Kapitel 9
Tristan stieß die Hände des Mädchens weg und schrie sie an. Er rannte davon, das Herz vor Trauer bleischwer. Er hatte seine Mutter schon einmal verloren, wieso musste es jetzt noch einmal geschehen??? Er hatte sich sein Leben lang vorgestellt, dass ein Wiedersehen mit seiner Mutter nur ein freudiges sein könnte und dass sie möglicherweise sogar wieder zusammen leben könnten; aber dieses Wiedersehen war ein völlig anderes gewesen.... Mit Tränen, mit Trauer, mit erneuter Trennung. Tristan warf sich zu Boden und weinte, seine Verzweiflung zerriss ihn fast.
Dann schwor er sich, dass derjenige, der dafür verantwortlich war, dass seine Mutter Sabrina nicht über die Grenze konnte, es noch bitter bereuen würde! Aber nicht jetzt, warnte ihn eine innere Stimme. Zuerst musst du dich um das Mädchen kümmern. Er erhob sich mühsam und kraftlos, er musste sie finden. Da entdeckte er sie, zusammen gekauert am Rande der Lichtung, das Gesicht in ihre zitternden Hände vergraben. Man hörte kein Geräusch, aber irgendwie wusste Tristan trotzdem, dass sie weinte. Er holte einmal tief Luft, dann trat er auf sie zu, setzte sich vorsichtig neben sie ins Gras. Ihm fielen keine Worte ein; was sollte er nur sagen? "Weißt du, es war nicht deine Schuld, dass Sabrina nicht mit mir zusammen leben kann - im Moment zumindest. Es tut mir echt leid, dass ich dich angebrüllt habe, obwohl du mich trösten wolltest. Trauer macht blind, ich meinte es wirklich nicht böse."
Schweigen. Sie erhob das tränennasse Gesicht und blickte Tristan an. Ihre Augen funkelten, sie erhob sich, verschwand ins Dickicht und ließ Tristan allein zurück. Er sprang auf und folgte ihr. "Warte!" Sie drehte sich nach ihm um; ohne ein Wort blickte sie ihm ins Gesicht. Zorn vermischt mit Trauer glänzte ihn ihren Augen auf.
" Ich.... Ich wollte dich nicht verletzen..." Das Mädchen blickte ihn eine Weile ruhig an, dann nickte sie langsam. Ein paar Minuten standen sie sich noch so gegenüber; so nah, dass ihre Nasen sich fast berührten. Dann sagte Tristan: "Lass uns jetzt in den Kampf ziehen; ich habe mich lang genug vor meinem Schicksal versteckt."
Tristan rannte durch den Wald, das Mädchen dicht neben ihm. "Vielleicht haben wir Glück und wir können sie überrumpeln. Ich will, dass jeder einzelne von ihnen bezahlen muss, dieses Volk bringt nichts als Schatten, Dunkelheit und Verdammnis über jeden Ort. Aber es wird alles andere als leicht sein. Wir sind nur zu zweit - und die zu Hunderten, wenn nicht sogar zu Tausenden.... Aber es nicht zu versuchen - das würde ich mir nicht verzeihen...." Das Mädchen nickte wieder und berührte ihn sanft am Arm, gemeinsam gruben sie sich weiter durch das Brombeergebüsch, die Dornen rissen an Ihren Sachen, zerkratzten ihre Haut. Nach einer unendlich lang erscheinenden Zeit kamen sie keuchend zum Stehen. Sie waren da, standen direkt vor dem schwarzen Schloss.... Raben saßen auf den Treppenstufen und guckten sie aus ihren winzigen schwarzen Augen neugierig an. Zwei Wachen standen am Eingang und unterhielten sich flüsternd. Sie sind mit daran Schuld, dass Sabrina nicht zurück zu mir kommen kann! Zorn loderte in Tristan auf, er hätte sich am liebsten auf sie gestürzt, hielt sich aber zurück. Denn wenn sie wirklich das ganze Volk vernichten wollten, mussten sie überlegt handeln und sollten sich auf keinen Fall einfach so blindlinks in den Kampf stürzen. "Bringt ihn raus!" befahl einer der Wächter und der andere öffnete das gewaltige Tor. Weitere Männer traten aus dem Tor heraus und stießen einen Mann vor sich her. "Und falls....." drohte gerade einer der Wächter dem Mann, "...falls du irgendwann auch nur ein Wörtchen irgendwem erzählst, bist du so gut wie tot!" Der Mann nickte nur angstvoll und stolperte davon. Einer der Wächter lachte und sagte: "Gut, jetzt schließt das Tor wieder." Die gewaltigen Türflügel schlossen sich langsam. "Wer wohl dieser Mann ist...?" sagte Tristan und drehte den Kopf zu Seite, doch das Mädchen war nicht da. Zuerst erfasste Tristan Panik - was, wenn das düstere Volk das Mädchen wieder gefunden hatten? Sie brauchten doch einen Plan! Doch dann beruhigte er sich. Sie hatte vor ein paar Minuten noch neben ihm gestanden, also konnte sie nicht weit weg sein! Er schaute angestrengt in die Dunkelheit und entdeckte die schwachen Umrisse zweier Gestalten. Tristan nahm allen Mut zusammen und ging auf die beiden zu; es war das Mädchen und neben ihr der Mann, der von den Wächtern heraus geführt worden war. Er sprach gerade aufgeregt mit ihr: ".... Oh Alona, ich bin ja so froh, dass dir nicht passiert ist!" Alona! Das war also ihr Name! Jetzt erst schien er Tristan zu bemerken. Er blickte von Alona zu Tristan. "Und wer ist das?" "Ich bin Tristan, und ich habe Alona vor den Wächtern gerettet. Und wer sind sie?" "Ich bin Alonas Vater. Mein Name ist Ludwig." Ludwig blickte Tristan an. "Du hast das Leben meiner Tochter gerettet, wie kann ich dir nur danken?" Tristan schüttelte den Kopf. "Ich brauche dringend Ihre Hilfe; wir müssen gegen diese Wesen kämpfen, wir brauchen Sie...." Ludwigs Augen weiteten sich vor Angst, er fuhr sich mit zitternden Fingern durch die Haare, blickte immer wieder zu Alona hinüber; doch schließlich nickte er. "Du bist ein mutiger junger Mann, ich stehe in deiner Schuld. Du kannst auf mich zählen - ich werde tun, was ich kann."
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