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Als ich am nächsten Morgen erwachte, spürte ich sofort die warme, unerwünschte Umklammerung, die sich fest um meinen Bauch gelegt hatte. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich musste mich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, wer es war. Die Berührung ließ meinen Atem stocken und ich erstarrte. Sekundenlang traute ich mich nicht, auch nur einen Finger zu bewegen, während sich ein brennendes Gefühl in meinem Gesicht ausbreitete.
Gestern hatte ich ihm unmissverständlich gesagt, dass ich nicht wollte, dass er in meinem Bett schlief. Und doch lag er hier, als wäre es das Natürlichste der Welt, mit der mühelosen Arroganz eines Menschen, dem die Grenzen anderer völlig gleichgültig waren. Dieser Kerl verstand es meisterhaft, die Bedeutung von Respekt und Privatsphäre zu ignorieren.

Vorsichtig, so vorsichtig, dass es fast schmerzhaft war, schob ich seinen Arm beiseite. Meine Finger zitterten dabei leicht und jeder Muskel in meinem Körper war angespannt, als könnte eine einzige unbedachte Bewegung eine Katastrophe auslösen, die sein Aufwecken auslösen würde. Die Berührung seiner schlaffen Hand, die noch immer so viel Kraft zu haben schien, ließ eine Welle von Unbehagen über meinen Rücken kriechen. Endlich, als der Druck von meiner Taille wich, atmete ich leise durch, aber mein Herz hämmerte weiter so laut, dass es mir in den Ohren dröhnte.

Ich richtete mich behutsam auf, jedes Falten der Bettdecke sorgfältig zurückschlagend, damit sie bloß kein Geräusch verursachte. Doch kaum hatte ich meine Beine über die Bettkante geschwungen, ertönte seine Stimme. Sie war rau und schläfrig, tief vibrierend und so nah an meinem Ohr, dass ich zusammenzuckte. "Wo willst du hin?", fragte er, seine Worte kamen brüchig und schwer, als würde er noch im Halbschlaf sein, während seine Hand blitzschnell nach meinem Handgelenk griff und mich zurückzog.
"A-auf Toilette" stammelte ich, meine Stimme brach und klang viel zu leise, zu verängstigt. Seine Finger lösten sich widerwillig und er ließ ein tiefes, genervtes Grummeln hören, das irgendwo zwischen Frustration und Müdigkeit hing. Er rollte sich auf die andere Seite, das Kissen knautschte unter seinem Kopf und ich nutzte den Moment, um meine Beine in Bewegung zu setzen.

Ich stürzte regelrecht zum Kleiderschrank, das Herz schlug mir bis zum Hals und die Anspannung ließ meine Beine sich schwer anfühlen, als wären sie aus Blei. Mit zitternden Händen griff ich nach einem zusammengeknüllten T-Shirt, einer Jogginghose und frischer Unterwäsche. Das weiche Rascheln der Kleidung klang in der Stille des Zimmers beängstigend laut und ich drückte die Stoffe so fest an meine Brust, dass ich den leichten Druck meiner eigenen Fingernägel spüren konnte.
Neben den Kleidungsstücken griff ich auch nach der Tüte mit den Einkäufen vom Vortag und machte mich dann auf den Weg zum Badezimmer. Die Dielen knarrten unter meinen Füßen und ich biss die Zähne zusammen, während ich innerlich betete, dass die Geräusche ihn nicht aufwecken würden.

Kaum hatte ich die Badezimmertür hinter mir geschlossen und den Schlüssel mit zitternden, schweißfeuchten Fingern im Schloss gedreht, fiel der Druck in meiner Brust ein Stück weit ab. Ich lehnte mich gegen die kühle, glatte Oberfläche der Tür, schloss für einen Augenblick die Augen und ließ die Stille in meinen Ohren widerhallen. Für einen winzigen Moment konnte ich wieder atmen, doch die Erleichterung war sicherlich nur flüchtig.

Ein Gedanke pochte unerbittlich in meinem Kopf: Bitte lass ihn mich nicht verfolgen. Bitte lass ihn einfach da draußen bleiben und die Idee, mich den ganzen verfluchten Tag im Badezimmer einzuschließen, um ihm nicht unter die Augen zu treten, wurde zunehmend verlockender.
Ich versuchte verzweifelt, den gestrigen Tag, besonders den Abend, aus meiner Erinnerung zu verdrängen. Doch je mehr ich mich anstrengte, desto schmerzhafter kehrten die Bilder zurück, eine peinliche, brennende Demütigung, die mich nicht losließ.

Als ich mich endlich dazu zwang, mich auszuziehen, erblickte ich meinen eigenen nackten Oberkörper im Spiegel und die Scham kroch wie glühendes Gift durch meine Adern. Dunkle Flecken prangten auf meiner Haut, deutliche, unübersehbare Markierungen, die sich über meinen Hals, mein Schlüsselbein und meine Brust zogen – überall waren diese deutlichen Markierungen, die nichts ausließen.
Hitze stieg mir ins Gesicht, mein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren. Mein Herz hämmerte wie ein wütendes Trommelfeuer und die Schläge hallten in meinen Ohren wider, während ich mich für einen Moment an den Rand des Waschbeckens klammerte. "Jetzt nicht verrückt werden", flüsterte ich mir zu, mehr eine flehentliche Bitte als ein Befehl. Schließlich schüttelte ich den Kopf und trat in die Dusche.

Das Wasser prasselte eiskalt auf meine Schultern und ich zuckte zusammen und ein unwillkürliches Keuchen entwich mir, als der Schauer meinen Rücken hinunterjagte. Hastig drehte ich den Regler und die eisige Kälte verwandelte sich in wohltuende Wärme. Der warme Strahl lief mir nun über die Schultern, über meine angespannten müden Muskeln, die sich allmählich zu entspannen begannen – doch das dumpfe Pochen in meiner Brust, das wilde Herzklopfen blieb.
Mit geschlossenen Augen ließ ich das Wasser über mein Gesicht strömen, in der Hoffnung, es könnte die Spuren der letzten Nacht einfach fortwaschen.
Aber das tat es nicht.

Die Bilder flackerten vor meinem inneren Auge auf: Seine Hände, die über meine Haut wanderten, die elektrisierende Nähe und dann ... "Fuck", murmelte ich kaum mehr als ein schwaches, verzweifeltes Geräusch. Meine Beine gaben nach und ich ließ mich in die Hocke sinken, verbarg mein glühendes Gesicht hinter meinen zittrigen Händen.
Mein Kopf war ein Chaos aus Vorwürfen und unkontrollierbaren Gefühlen.
Was habe ich mir eigentlich bei der ganzen Sache gedacht?
Ich hatte zugelassen, dass er mich markierte und ich mich so kompromisslos an ihn band.
Wie dumm konnte ich nur sein?

Die Vorwürfe fraßen an mir wie kleine scharfe Zähne, die nicht losließen. Ich fühlte mich elend, klein und dumm, als würde ich in einer Grube aus selbstgemachtem Elend stecken. Die schmerzliche Erkenntnis brannte sich in meine Gedanken und der bittere Geschmack von Angst und Scham lag mir auf der Zunge. Ein leises Seufzen entwich meinen Lippen und ich war erschöpft, obwohl der Tag gerade erst begonnen hatte.

Meine Finger griffen nach der Shampoo-Flasche, aber sie glitten über die glitschige Oberfläche und entglitt mir fast, bevor ich sie fest umklammerte. Ein gequältes Keuchen entrang sich meiner Kehle und ich presste die Augen für einen Moment zusammen, während sich mein Brustkorb in einem verzweifelten Atemzug hob und senkte. Der Deckel des Shampoos sprang unter dem Druck meiner zitternden Hände auf und ich quetschte die dicke Flüssigkeit auf meine Handflächen. Ich begann den Schaum hektisch in mein Haar zu reiben, während ich verzweifelt versuchte, mich auf diese simple körperliche Aufgabe zu konzentrieren, um diese Gedanken wenigstens für einen Moment auszublenden.

Ich versuchte verzweifelt, mich auf die Bewegung meiner Finger zu konzentrieren und auf den Schaum, der sich zwischen meinen Haarsträhnen ausbreitete.
Doch es war ein hoffnungsloser Versuch.
Die Erinnerungen waren zu stark, zu lebendig, als ob Minho noch immer direkt vor mir wäre: Die Art, wie er mich ansah, sein Atem an meinem Hals, die Küsse, seine Finger, die sich in meine Haut krallten, während er mich gegen das Bett drückte ... Die Vorstellung war so lebendig, dass ich unwillkürlich zitterte und mich mitten in der Bewegung stocken ließ. Doch das war nichts im Vergleich zu dem inneren Beben, das sich unaufhaltsam in mir ausbreitete. Es war ein anderes Zittern, eines, das nichts mit Kälte zu tun hatte.

Ein Kribbeln jagte mir die Wirbelsäule hinab, ließ sich in meinem Bauch nieder und fraß sich durch meine Adern, heiß und fordernd. Mein Körper reagierte augenblicklich, als hätte sich ein Schalter umgelegt – Blut schoss nach unten und sammelte sich in einem stechenden, schmerzhaften Druck.
Mein Atem wurde schneller, stockte immer wieder und ich merkte, wie sich mein Glied hart aufrichtete, pulsierend und voll mit Blut. Mein Puls trommelte in einem fieberhaften Rhythmus, hämmerte gegen meine Brust und ich fühlte, dass die Hitze sich an einem Ort sammelte, an dem sie nicht sein sollte.

Meine Haut prickelte und eine ungebetene Gänsehaut zog sich über meine Arme und Schultern, während das Wasser warm und schmerzhaft vertraut darüber hinweglief. Es war, als würde mein Körper mich verraten, als würde er sich mit diesen widerwärtigen Erinnerungen verschwören. Ich biss mir so fest auf die Unterlippe, dass ich den metallischen Geschmack von Blut auf meiner Zunge spürte, in einem verzweifelten Versuch, das Gefühl in mir und diese Erregung loszuwerden.
Es war zwecklos.
Es war eine widerliche Mischung aus Erregung und Scham.

Ungewollt kehrten die Bilder zurück, unerträglich lebendig und ich sah uns wieder in der Nacht. Wie ich mich ihm hingegeben und ihm vollkommen vertraut hatte. Seine Hände auf meiner nackten Haut, die Hitze seines Körpers, die Art, wie er mich berührte, als wäre ich sein Besitz. Wie sein Gewicht mich gegen das Bett drückte, seine Lippen an meiner Haut, seine Küsse, die wie Feuer meine Nerven verbrannten, während ich unter ihm bebte ... Ein leises, gebrochenes "Fuck" entwich mir und ein Hauch von Selbstverachtung und Verzweiflung schwang darin mit.

Meine Hände tasteten blind nach der kühlen Kachelwand und suchten Halt, während mein Körper sich an der Grenze zwischen Verlangen und Abscheu auflöste. Das Wasser floss unaufhörlich über meine Schultern und vermischte sich mit der erbärmlichen, glühenden Hitze meines Körpers, die ich verfluchte, die mich quälte. Mein Herzschlag raste weiter, ein unkontrollierbares Hämmern und meine Atmung kam flach und zittrig, als ich versuchte, die Kontrolle zurückzugewinnen.
Es war nutzlos.

In mir tobte ein Sturm, ein Feuer und ich konnte nicht aufhören, daran zu denken, wie es sich angefühlt hatte, mich ihm hinzugeben. Der Geschmack seiner Küsse brannte mir noch immer auf der Zunge: das sanfte Ziehen seiner Zähne, wie er alles von mir forderte und nichts zurückließ, außer einem lodernden Verlangen, das ich bereits in der Nacht spürte.
Ein unkontrolliertes Zittern durchlief mich, meine Hand ballte sich unwillkürlich zur Faust, die Fingernägel gruben sich schmerzhaft in meine Handfläche und ich biss die Zähne so fest zusammen, dass mein Kiefer zu schmerzen begann.

Ich durfte mich nicht so fühlen.
Diese Gedanken sollten überhaupt nicht da sein und vor allem sollte mein Körper mich nicht auf diese Art verraten und dennoch tat er es. Jeder Nerv war überreizt, mein Glied stand immer noch schmerzhaft steif und das Prickeln auf meiner Haut weigerte sich zu verschwinden.

In einem letzten panischen Versuch, die glühende Hitze auszulöschen, drehte ich den Wasserregler abrupt auf Eiskalt. Der plötzliche Schock ließ mich scharf einatmen, die Kälte biss sich wie tausend winzige Nadeln in meine Haut und ich krümmte mich zitternd und keuchend. Das eiskalte Wasser rann in Strömen über meinen Körper, über meinen Hals und meine Schultern und ließ mich erbeben, als die Kälte mit der Hitze in mir kämpfte. Ich klammerte mich an das stechende Gefühl, an den Schmerz, den es mir verursachte, in der Hoffnung, dass es die unerwünschte Erregung aus mir vertreiben würde.
Ich wollte mir keinen runterholen.
Nicht wegen ihm.
Niemals.

Aber die Kälte war ein erbärmlicher Trost, ein schwacher Versuch, die Wahrheit zu überdecken: dass ich an ihn dachte, dass mein Körper seinetwegen reagierte, obwohl mein Verstand ihn verfluchte. Und diese Erkenntnis dieser erbärmlichen Schwäche, ließ meine Augen brennen, während ich dem kalten, prickelnden Wasser weiter ausgesetzt war, zitternd und unfähig, meinem eigenen Verstand zu entkommen.
Die Kälte biss erbarmungslos in meine Haut, schickte Nadelstiche über meinen Rücken und die Spannung in meinen Muskeln ließ allmählich nach, während ich versuchte meinen Atem zu kontrollieren. Zittrig sog ich die Luft ein, die wie scharfe Klingen in meine Lunge schnitt und ließ sie in einem rauen, ungleichmäßigen Seufzer entweichen.

Mein Körper reagierte widerwillig, löschte den pochenden Rest der unerwünschten Hitze in meinem Unterleib aus und gab sie nach und nach an das kalte Wasser ab, das unbarmherzig meinen Körper hinunterlief.
Es war eine Tortur, doch es funktionierte.
Langsam verflog die unerwünschte Erregung und zurückblieb eine dumpfe, frustrierte Leere, die sich wie eine klaffende Wunde anfühlte. Meine Schultern sanken herab und ich drückte die Stirn gegen die Kacheln, die im Gegensatz zu meinem brennenden Gesicht angenehm kühl wirkten.

Langsam beruhigte sich auch mein Puls, aber die Scham war wieder da, intensiver als zuvor, die mich innerlich auffraß.
Wieso brachte er mich nur so aus dem Konzept?
Warum ließ ich überhaupt zu, dass meine Gedanken um ihn kreisten?
Meine Finger zitterten, als ich sie über die nasse Kachelwand gleiten ließ. Ein tiefes Seufzen entkam mir, halb Frustration, halb Verzweiflung.
Ich würde ihm nie mehr in die Augen schauen können, ohne diese verdammte Scham zu spüren, ohne mich daran zu erinnern, wie mein Körper mich verraten hatte.

Das Wasser plätscherte unaufhörlich weiter, schien mich mit seiner Gleichgültigkeit auszulachen und ich hob mechanisch die Hand, um den Hahn abzudrehen. Das Bad wurde still und nur das Tropfen des Wassers, der aus meinen Haaren fiel, begleitete mein schweres, ungleichmäßiges Atmen.
Ich stieß mich mühsam von der Wand ab, spürte, wie die Erschöpfung sich bleischwer in meine Glieder legte, als hätte mich der bloße Versuch, die Kontrolle zurückzugewinnen, alles an Energie gekostet. Mit schwachen Händen griff ich nach einem Handtuch und begann, mich abzutrocknen.

Als ich in den beschlagenen Spiegel sah, traf mich mein eigenes Gesicht wie ein unerwarteter Schlag in den Magen. Blass, mit eingefallenen Wangen und dunklen Schatten, die sich unter meinen Augen eingegraben hatten, waren Zeugnisse von Nächten, in denen ich vor Angst und den Erinnerungen an Changbin keinen Schlaf fand. Meine Lippen waren spröde, rissig und an der Seite meines Gesichts zeichneten sich noch immer die letzten Spuren der Blutergüsse ab, gelblich, verblassend, aber nicht minder hässlich.
Ein bitteres, verzerrtes Lächeln zog sich auf meine rissigen Lippen.
Schwach.
Verletzlich.
Gebrochen.
Das war ich – ein Wrack.

Meine Kehle zog sich schmerzhaft zusammen und ich spürte, wie die Tränen hinter meinen Augen brannten. Für einen kurzen elenden Moment hatte ich den Schmerz vergessen und war gefangen in einer anderen Art von Qual und jetzt kehrte alles zurück, noch brutaler, noch lähmender – nur um mich wieder daran zu erinnern, wie erbärmlich ich wirklich war.
Die Tränen sammelten sich und meine Sicht verschwamm. Ich schluckte schwer und versuchte verzweifelt, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen, doch die Erschöpfung machte es mir schwer.
Ich war einfach eine unerträgliche Heulsuse.

Bevor ich tatsächlich anfing zu heulen, griff ich hektisch nach der Plastiktüte, die am Waschbeckenrand stand und holte die Verbände hervor, die ich gestern gekauft hatte. Meine Bewegungen waren mechanisch, wie einstudiert, als würde ich ein altes trauriges Ritual vollziehen, das es leider war. Die Tube mit der Salbe ließ sich kaum mit meinen immer noch zitternden Händen öffnen, aber ich schaffte es und der kühle, stechende Geruch der Heilsalbe stieg mir in die Nase.
Ich strich sie auf die hässlich vernarbte Verbrennung an meinem linken Arm, wo die Haut rötlich, uneben und rau war. Der Schmerz war dumpf, brennend, vertraut und ich presste die Lippen zusammen, zwang mich, es nicht zu beachten. Mit mühsamer Sorgfalt wickelte ich den Verband um meinen Arm, bis die Wunde unter einer Schicht aus weißem Stoff verborgen war.

Als Nächstes griff ich nach einem weiteren Verband für meine linke Gesichtshälfte. Die Spuren von Changbins Wut waren noch immer sichtbar: hässliche Flecken und vernarbte Linien, die in meine Haut gegraben waren.
Ich bin so armselig.
Ich wusste, dass der Verband mehr für meine eigene erbärmliche Psyche als aus medizinischer Notwendigkeit war – ein provisorischer Schutz, eine erbärmliche Illusion, die mir erlaubte, mich für einen Moment weniger zerstört zu fühlen und wenn ich die Verletzungen nicht sehen musste, konnte ich für einen Augenblick so tun, als seien sie nicht da.

Mit schwerfälligen Bewegungen zog ich mir schließlich meine Kleidung an: eine ausgewaschene Jogginghose und einen viel zu großen Pullover, der so alt war, dass die Nähte sich bereits auflösten, dessen Kapuze ich tief ins Gesicht zog.
Manchmal kam mir der Gedanke, dass es einfacher wäre, einfach alles aufzugeben. Das Leben fühlte sich wie ein endloser Kampf an und ich war der ewige Verlierer, der in jeder Runde K.O. ging. Aber ich konnte es meiner Mutter nicht antun, mir das Leben zu nehmen, selbst wenn ich den Mut dazu aufbringen würde. Dieser Gedanke war wie ein Schatten, ein dunkler Begleiter, der nie von meiner Seite wich und mit jedem weiteren Tag wuchs. Es war nicht einmal Liebe oder Hoffnung, die mich zurückhielt – nur die Angst. Die erbärmliche, feige Furcht davor, endgültig zu scheitern. Manchmal wünschte ich mir einfach, ein Unfall würde die Entscheidung für mich übernehmen und alles beenden.

Mit einem tiefen, müden Seufzen verließ ich das Badezimmer, nachdem ich mir noch die Zähne geputzt hatte. Meine Schultern schmerzten von der Verspannung, doch ich ignorierte es und schlurfte in die Küche.
Mein Magen fühlte sich wie ein schwarzes, grollendes Loch an, leer und unangenehm zusammengekrampft – ich hatte seit zwei Tagen nichts mehr gegessen und die Leere war zu einem dumpfen Schmerz geworden.
Ich stellte einen Topf mit Wasser auf den Herd, um einfache Ramen zu machen. Während das Wasser sich langsam erhitzte, starrte ich gedankenverloren in die zitternden Wellen auf der Oberfläche. Die kleinen Bläschen kämpften sich mühselig nach oben und ich versank in der Beobachtung, als würde der aufsteigende Dampf meinen Geist benebeln und die beklemmenden Gedanken für einen Augenblick vertreiben.

Aber dann, noch bevor das Wasser richtig zu kochen begann, legten sich plötzlich zwei Arme von hinten um mich. Ich zuckte zusammen, spürte, wie sich meine Muskeln augenblicklich verkrampften und die Luft wurde mir aus den Lungen gedrückt. Mein Herz setzte für einen entsetzlichen Moment aus, bevor es mit einer solchen Wucht zu hämmern begann, dass es sich anfühlte, als würde es meine Rippen durchbrechen wollen.
Eine raue, verschlafene Stimme hauchte mir ins Ohr: "Guten Morgen, Master." Die Worte schickten eine unwillkommene Gänsehaut über meinen Rücken, die sich wie ein kalter Schauer bis in die Fingerspitzen zog.
"M-Morgen", murmelte ich kaum hörbar, während ich die Kapuze meines Pullovers noch tiefer ins Gesicht zog, um die brennende Schamröte zu verbergen, die unkontrolliert aufstieg.

Mein Puls trommelte in einem fieberhaften, unregelmäßigen Rhythmus und die Erinnerungen an vergangene Nacht kehrten erneut zurück: Sie verschlangen mich, bis ich kaum noch wusste, wie ich atmen sollte. Es war schwer, fast unmöglich, die Panik zu unterdrücken, die sich in meinem Inneren zusammenbraute.
Seine Arme lagen schwer auf meinen Schultern, der Druck seiner Brust an meinem Rücken ließ ein beklemmendes Gefühl in mir aufsteigen und ich konnte nichts tun, außer dort zu stehen. Ich konnte mich nicht bewegen, fühlte mich wie eingefroren. "Alles okay, Master?" Seine Stimme war sanft, fast besorgt, aber diese Nähe, die unterschwellige Vertrautheit – es war zu viel.

Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen und ein eisiges Gefühl durchzog meine Eingeweide, das sich in Kälte und Übelkeit verwandelte. Die Wärme seiner Berührung, die viel zu intime Nähe war, wie ein Brandmal, das sich durch meine Kleidung brannte und mir das Gefühl gab, dass ich gleich in Flammen aufgehen würde.
"J-ja, alles ... alles gut." Ich zwang die Worte heraus, meine Stimme klang heiser. Die Lüge war offensichtlich und erbärmlich, aber was hätte ich sonst sagen sollen? Jeder Muskel in meinem Körper war zum Zerreißen gespannt, die Anspannung zerrte an meinen Nerven und ich starrte verzweifelt auf das Wasser im Topf, das mittlerweile zu kochen begonnen hatte. Die Bläschen explodierten an der Oberfläche und spritzten gegen den Rand, aber ich konnte meinen Blick nicht davon abwenden. Es war, als könnte ich mich nur so davon abhalten, in Panik auszubrechen – ein erbärmlicher Versuch, die Realität zu verdrängen.

Doch er ließ mich nicht los.
Stattdessen zog er mich noch enger an sich, bis ich jede Kontur seines Körpers gegen meinen Rücken spüren konnte und ich hasste es – hasste, wie mein Körper mich immer wieder verriet, mit einer Gänsehaut, die meine Haut überzog und mit dem Zittern in meinem Körper.
Sein Kinn legte sich auf meine Schulter und ich fühlte seinen Brustkorb sich heben und senken. Die Sekunden dehnten sich zu einer quälenden Ewigkeit aus, die Luft um uns war so dicht, dass ich kaum noch atmen konnte. Mein ganzer Körper brannte vor Nervosität, gemischt mit einer lähmenden Angst, ihn anzusehen, die sich in meinem Inneren zusammenzog.

"Du bist angespannter als sonst", murmelte er leise, fast zärtlich, aber es brachte mich dazu, zusammenzuzucken. Seine Hände begannen sich langsam über meine Arme zu bewegen, strichen sanft über die Stoffschichten und ich musste mir auf die Lippe beißen, um ein unkontrolliertes Wimmern zu unterdrücken, das mir drohte zu entkommen.
Mein Atem war flach, stoßweise und ich zuckte nur mit den Schultern, unfähig, eine größere Bewegung zu machen, während mein Blick starr auf das Wasser gerichtet blieb, das inzwischen überkochte und Blasen gegen den Rand des Topfes spritzte.

Die Stille zwischen uns war fast unerträglich. Mein Atem ging flach, jedes Ein- und Ausatmen schien eine Tortur und ich kämpfte mit aller Kraft, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen. Ich wollte schreien, weinen, alles auf einmal, aber ich war wie versteinert vor Angst und Hilflosigkeit. Es gab keinen Fluchtweg, keine Rettung vor dieser unerträglichen Nähe und das Wissen darüber nagte an meinem Verstand, machte mich immer kleiner, immer verzweifelter.
Seine Hände lösten sich endlich von mir und die Erleichterung, die in mich hineinsickerte, war so tief, so unermesslich, dass meine Knie beinahe nachgegeben hätten. Ich konnte hören, wie er hinter mir einen Schritt zurücktrat und bevor ich reagieren konnte, zog er mich sanft, aber mit einer unmissverständlichen Kraft zu sich und drehte mich herum.

Mein Atem stockte, als ich ihm in die Augen sah und mein Herzschlag dröhnte in meinen Ohren, während seine dunklen Augen mich durchdrangen. Sein Blick wanderte über mein Gesicht und instinktiv wollte ich den Kopf wegdrehen und die Kapuze tiefer ins Gesicht ziehen. Doch seine Hand war schneller und hob mein Kinn mit einer Bestimmtheit an, die keinen Widerspruch duldete. Der Kontakt war warm und zugleich schwer und ließ eine neue Welle aus Angst und Unterwerfung in mir aufsteigen.

"Was ist das?" Seine Stimme war leise, fast sanft, aber sie hatte diese eigentümliche Härte, eine unausgesprochene Autorität, die mich noch kleiner und hilfloser machte. Seine Finger umspielten die Kante meiner Kapuze und in einer quälend langsamen Bewegung zog er sie nach hinten und enthüllte mein Gesicht, das ich so verzweifelt verstecken wollte. Mein Magen drehte sich um und ich fühlte, wie eine vertraute Welle aus Scham und Angst sich in mir ausbreitete, heiß und schmerzhaft, als würde sie mein Innerstes zerreißen. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als unsichtbar zu werden.

Ich wollte mich abwenden, den Kopf senken, alles tun, um seinem Blick zu entkommen, aber seine Hand hielt mein Kinn fest und zwang mich, ihn anzusehen. Seine Augen wanderten zu der linken Seite meines Gesichts, wo der Verband meine Wunden und die entstellenden Narben verbarg. Der Verband war nichts als eine traurige Illusion: ein armseliger Versuch, die hässliche Realität zu verbergen, als könnte ein einfacher Stoffstreifen die Qual und die Demütigung auslöschen, die ich jeden Tag spürte. Mein ganzer Körper versteifte sich, die Anspannung ließ meinen Atem flach und stoßweise gehen.

Seine Hand löste sich von meinem Kinn, wanderte zu meiner Hüfte und plötzlich wurde ich aus dem Gleichgewicht gerissen, als er mich mit einer beängstigenden Leichtigkeit hochhob. Ein scharfes, erschrockenes Keuchen entfuhr mir, als ich auf der kühlen, glatten Oberfläche der Küchenzeile hinter mir landete. Die Berührung der kalten Küchenplatte durchdrang den Stoff meiner Jogginghose und schickte einen Schock aus Kälte durch meinen Körper, der im krassen Gegensatz zur Hitze stand, die von mir selbst ausging.

Mein Herz raste so laut, dass ich kaum etwas anderes hören konnte und mein Atem ging in kurzen, ruckartigen Stößen. Er trat zwischen meine Beine und füllte den Raum zwischen uns, bis es keinen Millimeter mehr gab, um mich zurückzuziehen. Meine Hände krallten sich verzweifelt um die Kante der Küchenzeile, meine Fingerknöchel wurden weiß und das Gefühl, eingesperrt und wehrlos zu sein, schnürte mir die Kehle zu, bis ich kaum noch atmen konnte.

Mein Kopf sank automatisch, um seinem durchdringenden Blick zu entkommen, doch erneut ließ er es nicht zu. Seine Finger fanden den Weg zu meiner Wange zurück und ich konnte nicht verhindern, dass ich leicht zusammenzuckte. Ich konnte die Reaktion meines Körpers nicht unterdrücken, als eine Welle aus Angst über mich hinweg schwappte und etwas, das ich noch nie gefühlt hatte.
Seine Finger glitten sanft, fast liebevoll über den Verband und ich konnte das Zittern nicht mehr zurückhalten, selbst als ich mir auf die Unterlippe biss, um den Anflug eines Wimmerns zu ersticken.
Seine Nähe war erdrückend.

"Du brauchst das nicht", sagte er leise. Mit geübten Bewegungen begann er langsam, den Verband zu lösen. Ich wollte protestieren, wollte ihn anflehen, damit aufzuhören, wollte ihn bitten, mich nicht so schutzlos zu machen, doch meine Hände hingen schwer und nutzlos an meinen Seiten. Es war, als hätte die Angst all meine Muskeln gelähmt, als wären meine Arme, die ich verzweifelt bewegen wollte, aus Blei und jede Bewegung unmöglich. Meine Lippen öffneten sich, aber die Worte blieben in meiner Kehle stecken, erstickt von der alles verschlingenden Panik und dem Gefühl, dass ich gleich auseinanderbrechen würde.

Ich fühlte, wie er den ersten Knoten des Verbands löste, dann die nächste Schicht und jede Berührung war wie ein leiser Donnerschlag, der durch meinen Körper vibrierte, während mit jeder seiner Bewegung mehr Tränen aus meinen Augen liefen.
Mein Atem ging flach, während der Verband Schicht für Schicht abfiel, bis die bloßen Narben und die violettfarbenen Spuren in voller Pracht sichtbar wurden.

Als der Verband schließlich vollständig abgenommen war, hielt er inne. Die Stille, die folgte, war erdrückend. Mein Herz raste, jeder Schlag war eine Qual und ich hielt die Luft an, als könnte ich so den Schmerz und die Demütigung in mir ersticken. Ich wollte die Augen schließen, wollte nicht sehen, wie er auf die hässlichen Narben starrte und wollte mich vor seinem Urteil verbergen. Doch ich konnte mich nicht rühren und war gefangen in seinem Griff, in der Stille, die sich zwischen uns legte.
Ich hielt weiter die Luft an, wartete auf ... Ja, auf was?
Mitleid?
Auf den Ausdruck des Ekels, den ich schon so oft gesehen hatte, den ich mir fast wünschte, weil er wenigstens ehrlich wäre?
Ich wartete auf die Kälte, die ich erwartet hatte, eine grausame Ablehnung, die mich in meiner Scham ertrinken ließe. Aber sie kam nicht. Stattdessen hob er den Kopf und seine Augen trafen meine und hielten mich fest, bis mir der Atem stockte. In seinem Blick lag keine Abscheu. Keine Verachtung. Kein Mitleid. Stattdessen war da eine Wärme, eine so unbegreifliche, so sanfte Wärme, dass sie mich zutiefst verunsicherte, weil ich es nicht verstand.

"Master", begann er, seine Stimme war ein leises, fast zärtliches Flüstern. Sein Daumen strich über meine Wange, genau dort, wo sich der blaue Fleck befand und strich sanft die Tränen weg, "du brauchst dich wirklich nicht zu verstecken." Seine Worte waren einfach und doch fühlten sie sich an, als hätten sie das Gewicht eines ganzen Universums. "Du bist wunderschön, Master."
Mein Herz setzte einen Schlag lang aus, bevor es mit einer solchen Kraft wieder zu schlagen begann, dass ich glaubte, es würde meinen Brustkorb zerreißen. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals und meine Lippen bebten, während ich versuchte, etwas zu sagen, irgendetwas, das er log, doch die Worte blieben mir im Hals stecken.

Seine Hand verweilte an meiner Wange, die Berührung war warm und so sanft, dass es fast wehtat und ich konnte nicht verhindern, dass ich leicht zitterte. Es fühlte sich so unwirklich an, so unmöglich. Sein Blick war fest, durchdringend und ich konnte sehen, dass er es ernst meinte, dass er mich davon überzeugen wollte, dass er die Wahrheit sagte.
Aber wie konnte das sein?
In dieser furchtbaren Blöße mit all meinen hässlichen Narben war ich alles andere als schön. Ich war gebrochen, entstellt, ein Chaos aus Schmerzen, Verzweiflung, Panik und Scham. Und doch in dem tiefen Braun seiner Augen lag eine Art von Ehrlichkeit, die mich fast dazu brachte, ihm zu glauben.

Wunderschön.
Das Wort hallte in mir nach und ließ eine seltsame, schmerzhaft süße Wärme in mir aufsteigen, die ich nicht verstand und die ich nicht akzeptieren wollte.
Es war eine Lüge, eine unmögliche Lüge.
Und dennoch in diesem Augenblick eingeklemmt zwischen der kühlen Härte der Küchenzeile unter mir und der Wärme seiner Berührung wollte ein Teil von mir – ein winziger, verzweifelter Teil – ihm glauben.
Nur für diesen einen Moment, nur für diesen Atemzug wollte ich mich daran festhalten, an der Illusion, dass ich doch nicht so abstoßend war.

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Das Kapitel war Ursprünglich c.a. 9K Wörter lang... Ich hab mal nen Cut gesetzt und ihr bekommt nur 4,7k haha ♥

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