the woman in pain

7 Jahre zuvor

Es fühlte sich an, als würde Kaelin aus einem Traum erwachen. Ihr Kopf fühlte sich an, als wäre er leicht und gleichzeitig so schwer, ihre Erinnerungen waren schwammig und als sie versuchte zu schlucken, war ihr Hals so trocken, dass sie instinktiv hustete, was einen Tauben Schmerz in ihrer Brust auslöste. Langsam öffnete sie die Augen und atmete tief durch, versuchte sich zu beruhigen, als sie unbekannte mintgrüne Wände erkannte, an denen abstrakte Kunst hing. Sie erkannte eine Blumenwiese und drehte den Kopf nach links, auf die andere Seite und sah eine Tür.

Erst jetzt setzte die Geräuschkulisse ein, das stetige Piepsen der Geräte, die neben ihrem Bett standen, die Durchsagen draußen auf dem Gang und die Stimmen der Menschen und als sie den Arm bewegte, um sich die blonden Haare aus der Stirn zu streichen, wurde diese zurückgehalten, denn in ihren Armen hingen Schläuche. Und erst, als sie sich ruckartig aufsetzte, kam der Schmerz mit voller Wucht. Zuerst war er nur dumpf und ein Intensivges Kopfweh, dass ihren Atem ins Stocken brachte und schließlich begann das Ziehen und Brennen in ihrer Brust ihr ganzes Sein zu übernehmen.

Verwirrt griff sie sich an die Schulter und zog sich das Hemd zurück. Mittlerweile hatte sie erkannt, dass sie in einem Krankenhaus war, dass sie Schmerzen hatte, aber sie wusste nicht wieso. Wie war sie hierher gekommen?

Erst als sie im Augenwinkel einen roten Blutfleck unter den Bandagen erkennen konnte, traf sie die Erinnerung mit einer Wucht und der Schmerz wurde zu viel.

Mit einem Mal war sie nicht mehr in der Lage den Schmerz auszublenden, mit einem Mal war er allgegenwärtig, mit einem Mal übernahm er ihr Sein, nein, die Erinnerungen an den Schmerz, an die Angst war so intensiv, dass sie ihre jetzigen Schmerzen in unmenschliche Dimensionen übertrugen.

Sie hörte das schrille Piepsen der Geräte, wusste, dass sie signalisierten, dass ihr Herz viel zu schnell pumpte, aber sie konnte nichts dagegen tun. Ihr Körper bestand aus Schmerz, sie hatte die Kontrolle verloren.

Sie sah im Augenwinkel, wie sich die Tür öffnete und eine Schwester hereinstürmte, etwas an den Reglern veränderte, ehe alles schwarz wurde und der Schmerz ein Ende fand.

„Mrs. Hall? Mrs. Hall, können Sie mich hören?"

Es fühlte sich an, als hätte sie nur Sekunden in dem süßen Schwarz der Schwerelosigkeit verbracht, aber in Wirklichkeit dämmerte sie bereits mehr als drei Tage so dahin, immer zwischen Wach und Schlaf, zwischen Schmerz und süßem Frieden.

Sie hatte sich geweigert mit irgendjemanden zu reden, hatte sich geweigert und jedes Mal, wenn die Schmerzen zu viel wurden, hatte sie die Regler für Morphium hochgedreht, hatte sich in das süße Schwarz der Träume geschossen und es genossen, so genossen.

Die Schwestern hatten ihr gezeigt, wie sie die Regler bedienen konnte und Kaelin wusste, dass sie irgendwann des Morphiums abgewöhnt werden würde, aber das war nicht jetzt. Jetzt war da nur der Schmerz, der ihren Körper auffraß. Die Ärzte wussten genau wieso: Geschädigte Nerven, punktierte Lunge. Eine Schusswunde wie diese zu überleben war ein Wunder, aber Kaelin fühlte sich nicht so. Sie fühlte sich wie Scheiße, sie wusste, dass sie ihren Körper mehr Schaden zufügte mit den Mengen an Beruhigungsmittel, aber sie konnte nicht anders. Der Schmerz war zu groß, zu viel.

Kaelin zwang ihre Augen auf und musterte stumm ihren Gegenüber. Der Polizist war jung, vielleicht Ende zwanzig und seine Augen strahlten eine solche Müdigkeit aus, dass sie sich fragte, was er in seinen jungen Jahren bereits gesehen hatte.

„Mein Name ist Officer Ryan Lakner, ich bin hier um Ihnen ein paar Fragen zu stellen."

Hilflos tastete sie nach der Fernbedienung, denn auch wenn sie die Schmerzen nur leicht spürte, hatte sie Angst davor, dass sie wieder so viel wurden, dass sie alles vergaß, dass sie vergaß wer sie war, was sie erlebt hatte. Sie bestand dann nur mehr aus Schmerz und das war es nicht wert.

„Wir haben ihre Morphiumdosis für den Zeitraum dieses Interviews ausgeschaltet, wir brauchen sie ohne den Einfluss von Drogen."

Kaelins Stimme zitterte und sie hasste sich dafür, hasste sich für den Schmerz, für die Schwäche, die sie nicht verbergen konnte. „Ich leide Höllenqualen," sagte sie nur und ihre Stimme war rau.

„Deswegen will ich es ja kurz halten. Also, kennen Sie diesen Mann?", fragte er und hielt ihr ein Foto hin, das sie mit zitternden Fingern nahm.

Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie zwang sich durchzuhalten, nur wenige Minuten, dann würde all das nur mehr eine dumpfe Erinnerung sein, sie musste das durchhalten, um ihre kurzfristige Heilung zu bekommen.

"Sein Name ist Clyde McLain," fügte er beinahe sanft hinzu.

„Ja," sagte sie nur, obwohl sie ihn nur an seinen intensiv blauen Augen und den hohen Wangenknochen wieder erkannt hatte. Und dem strohblondem Haar. „Als ich am Abend nach Hause gehen wollte, ist er mir entgegengekommen, an mir vorbei gerannt, ein Polizist hat ihm zugeschrien, dass er stehen bleiben soll, der Mann hat logischerweise nicht gemacht, der Polizist hat geschossen und mich getroffen," erklärte sie bitter. In den letzten Tagen hatte sie in den Momenten, in denen sie versucht hatte der Versuchung des Beruhigungsmittels zu widerstehen genug Zeit gehabt um die Ereignisse, die sie hierher geführt hatten, Revue passieren zu lassen.

„Standen Sie vorher mit diesem Mann in Kontakt?", fragte er und Kaelin schüttelte den Kopf. „Gut, danke für Ihre Kooperation Mrs. Hall, das war vorerst alles. Sie können die Ruhe wahrscheinlich brauchen."

Er packte seine Tasche und ging zur Tür, das Foto lag vergessen in Kaelins Händen und sie musterte das Gesicht eingehend. Das war er, wegen ihm, seinen Fehlern, war sie jetzt hier. Er sah nicht älter aus als 25 und war durchaus ansehnlich, hatte etwas Verwegenes, etwas Verbotenes an sich.

„Officer Lakner?", fragte sie, als er bereits in der Tür war, bereit zu verschwinden und er drehte sich um, sah sie fragend an.

„Weshalb wird er gesucht? Was hat er angestellt?" Kaelin fragte aus einem Grund: Auch wenn ein Teil von ihr es hasste, dass er sie in diese Situation gebracht hatte, wenn auch nur indirekt, hatte sie sich einmal geschworen niemals jemanden zu verurteilen, wenn sie nicht die ganze Geschichte kannte.

„Drogen," sagte er mit einem Seitenblick auf ihre Maschinen, die sie mit Beruhigungsmittel, mit Morphium, versorgten. Er lächelte zerknirscht, klopfte einmal gegen den Türrahmen und dann war er verschwunden.

Kaelin überlegte einen Moment und hustete, was nur das jetzt intensive Stechen in ihrer Brust erhöhte und panisch tastete sie nach ihrer Fernbedienung, bis ihre Finger sich um das vertraute Plastik schlossen und sie den Schalter umlegte. Innerhalb weniger Sekunden spürte sie die mittlerweile so bekannte, schwere Leichtigkeit, die sie jedes Mal erfasste und dann war da nur mehr Schwärze, schöne, beruhigende Schwärze.

Es war Morgen, als sie das nächste Mal erwachte. Das wusste Kaelin, denn ihr Zimmer war ein Ostfenster und die Sonne blendete sie, weshalb sie mit einem Knopf den Winkel der Jalousien veränderte und so den Lichteinfall variierte.

Die Sekunden, Minuten nach dem Aufwachen wenn sie für ein paar Stunden high gewesen ist, waren das Schönste in ihrem Leben. Besonders, weil sie noch keinen Schmerz empfand. Ja, ihr Körper lechzte bereits jetzt wieder nach einer kleinen Dosis, rein weil es sich gut anfühlte, aber sie brauchte es nicht.

Sie dehnte ihren Nacken, legte den Kopf nach rechts und links und da flog ihr Blick zur Tür, wo ein Mann stand.

Er stand nur da, beobachtete sie aus blauen Augen und mit gerunzelter Stirn, sagte nichts, bewegte sich nicht. Die blonden Haare waren verwuschelt, als wäre er unruhig durch sie gefahren.

Und sie erkannte ihn. Obwohl sie ihn nicht kannte, obwohl sie ihn erst einmal flüchtig gesehen hatte.

Das war der Mann, wegen dem sie angeschossen worden wurde. Sie wollte etwas sagen, mit Anschuldigen um sich schmeißen, doch kein Wort kam über ihre Lippen. Stattdessen sah sie ihn nur an, ohne Vorwurf. Und erst als er ging, fing sie an bittere Tränen zu vergießen.

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