Kapitel 15

Ich saß im Sessel, die Knie hochgezogen, auf den Schenkeln ein Buch liegend und darin lesend. Eine Tasse wurde neben mir auf dem Nachttisch abgestellt und verwundert sah ich auf.
»Danke«, sagte ich mit in Falten gezogener Stirn. »Was ist das?«
»Tee.« Er setzte sich auf den anderen Sessel.
Ich ergriff die Tasse und setzte sie an die Lippen. Der Engel hatte ihn nicht all zu heiß gekocht und vorsichtig trank ich einen Schluck davon. Sofort schmeckte ich die unendlich vielen Kräuter heraus, die im Zusammenhang einfach nur widerwertig waren und zudem auch viel zu stark.
»Hm, gut«, log ich und stellte die Tasse zurück.
»Wie geht es dir?«, fragte Cas mich.
»Gut.« Ich klappte das Buch zu und legte es neben die Tasse. »Dank deiner Heilung, spüre ich meine Wunden nicht mehr. Ich fühl' mich nur noch ein wenig schlapp.«
Abrupt erhob der Engel sich. »Soll ich dir eine Decke holen?«
Verwundert runzelte ich die Stirn. »Äh, nein, danke. Es ist alles in Ordnung, Cas.« Ich ging herüber zur Kommode und goss etwas Bourbon in ein Glas.
»Das solltest du nicht trinken.« Kaum hatte ich mich umgedreht, stand Cas vor mir und riss mir das Glas aus der Hand.
Ich stöhnte genervt auf. »Du bist nicht mein Babysitter, Castiel«, erinnerte ich. »Verbring lieber Zeit mit Meg. Ihr habt doch so 'ne enge Bindung.«
»Nein, eigentlich nicht«, antwortete der Engel.
Ich verdrehte die Augen und ging in die Küche. Ich begann, abzuwaschen. Gedankenverloren starrte ich aus dem Fenster. Mrs. Eddison lief mit ihrem Hund auf der anderen Straßenseite Gassi, der Postbote klapperte Briefkasten für Briefkasten ab, Mr. Thompson goss seine Blumen. Alles war wieder beim Alten - keine Dämonen beobachteten mich.
»Woran denkst du?«, erklang auf einmal Castiels Stimme. Ich zuckte zusammen und ließ vor Schreck den Teller in die Spüle fallen, so dass das Wasser aufspritzte.
»Cas«, stöhnte ich mit pochendem Herzen.
»Tut mir leid. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
»Schon geschehen.« Ich schüttelte meine Hände, um die großen Tropfen abzuwimmeln, und trocknete sie mir schließlich am Handtuch. »Nur über das Vergangene«, beantwortete ich seine Frage.
»Willst du darüber sprechen?«
Ich wandte mich um. Cas stand genau vor mir, ich hatte kaum Platz zum Atmen.
»Nein. Ich, äh ...« Ich stockte. »Cas, persönlicher Abstand.«
Der Engel antwortete nicht, sondern versuchte unseren Blickkontakt aufrechtzuerhalten, während ich versuchte, ihm immer wieder auszuweichen.
»Cas, das ist mir unangenehm«, gestand ich, ohne jedoch Anstalten zu machen, mich zu bewegen. Langsam blickte ich auf. Das intensive Blau seiner Augen durchbohrte mich beinahe. »Was ist?«
»Mir fällt gerade auf, dass du der Mittelpunkt aller bist«, sagte der Engel.
»Was?« Ich lachte, doch tat ich das nur, um meine Unsicherheit zu überspielen. Als Cas nichts erwiderte, verschwand mein Lächeln. »Cas ...« Meine Stimme war nur noch ein Flüstern. Und bevor ich reagieren konnte, spürte ich seine Lippen auf meinen. Eigentlich hätte ich mich losreißen und zurückweichen sollen, doch alle meine Sinne waren wie ausgestellt. Vielleicht war es meine himmlische Seite, die dies verhinderte, vielleicht aber auch wahre Gefühle. Was auch immer es war, es brachte mich dazu, den falschen Weg zu wählen, die falsche Person zu wählen.

»Wir werden es ihm nicht sagen. Niemals«, sagte ich mit ernster Stimme. »Wenn er es erfährt, wird er dich umbringen. Oder nie wieder mit uns reden, was noch das Harmlosere wäre.«
»Keine Sorge. Das hatte ich auch nicht vor.«
»Gut.« Ich stellte das Buch zurück ins Regal. »Sag bescheid, wenn du Hilfe brauchst - oder wenn du's geschafft hast.«
»Ja, geht klar.«
»Und, Dean? Pass auf dich auf.«
»Du kennst mich doch.«
»Ja, deswegen.«
Er legte auf und ich schob mein Handy zurück in die Hosentasche. Der Winchester suchte gerade einen Weg, Sams Seele zurückzuholen, auch wenn sein kleiner Bruder strikt dagegen war. Laut Crowley gab es keinen Weg, doch hatte Dean nun einen gefunden - er würde ein weiteres Mal mit dem Tod sprechen, und dazu musste er sterben. Der ältere Winchester hatte mir versichert, dass nichts geschehen würde; er hatte alte Freunde seines Vaters gefragt, die ihn anscheinend für eine bestimmte Zeit ins Reich der Toten schicken und dann wieder zurückholen konnten. Doch ich traute der Sache nicht.
Ich fuhr zu Bobby, denn dort würde ich mit Dean treffen. Flügelschlag erklang und ohne nach rechts zu sehen, wusste ich, wer neben mir saß.
»Ich dachte, ich sehe dich gar nicht mehr«, meinte ich kühl.
»Tut mir leid, ich hatte zu tun«, entschuldigte sich Castiel.
»Das meinte ich nicht. Du bist sofort verschwunden, nach dem Kuss.«
»Oh«, machte der Engel nur.
Ich wartete auf mehr, doch als er nicht hinzufügte, fragte ich: »Was soll das alles eigentlich? Was ist los mit dir?«
»Ich denke, dass ich in letzter Zeit zu viel unter den Menschen geweilt habe. Sie haben einen sehr großen Einfluss auf mich.«
»Wenn du die paar Minuten als viel bezeichnest ...«, sagte ich mit einem spöttischen Unterton. Ich sah ihn kurz an. »Willst du das überhaupt?«
»Was will ich?«
»Das frag' ich dich ja gerade.«
»Ich verstehe nicht, was du meinst.«
Ich seufzte, den Blick stur auf die Straße gerichtet. »Cas, wir beide haben eine Bindung, das spüre ich, und ich weiß nicht, wie das ausgehen wird - ich bin ja nicht Gott.« Ich lachte leise, nur um die Stimmung aufzulockern. »Die Sache ist die, dass ich wahrscheinlich etwas für dich ... Also, es kann sein, dass ich ...« Ich stöhnte genervt auf und schwieg.
»Ich weiß, was du sagen willst«, meinte der Engel nach einer Weile.
Ich nickte. Eigentlich dachte ich, dass er noch etwas ergänzen würde, doch das tat er nicht. »Und?«
»Was und?«
»Mann, Cas!« Abrupt hielt ich am Straßenrand und entzürnt sah ich ihn an. »Tu doch nicht so. Du hast mich geküsst!«
»Und ich bereue es nicht«, antwortete der Engel und hielt meinen Blick ernst Stand. Ich konnte in seinen Augen Wahrheit erkennen und in irgendeiner Weise machte mir das Angst. Abrupt wandte ich mich ab und starr blickte ich nach vorn.
»Dean versucht Sam zu helfen«, lenkte ich vom Thema ab. »Ich muss zu Bobby.«
Castiel nickte, dann verschwand er. Innerlich verfluchte ich mich. Wieso war alles so kompliziert? Wieso war ich so kompliziert? Oder dieser Engel? Ich verstand nicht, was hier gerade ablief, doch die ganze Situation gefiel mir gar nicht.

»Du hast was?«, rief Sam aufgebracht.
»Jetzt hör mir doch mal zu.« Dean hingegen war vollkommen ruhig. Er hatte die dumme Idee, doch seinem Bruder zu erzählen, was er getan hatte.
»Ich hab' schon genug gehört«, meinte Sam. »Crowley und Cas haben mir schon prophezeit, dass ich entweder verrückt werde oder sterbe.«
»Der Tod sagt, er kann eine Wand einrichten«, versuchte Dean seinen Bruder zu beruhigen.
»Eine Wand?«
»Ja, eine Wand«, Dean sah zu mir und Bobby, während wir vom Sofa aus die Auseinandersetzung der beiden Winchesters beobachteten, »die deine Erinnerung an die Hölle abtrennt.« Er blickte wieder zu Sam.
Dieser kniff ungläubig die Augen zusammen. »Ernsthaft?«
»Ernsthaft.«
»So 'ne Art Heilmittel?«
Dean öffnete den Mund und sah hilfesuchend zu mir und Bobby. »Nein, kein Heilmittel«, entgegnete der ältere Winchester schließlich. »Er hat mir gesagt, sie kann ein Leben lang halten.«
»Na, toll. Großartig.« Sam begann auf- und abzulaufen. »Du spielst mit meinem Leben Russisch Roulette.«
»Ich versuche dein Leben zu retten«, rechtfertigte sich sein Bruder.
Sam wandte sich ihm zu. »Ganz genau, Dean. Es ist mein Leben. Es ist mein Leben, meine Seele. Und es ist nicht dein Schädel, der explodieren wird, wenn dein ganzer Plan aus dem Ruder läuft.«
Dean antwortete nicht, sondern blickte Sam nur getroffen an.
Bobby erhob sich. »Das macht mich neugierig.« Er lief auf Dean zu, der augenblicklich den Kopf sinken ließ. »Ich gehe davon aus, dass der Tod das nicht macht, weil er so ein großes Herz hat. Also, was für einen Deal hast du mit ihm gemacht?«
Der Winchester öffnete den Mund, doch kamen keine Worte heraus.
Bobby legte den Kopf schief. »Tut mir leid, ich hör' nichts.«
Langsam erhob auch ich mich und stellte mich neben Bobby, Dean auffordernd musternd - denn auch ich wusste nicht, was der Winchester mit dem Tod geplant hatte.
»Ich muss einen Tag seinen Ring tragen«, gestand er auf einmal.
»Wieso verlangt er das von dir?«, wollte Bobby verwundert wissen.
Dean schüttelte den Kopf. »Es geilt ihn auf, keine Ahnung. Aber ich mach's.«
Sam seufzte und ging davon.
»Wo willst du hin?«, fragte sein Bruder augenblicklich.
Sam wandte sich uns zu. »Gut. Alles klar. Ich hab' verstanden. Ich brauch' nur 'ne Minute, um mich zu sortieren, okay?«
Ich nickte. »Wenn was ist, Sam, wir sind hier.«
Auch Sam nickte und ging.
»Er hat etwas vor«, meinte ich, als die Tür ins Schloss fiel.
»Und ich weiß auch schon, was«, sagte Dean und wir folgten ihm nach draußen. Wir fanden Sam vor einem Loch auf Bobbys Hof.
»Suchst du den?«, fragte Dean und hielt den Ring hoch, der zuvor in dem Loch vergraben gewesen war.
Sam drehte sich uns zu und sog scharf die Luft ein. »Nein, wieso?«
»Sam«, sagte Dean nur, jedoch mit einem misstrauischen Unterton. Der junge Winchester seufzte und Dean trat auf ihn zu. »Ich bin dein Bruder. Ich will nicht, dass dir was zustößt. Ich weiß, was ich hier tue.«
»Und wenn du dich irrst?«
»Das werde ich zu verhindern wissen.«
Sam atmete tief durch und seine Miene verlor den zweifelnden Ausdruck. »Gut.«
»Gut? Das heißt?«
»Heißt, ich vertraue dir«, meinte Sam. »Ein bisschen.«
»Ganz sicher?«, hakte Dean nach.
»Du hast doch hier den Überblick, oder?«, gab sein Bruder zurück. »Dann bau' keinen Mist.«
»Werd' ich nicht.« Dean wandte sich ab und als er an Bobby vorbeilief, flüsterte er ihm zu: »Behalt ihn im Auge.« Mit diesen Worten verschwand der Winchester zwischen den Autos.

1603 Wörter

Mit etwas Verspätung... In letzter Zeit halte ich mich kaum an meinen Uploadplan. Tut mir leid :/

Aber zum Kapi:

Cas und Cat, was sagt ihr dazu? XD

Wie fandet ihr das Kapi?

Und danke für über 1000k Reads ❤

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