. Er macht sein eigenes Ding und ist viel unterwegs. Ich bin mir sicher, dass er sich auch häufig mit Mädchen trifft, aber das würde er nie offen zugeben.
"Na komm, Lamiya, ich brauche dringend deine Hilfe", fordere ich meine Schwester mit den vielen braunen Locken auf und ihr Gesicht erhellt sich.
"Zuerst müssen wir die ganzen Sachen zusammensuchen", erkläre ich ihr und laufe mit ihr in den Flur.
"Mama hat Babas Anzüge an den Kleiderschrank gehangen", erklärt die Fünfjährige wissend.
Unser Vater arbeitet im libanesischen Konsulat, weshalb sein halber Kleiderschrank mit Anzügen und Hemden gefüllt ist und ich mich äußerst schwer getan hätte, die richtigen Stücke herauszusuchen.
"Sehr gut. Bei Mama und Baba im Schlafzimmer steht auch das Bügelbrett. Dann brauchen wir nur noch die ganzen Anziehsachen zu holen. Ich kümmere mich um Kinan, Lounis und Zayn und du kannst deine Kleider holen, okay?"
Zufrieden nickt sie. "Hast du die eigentlich schon gesehen, Shalia?", fragt sie aufgeregt. Sie ist eine richtige Prinzessin, liebt schöne Kleider, glitzernden Haarschmuck und bunten Nagellack.
Ich schüttele den Kopf. "Nein, aber die zeigst du mir jetzt."
Sie eilt mit schnellen Schritten in ihr Zimmer und ich hole die Anzüge und Hemden aus den Zimmern meiner Brüder.
Als Lamiya und ich uns kurz darauf im Schlafzimmer unserer Eltern wiedertreffen, steht sie stolz mit drei Kleidern vor mir. Eins ist hellrosa, eins hellblau und das für den Henna-Abend dunkelrot. Alle Kleider haben ausladende Tüllrocke und sind mit Spitze, 3D-Blüten, goldenen Applikationen oder Strasssteinen besetzt.
"Wow Lamiya, da wirst du ja das schönste Mädchen des Abends sein", lobe ich die Kleine lächelnd.
Sie überlegt kurz und legt ihren kleinen Kopf schief. "Nein, das will ich nicht. Dann ist Ilayda hinterher traurig. Sie soll doch das schönste Mädchen auf ihrer Hochzeit sein."
"Ach", stöhne ich leise und kneife ihr sanft in die Wange. "Du bist so süß, Maus. Ich glaube Ilayda freut sich, wenn du dich für sie so wunderschön zurecht machst."
"Du machst das ja auch, nicht wahr?", fragt sie weiter, während ich das Bügelbrett aufklappe.
"Na klar. Wir wollen ja alle, dass Lounis eine richtig schöne Hochzeit hat, an die er sich immer gerne erinnert und dazu gehört auch, dass wir alle schick aussehen", erkläre ich geduldig.
"Aber ich bin schon ein bisschen traurig, dass Lounis heiratet und auszieht", sagt sie leise.
Ich gehe in die Knie. "Das kann ich verstehen, mir wird er auch fehlen. Aber ich freue mich auch, wenn er mit Ilayda glücklich ist und die beiden hoffentlich ganz viele süße kleine Babies bekommen. Und du hast ja noch Zayn, Kinan und mich."
"Hoffentlich heiratet ihr nicht auch", wirft sie ein und zieht ihre kleinen Lippen zu einem zuckersüßen Schmollmund.
Ich lache und beginne eins der vielen weißen Hemden zu bügeln. "Irgendwann werden wir sicherlich auch heiraten."
Ihr Gesicht wird traurig. "Dann bin ich ja ganz alleine mit Mama und Baba."
"Irgendwann, wenn du erwachsen bist, wirst du auch heiraten und ausziehen", gebe ich zu bedenken.
"Ich weiß nicht. Ich finde Jungs ganz schön anstrengend."
Ich breche in schallendes Gelächter aus. Als ich es langsam schaffe, mich wieder zu beruhigen, antworte ich: "Das wird sich irgendwann ändern. Irgendwann, wenn du alt genug bist, kommt ein Junge, der anders ist als alle anderen und auch nicht so anstrengend. In den wirst du dich richtig doll verlieben und der sich auch in dich und dann heiratet ihr."
"Ich glaube nicht", kommt es da plötzlich ernst von der Zimmertür und Zayn kommt mit nassen Haaren und im Trainingsanzug seines Fußballvereins herein.
"Du darfst nämlich nicht heiraten. Du musst für immer bei mir bleiben", erklärt Zayn ernst und lässt sich auf das weiche Ehebett unserer Eltern fallen. Lamiya tritt an den Bettrand und umarmt ihn freudig.
"Aber du willst doch auch irgendwann heiraten", gibt die Kleine dann zu bedenken. Das Thema scheint sie sehr zu beschäftigen.
Zayn lacht verbittert und geht vor ihr in die Knie. "Keine Sorge, Lami, mich will eh niemand."
Was sind das denn für Töne? Hat der Gute etwa Liebeskummer?
Lamiya schüttelt überzeugt den Kopf. "Das glaube ich nicht, Zayn. Du bist schön und nett und du spielst gut Fußball."
Ich stelle das Bügeleisen ab und beobachte Zayn amüsiert. Die Schmeicheleien unserer Schwester scheinen ihm runterzugehen wie Öl.
"Dich will bestimmt jemand heiraten - und wenn nicht, heirate ich dich", bietet sie großmütig an.
Er grinst. "Das geht nicht, Albi. Man kann seine Geschwister nicht heiraten."
"Schade", verkündet sie leise und denkt wieder nach. "Dann kannst du Shalia ja auch nicht heiraten.. Aber was ist denn mit Yara?"
Zayns Gesicht friert kurz ein, dann räuspert er sich. "Wie kommst du denn auf Yara?"
"Na, ist doch ganz einfach: Lounis kennt Ilayda aus der Schule und du kennst Yara auch aus der Schule. Und Yara ist auch richtig schön, genauso wie du."
Absolut logisch.
Zayn wirft mir kurz einen Seitenblick zu, den ich nicht ganz deuten kann, bevor er schwerfällig vom Bett aufsteht. "Lieb von dir, dass du dich um mich sorgst, Süße, aber das geht auch nicht. Yara ist Shalias beste Freundin und sie ist für mich wie eine Schwester. Schließlich kann Shalia ja auch nicht Nael heiraten."
Er läuft an mir vorbei und schenkt mir einen so tiefen Blick, dass mir das Blut in den Adern gefriert.
"Schade, ich fänd das super. Ich mag Nael und Yara nämlich", ruft sie ihm enttäuscht hinterher.
...
Zwei Stunden später riecht die ganze Wohnung wie eine seltsame Mischung aus Reinigung und Bäckerei. Die gesamte Kleidung ist gebügelt, Mama hat zentnerweise Gebäck für schätzungsweise fünfhundert Menschen gebacken und Lamiya und ich sitzen zum Abendessen am Esstisch.
"Ich hole Zayn auch", verkündet sie strahlend und in dieser kurzen Pause komme ich zum ersten Mal dazu mein Handy zu checken, seitdem ich nachhause gekommen bin.
"Du hast dich gar nicht mehr gemeldet. Alles okay bei dir, mein Engel?"
Augenblicklich erhellt sich mein Gesicht und ein warmes Kribbeln erfüllt meinen Bauch. "Sorry, ich war mit Lamiya beschäftigt und habe zwei Stunden gebügelt 🙄 Sitze gerade beim Abendessen. Was hast du die ganze Zeit gemacht? Hast du nochmal mit Faiz geredet?"
Als Zayn mit Lamiya das Esszimmer betritt, schiebe ich mein Handy verstohlen zurück in meine Hosentasche.
Wir essen gemeinsam und ich räume noch den Tisch ab, bevor ich mich abschminke, Jeans und T-Shirt gegen einen bequemen Pyjama eintausche und erschöpft ins Bett falle.
Ich will gerade Naels neue Nachricht lesen und mich bei Yara melden, da klopft es an meiner Zimmertür.
"Ich bin auch müde", seufzt meine Mutter und setzt sich auf die Bettkante. Ihr Kopftuch ist genau wie ihr dunkelblauer Hausanzug aus Samt mit Mehl bestäubt.
Sie greift liebevoll nach meiner Hand. "Danke dir für deine Hilfe, Liebes. Du hast mir einiges an Arbeit abgenommen."
Als sie meine Hand ein wenig zu sich zieht und sie liebevoll drückt, rutscht mein neues Armband aus dem Ärmel meines Langarmshirts hervor.
Sie dreht mein Handgelenk hin und her und betrachtet das goldene Armkettchen aufmerksam.
"Ist das neu?", fragt sie und streicht mit ihrem Finger über die Strasssteine. Ich nicke verstohlen.
"Das ist aber schön. Wo hast du es her?"
Mein Mund wird trocken und meine Finger beginnen zu schwitzen.
"Ich habe es letztens mit Yara in der Stadt gekauft, bei einem dieser arabischen Juweliere", lüge ich.
Sie nickt verstehend. Ich bin mir nicht sicher, ob sie mir das glaubt, vermutlich ist sie einfach zu müde, um weiter nachzuhaken.
"Wirklich schön", wiederholt sie nochmal und lässt dann meine Hand los. "Ich werde jetzt auch ins Bett gehen. Morgen wird ein langer Tag. Komm nach der Schule direkt nachhause, ja? Wir wollen um 16 Uhr los, Papa hat sich extra freigenommen."
"Mache ich", antworte ich brav und drücke ihr einen Kuss auf die Wange. "Schlaf gut." "Du auch."
Als sie die Tür hinter sich zugezogen hat, widme ich mich endlich wieder Nael.
"Ja, Faiz hat mich natürlich nochmal ins Gebet genommen. Er hat gesagt, dass er von einer Beziehung zwischen uns nichts hält und dass wir beide mehr als nur uns verlieren, wenn das schief geht. Ich hab ihm versichert, dass wir das sehr wohl wissen und deshalb selbst gehadert haben, aber dass wir an unsere Beziehung glauben und das Risiko deshalb eingehen. Jetzt ist er mit unserer Mutter unterwegs und ich liege im Bett und schaue meine Serie weiter. Was machst du denn, Shamsi? Bist du immer noch am bügeln?"
Ein wenig enttäuscht es mich, das zu hören. Mir war klar, dass Faiz keine Freudensprünge machen wird, aber er hat im Grunde dieselben Argumente wie Zayn hervorgebracht, und immer wieder zu hören, dass wir sowieso keine Chance haben und dass alle davon ausgehen, dass wir uns sowieso trennen werden, dass niemand an unsere Beziehung glaubt - das alles macht mich wahnsinnig traurig.
"Nein, ich liege im Bett und denke nach", antworte ich wahrheitsgemäß.
"Bin zuhause, aber habe den ganzen Abend meiner Mum geholfen & mich deshalb noch nicht gemeldet. Freu dich auf morgen früh, es gibt eine Menge zu erzählen! Schlaf gut ❤", tippe ich danach an meine beste Freundin.
Es ist nicht meine Art, auf geheimnisvoll zu tun und Yara heiß zu machen, um neugierige Nachfragen zu generieren, aber ich bin einfach zu erschöpft von diesem Tag, um jetzt noch ein Gespräch mit ihr zu führen - physisch, aber vor allem emotional.
"Worüber denkst du nach, mein Engel?"
Ich seufze lautlos und tippe ungefiltert in mein Handy, was ich denke.
"Es verletzt mich einfach, dass niemand an uns glaubt. Alle gehen von vornherein davon aus, dass das mit uns eh zum Scheitern verurteilt ist. Aber was, wenn es klappt? Was, wenn du einfach meine Bestimmung bist und ich deine? Wie auch immer, ich muss jetzt schlafen. Ich bin total k.o. Bis morgen. Schlaf gut, ich liebe dich."
"Ist doch egal, Shamsi. Let's proof them wrong 😊 Schlaf du auch gut, ich liebe dich, Albi."
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Meine Lieben,
Fandet ihr Zayns Reaktion auch so auffällig wie Shalia? Was könnte dahinter stecken?
Und würde es euch auch verletzen, wenn keiner an eure Beziehung glauben würde, oder hättet ihr wie Nael eher eine "Jetzt erstrecht"-Einstellung?
Alles Liebe,
A.
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