Armer Engel

Du bist so klein und machst dich groß,
dein Blut uns ganz zu geben.
Du machst dich klein, bist doch zu groß,
als dass so klein dein Leben.
Du bist so lieb, du bist so gut,
doch selten recht gesehen.
Du bist so schwach und gibst dein Blut,
so soll's nie weitergehen.
Du hältst dich tapfer, hältst dich hart,
allein: Die Kräfte schwinden.
Du hast für uns an dir gespart,
und drohst nun zu erblinden.
Du bist ein Opfer deiner Welt,
die deine Lieb verachtet,
im aufgespannten Leidenszelt
zum Fraße ausgeschlachtet.

Man ist als Mensch, der nehmen muss,
auf Engel angewiesen,
erlegt für neuen Überfluss,
gejagt in ihren Wiesen.
Wir brauchen Engel, wie du's bist,
ich sollte einer werden.
Ein Kindchen, das sich Füße küsst,
genannt wirst du auf Erden.
Wir wissen manchmal, was wir sind
und was wir da zerstören -
doch nennen dann nur dich das Kind,
wo wir's genannt gehören.
Wir wolln nur Blut und Lieb von dir,
missbrauchen dein Vertrauen -
so ist es manchmal auch bei mir -,
wir wollen dich verdauen.

Ich weiß nicht, ob wir alle blind,
ob zugedeckt die Augen.
Nun, heute, meine offen sind,
die Sündenspiegel saugen.
So langsam tritt es mir zutag:
Ich habe ein Gewissen.
Doch fühlen will ich keine Plag,
von dir geteilt, je müssen.
Wahrscheinlich sind wir alle so,
dass man sich sieht als besser –
dann fühlt man sich gewissensfroh
in deinem Blutgewässer.

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