Kapitel 7

Tristan stapfte durch den Wald, er hörte die Vögel fröhlich singen, doch diesmal freute es ihn nicht. Wo war sie nur, wo? Er musste sie unbedingt finden! Er kam an einer Lichtung an. Es war eigentlich nichts besonderes an diesem Ort, aber trotzdem blieb er stehen. Denn er sah Fußspuren, viele, und dann einen winselnden Wolf. Ihm war sofort klar, was das bedeutete. Sie hatten sie gefunden,  es war alles umsonst gewesen, sie würde sterben. Nur wegen ihm! Er sank neben dem Wolf zu Boden. Alles ist meine Schuld! Alles! Sie wird sterben! Ich habe versagt!!!! Eine Weile lag er so da und brüllte sich selbst in Gedanken an. Dann fasst er einen Entschluss; er würde sie befreien! Er richtete sich auf. Eine Blutspur führte quer durch den Wald - zwar wusste er nicht, ob sie dem Mädchen gehörte, folgte ihr aber trotzdem. Er war besorgt, vielleicht hatten sie das Mädchen schwer verletzt. Also fing er an, dieser Spur zu folgen. Sie führte tatsächlich quer durch den Wald! Er entfernte sich weiter von seiner Hütte als ihm lieb war. Auch betrat er Pfade,  die er nicht kannte. Vielleicht wollten sie, das er kam, und hatten das Mädchen deswegen gefangen genommen? Möglich wäre es. Und damit haben sie mich, dachte er, denn natürlich würde er ihr helfen. Der Himmel wurde dunkler und ein paar Raben waren am Himmel zu erkennen. Nichts war nun an dem Teil der Waldes mehr schön, keine Tiere, keine Blumen, einfach überhaupt nichts! Ich erkenne meinen Wald ja kaum wieder, dachte Tristan verzweifelt,  was werden sie diesem wunderbaren Fleckchen Erde als Nächstes antun? Es kam ein kräftiger Wind auf, und nun fühlte es sich an, als würde wirklich alle Freude aus ihm heraus gesaugt. Es wurde auch kälter. Er zog die Lederjacke enger um sich. Wieso habe ich nur diese Jacke mitgenommen und nicht den den dicken Mantel?, dachte er fröstelnd. Es wurden immer mehr Raben am Himmel, langsam schien es, als würden sie ihn beobachten,  jede Bewegung genau registrieren und über ihn tuscheln. Er sah einen schwarzen Strich, der direkt vor seinen Füßen anfing. Tristan starrte auf die Seite, die der schwarze Strich von ihm trennte - war da nicht gerade eine Bewegung im Schatten gewesen? Tristan schüttelte den Kopf. Ich spinne auch langsam ein bisschen, denke, im jedem Schatten lauert ein Gegner -  vielleicht war es auch einfach nur ein Tier gewesen! Er straffte seine Schultern und starrte auf die andere Seite;  jetzt würde er das wagen, was er schon seit er fünf Jahre alt gewesen war nicht mehr getan hatte -  er würde die Grenze überschreiten! Langsam setzte er einen Fuß vor den anderen,  der kurze Weg kam ihm unendlich lang vor,  auch wenn es nur ein paar Schritte waren. Dann übertrat er die Grenze....

Kaum hatte er das getan, umfing ihn lähmende Dunkelheit. Es war keine natürliche Dunkelheit, eher eine lebendige Finsternis, die von allen Seiten auf ihn zu zukriechen schien. Es war keine Freude und auch kein Mut mehr in seinem Herz da, es gab nur noch ein Gefühl, dass sich in seinem Herzen breit machte. Angst.  Er wollte dem Mädchen nicht mehr helfen, nein, sie würde schon alleine klar kommen müssen, er wollte einfach nur weg! Weg! Weg von diesem schrecklichen Ort! Da verschwand die Dunkelheit urplötzlich, aber er tauchte mit voller Wucht in die Vergangenheit ein.

Er lag auf einer Decke, die am Boden ausgebreitet war. Sein Bruder schlief friedlich im Babybett. Tristan tollte auf der Decke herum und knabberte an einer Rassel. "Du kleiner Schlingel, hör sofort auf damit!" lachte seine Mutter. Dass sie lachte, das freute ihn. Sie nahm ihm seine Rassel weg und spielte mit ihm. Dann verdunkelte sich ihr Gesicht. Sie murmelte irgendwas von "Schnell, oh mein Gott...." Sie wollte ihn auf den Arm nehmen, da hämmerte es an die Tür.  "Oh, nein!" Sie wandte sich ihm zu und sagte: "Ich habe dich immer lieb, egal, was passiert, vergiss das nie!" Sie drückte ihm einen schnellen Kuss auf die Wange, dann setzte sie ihn zu seinem Bruder in das Bett. Rasch deckte sie ihn und seinen Bruder noch einmal liebevoll zu, dann ging sie zur Tür. Er hörte eine grobe Männerstimme etwas sagen, hörte, wie seine Mutter etwas mit flehenden Unterton antwortete. Die Männerstimme klang wütend, als sie antwortete. " Nein!" , hörte er seine Mutter schreien. Er hörte einen erneuten Schrei, dann war alles still. Hände packten ihn und seinem Bruder. Er sah seine Mutter am Boden liegen. Er versuchte sich aus dem Griff zu befreien.  "Bringt sie weg von den Kindern!" donnerte eine Stimme, dann trug man seine Mutter hinaus. Er hatte sie nie wiedergesehen.

Als er wieder zur Besinnung kam, fand er  sich keuchend und mit wild klopfendem Herzen am Boden wieder. Auf einmal konnte nur dies eine denken:  Er musste das Mädchen finden. Und zwar schnell!

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