symptoms

Meine Augenlider waren schwer, als ich aufwachte und ich spürte Graysons Arm, der sich um meine Seite geschlungen hatte und mich festhielt. Ich spürte die Präsenz seines nackten Körpers, der sich an meinen schmiegte, die Hitze, die von seiner Haut ausging und seinen Atem, der meinen Nacken kitzelte. Vorsichtig setzte ich mich auf und wurde gleich von starkem Schwindel erfasst und hielt mich an der Bettkante fest um nicht umzukippen, während sich ein heftiges Stechen in meiner Bauchgegend bemerkbar machte.

Vorsichtig stand ich auf und atmete tief durch, als das Schwindelgefühl nachließ, sich aber der Schmerz in meiner Magengegend verstärkte. Ich kannte diesen Schmerz. Er war mein schlimmster Feind und bester Freund. Und ich hatte keine Möglichkeit um etwas dagegen zu tun, weshalb ich beschloss etwas anderes zu machen und das war mich abzulenken. Seufzend stand ich auf und hielt mir mit einer Hand den Bauch, während ich mich daran machte den Saustall, den wir gemacht hatten, aufzuräumen. Ich hätte auch Grayson als Ablenkung missbrauchen können, aber ein Blick zu ihm zeigte mir, dass er noch tief und fest schlief.

Nach weniger als gefühlten zwanzig Minuten war alles, abgesehen von der Couch, so halbwegs ordentlich und ich ging in die Speisekammer und holte uns zwei Dosen Tomatensuppe, die ich öffnete, in den Topf gab und dann auf den Ofen stellte. Die Glut glimmte noch zwischen einzelnen Ascheflocken hervor und die Kunst bestand darin, das Feuer am Leben zu halten.

Seufzend drehte ich mich und sah zum Tisch, wo mindestens zehn Blätter Papier lagen, von denen ich die meisten geschrieben habe. Songs. Sexsongs.

Auf dem Weg dahin zog ich meine Unterwäsche an und schlüpfte in meine einzige Hose. Tag drei, dass wir von dem Blizzard eingeschneit waren. Am ersten Tag hatten wir noch irgendwie versucht uns freizuschaufeln, aber es hatte so gewirkt, als wäre der Blizzard noch nicht wirklich vorüber. Einen Tag später hatten wir fast zwei Meter Schnee und gerade noch genug Sonne, um zu sehen, dass der Blizzard vorbei war, wir aber nicht frei kamen, da die Tür klemmte und die Fenster bis oben hin eingeschneit waren.

Obwohl es Ende Mai war, war es hier in Grönland noch verdammt kalt und man konnte froh sein, wenn die Temperatur sich im positiven Bereich befand. Ein Blizzard um diese Zeit war verdammt selten, aber alles war möglich. Das war das, was meine Eltern an diesem Land so geliebt haben, was sie immer wieder zurückgebracht hat von ihren Forschungen, zurück in die Einsamkeit.

Müde sah ich mir die Zetteln durch, die verschiedenen Songs, erkannte ihre Titel.

Denial
Dead Inside
Once more
Cold
Immortal
Winter

Sex, Grayson, war eine Droge, die mich dazu brachte abzuschalten, alles zu vergessen und die Melodie meines Herzens abzuspielen.

Grayson Callaghan hatte mit Haunt Me seinen internationalen Durchbruch geschafft, ohne mich einmal irgendwo zu erwähnen, ohne zu erwähnen, dass es nicht sein Text war. Und ich hatte es zugelassen. Ich hatte ihn weder ausfindig gemacht, noch hatte ich etwaige Anwälte eingeschaltet, um ihn zu ruinieren. Und das werde ich auch nicht machen, wenn er die Songs veröffentlicht.

Müde strich ich mir über die Stirn, über meine Seite, über die Narbe, mit der alles angefangen hatte. Und ich würde alles tun, um nicht daran erinnert zu werden, wie das alles angefangen hatte.

Ich wollte zurückweichen, als ich eine Hand auf meiner Schulter spürte. „Guten Morgen," sagte Grayson und küsste sanft meinen Nacken, fuhr über meine Seite, dort wo das Narbengewebe war und ich zuckte zusammen, wich einen Schritt von ihm zurück.

„Morgen," erwiderte ich nur, rührte bei der Suppe um und stelle sie dann von der heißen Platte auf den Tisch. „Fünf Sterne Essen ist fertig."

Er setzte sich und lächelte. Seine dunklen Haare waren vom Schlaf verwuschelt und seine grünen Augen glänzten im Licht der aufgehenden Sonne. Beinahe bedächtig langsam aß er die Suppe Schluck für Schluck und seine weichen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als er bemerkte, dass ich ihn anstarrte. Ich spürte einmal mehr die Lust in mir und setzte mich ihm gegenüber. Ich verstand, warum es die Fangirls bei seinem Anblick regelrecht umhaute. Der Mann war einfach zu schön.

„Kompliment an die Köchin," sagte er, als er fertig war und runzelte die Stirn, als er meinen leeren Teller sah.

„Ich habe keinen Hunger," erwiderte ich nur und trug das Besteck zum Waschbecken und versuchte das Bauchweh, dass sich langsam in meinem Magen wie ein Geschwür ausbreitete, zu verdrängen.

Langsam ließ ich das Wasser in das Waschbecken ein und während ich abwusch, trocknete Grayson das Geschirr ab und räumte es dann weg.

„Kaelin?", fragte er und ich griff nach einem Teller, hielt aber mitten in der Bewegung inne, als ich seinen besorgten Tonfall hörte.

„Hmmm?"

„Deine Hände zittern."

Verwirrt sehe ich zu meiner Hand hinunter und ballte sie zu einer Faust zusammen, dehnte die Finger und atmete dann tief durch und hielt mich an der Wand fest, als der Schwindel mit voller Wucht zurückkam und mich überraschend traf.

„Verdammt Kaelin, geht es dir gut?", fragte Grayson und brachte mich zur Couch zurück, kniete sich vor mich und langsam öffnete ich die Augen.

„Wie spät ist es?"

Ich sah wie sein Blick zu der kleinen Uhr an der Wand flog, die wahrscheinlich falsch ging, aber die einzige Möglichkeit war, um irgendwie das Zeitgefühl nicht zu verlieren. „Halb acht."

„Oh."

„Kaelin," sagte er und strich mir über das Kinn. „Was ist los?"

„Nichts, mir ist nur schwindelig und schlecht, das ist alles." Ich versuchte seine Berührung zu ignorieren, doch all die Erinnerungen kamen zurück. Erinnerungen an den Sex, Erinnerungen an das, was er mit mir angestellt hatte, in welche Höhen er mich immer und immer wieder transportiert hatte.

„I-i-ich glaube, dass wir raus können," sagte ich nur und deutete mit dem Kopf zum Fenster, bemüht das Thema zu wechseln. „Es scheint die Sonne und das Fenster müsste fast frei sein. Die Tür müsste sich öffnen lassen."

Ich sah, wie seine Mundwinkeln sich senkten, als er erkannte, dass ich ihm keine befriedigende Antwort geben würde und er ging zur Tür, die sich, nach einigen Versuchen, sogar wirklich öffnen ließ, aber ich konnte von meinem Platz auch sehen, dass die Freischaufeln ein schwieriges Unterfangen werden würde, da immer noch verdammt viel Schnee unsere Freiheit versperrte.

„Ich packe dann mal meine Sachen," sagte ich nur und stand vorsichtig wieder auf, zog mir meinen Pullover an und packte meinen Rucksack ein, sah ihm zu, wie er dasselbe machte.

Ein Stechen in meinem Kopf ließ mich zusammenfahren.

Verdammt, ich brauchte Medizin, Aspirin irgendetwas. Es hatte mit Schwindel angefangen und dass es jetzt schon bei Kopfweh war, war ein schlechtes Zeichen.

Mein Blick schweifte durch die Hütte und schließlich atmete ich tief durch. „Ich räume fertig zusammen und du versucht uns hier raus zu bringen, einverstanden?", fragte ich und er nickte. Dadurch, dass ich vorher noch alles zusammengeräumt hatte, war ich früh genug fertig und überlegte somit wie ich in das Tal kommen würde, wenn mein Snowboard unter einer fetten Schneeschicht lag. Aber die beste Idee war wahrscheinlich einfach zu wandern.

Als wieder ein weiteres Stechen meinen Körper durchfuhr, stöhnte ich beinahe schon genervt auf.

Ich wusste, wonach mein Körper lechzte und ich wusste, dass ich es ihm nicht geben konnte. Und er wusste das auch. Und er protestierte.

„Kann ich dir helfen?", rief ich Grayson zu, der einen Tunnel durch den Schnee grub, doch er hielt nicht inne, als er antwortete.

„Raste dich aus, Kaelin. Wenn es dir scheiße geht, brauchst du es nicht überstrapazieren. Setz dich vors Feuer oder so."

Für einen kurzen Moment zögerte ich, aber ich brauchte alle meine Kräfte, um den Abstieg ins Tal zu überstehen und setzte mich deswegen vor den Ofen, atmete tief durch und wartete.

Einige Minuten später hatte Grayson seinen Durchbruch, denn auf einmal klopfte er gegen das Fenster und grinste beinahe übermütig. "Nimm meinen Rucksack," sagte er und deutete zur Seite, während er das Fenster weiter frei machte. Ich schulterte meinen eigenen, ehe ich seinen nahm, öffnete und die Songtexte ohne weiter nachzudenken hinein stopfte. Ich brauchte sie nicht, ich wollte sie nicht.

Er deutete zur Tür und ich schulterte meinen Rucksack, ignorierte den Schmerz in meinem Bauch, den Schweiß auf meiner Stirn und das Zittern in meinen Händen, atmete tief durch, leckte mir über die Lippen und krabbelte dann durch den Tunnel hinaus in die Freiheit.

Zwei starke Arme griffen nach mir und zogen mich aus dem Tunnel hervor und schlossen dann mit Müh und Not die Holztür der Hütte. "Ich hab die Boards ausgegraben," sagte er und sah ein letztes Mal durch das Fenstee hinein, ehe er sich aufrichtete.

Grayson stand über mir, als ich mich langsam selber aufrappelte und ich schirmte meine Augen mit meinen Handflächen ab, als ich sich umsah und versuchte mich zu orientieren.

„Das Tal ist da," erklärte ich und deutete an einen Punkt Richtung Süden. „Die Talstation ist circa nordwestlich von hier, wenn ich richtig liege. Zwei Meilen vielleicht."

„Gut, dann mach ich mich auf den Weg," sagte er und stellte die Schaufel, die er von irgendwo hatte, hin und zog sein und mein Snowboard aus dem Schnee. „Ich weiß nicht, wie stabil du bist, aber ich muss zur Talstation, dort ist mein Hotel." Sein Leben.

Ich nahm ihm mein Board ab und sah zu meinen Beinen. Ich würde das schaffen. Ich musste das schaffen. „Mein Ziel ist die Stadt," erklärte ich und deutete hinter mich.

Grayson lächelte mich zerknirscht an und kam dann einen Schritt auf mich zu, und ehe ich reagieren konnte, befand ich mich in einer Umarmung, die ich zögernd erwiderte. „Es war mir eine Ehre, dich wieder zu sehen, Kaelin. Vielleicht treffen wir einander irgendwann wieder," sagte er, drückte mir einen Kuss auf die Lippen, lächelte ein letztes Mal, bückte sich und schnallte seine Beine fest auf das Board. Kaelin. Diese Betonung. Niemand würde es jemals wieder so sagen.

„Darauf kannst du Gift nehmen," erwiderte ich nur und winkte ein letztes Mal, ehe er verschwand. Mit Bedacht setzte ich meinen Helm auf meinen Kopf, stellte mich auf das Board, befestigte meine Beine, schulterte den Rucksack, ignorierte meine Schmerzen und machte mich auf den Weg ins Tal. Zurück in mein Leben.

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