secrets

Ich spürte ihre Blicke auf mir und ich wusste, dass sie sich um mich sorgten. Denn auch wenn ich geglaubt hatte, dass ich es verstecken konnte, war dem nicht so. Klar, die Halluzinationen hatten fast mehr als vier Stunden später nachgelassen, aber die Benommenheit war noch da und mein Kopf fühlte sich so leicht an, so leicht, als würde ich mit den schwarzen Schmetterlingen, die im Gericht ihre Runden drehten, abheben können. Vielleicht waren die Halluzinationen doch noch nicht ganz weg. Aber was wäre besser gewesen: Prompte, extreme Entzugserscheinungen oder Friede, aber mit Konsequenzen?

So aber waren mir vor allem Reece', Jessicas und gelegentlich auch Graysons Blick nur allzu bewusst, denn jedes Mal, wenn ich aufgerufen wurde, waren meine Antworten, anders als sonst, nicht zielgerichtet, sondern eher schwammig. Das Gute war nur, dass ich nicht besonders oft aufgerufen wurde, sondern Jessica und Ezra sich immer wieder Argumente um die Ohren schmissen. Was für alle ermüdend waren, und irgendwann war es auch der Richterin genug und sie pausierte das Verfahren für einen weiteren Tag. Wahrscheinlich hoffte sie, genauso wie ich und, vielleicht, Grayson insgeheim, dass wir uns außergerichtlich einigen würden.

„...vertagt sich," hörte ich nur noch und spürte Jessicas Hand, die mich am Arm packte und hochzog.

„Kaelin? Geht es dir gut?", zischte sie in mein Ohr, ihre Stimme noch immer angespannt von Stunden in denen sie sich gestritten hatten.

„Ja, ich brauche nur frische Luft," redetet ich mich hinaus, versuchte den Schwindel zu ignorieren und erinnerte mich stattdessen an das Treffen mit dem Privatdetektiven, das mir bevorstand.

Ich war bereits zu spät, wie ich mit einem Blick auf die Uhr erkannte und eilte ohne einen weiteren Blick auf meine Umgebung aus dem Saal und zum Hinterausgang.

James Millstone war ein renommierter Privatdetektiv, der mir von Clyde in Kontakt gestellt worden ist. Dieser wird auch die Rechnung übernehmen, wie ich erfahren hatte, ich sollte sie einfach von Millstone entgegen nehmen und dann an ihn weiterleiten.

Ich wusste nur zu gut, dass Clyde nicht aufhören würde. Er würde mich trotzdem immer wieder fragen, ob er mir helfen kann, wo es nur ging. Auch wenn er Drogendealer war, der mit Fly sich sein eigenes Imperium aufgebaut hatte, hatte er dennoch einen ausgeprägten Beschützerinstinkt wenn es um mich ging und half mir wo es nur ging, was auch mit seinem schlechten Gewissen zu tun hatte, das wusste ich selber.

Ich hatte ihn noch nie gesehen und wusste auch nicht, wie der Detektiv aussah, aber da am Hinterausgang nur ein Mann wartete, war es ziemlich einfach für mich.

„Mrs. Hall," begrüßte er mich und blies mir von seiner Zigarre eine Rauchwolke ins Gesicht. Er war Ende dreißig, hatte stellenweise graues Haar und intensiv blaue Augen. Seine Kleidung zeugte von einem höheren Lebensstandard mit gutem Einkommen, so perfekt sein grauer Anzug, der unter dem eleganten Mantel hervorblitzte, saß. „Ich habe Ihre Dokumente, aber zuerst will ich Sie fragen, ob sie sich der Tragweite, die diese Beweise mit sich bringen, bewusst sind."

„Wie schlimm sind die Dokumente?", fragte ich nur, hörte selber das Zittern in meiner Stimme, die Schwäche.

Er zögerte und ich sah, wie sich sein Griff um den Ordner verstärkte. „Sollten Sie beschließen diese Dokumente entgegen zu nehmen, bitte ich sie zutiefst darum, mehrmals zu überlegen, sollten Sie an die Öffentlichkeit gehen. Das hier," er deutete mit seinem Kinn auf den Ordner. „kann eine Karriere mehr als nur gründlich zerstören."

Ich biss mir auf die Innenseite meiner Wange und mit einem Mal war ich mir unsicher, was ich wollte. Wollte ich das? Wollte ich diesen Prozess auf diese Art und Weise gewinnen. Ich würde Lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht an die Öffentlichkeit gehen wollte, aber war das meine eigene Option?

„Was schlagen Sie vor?", fragte ich stattdessen und mit einem Mal war das Gefühl, das Fly mir immer gab, wie weggeblasen.

„Konfrontieren Sie ihn, reden Sie darüber, vielleicht hat auch er etwas gegen Sie in der Hand," sagte er nur andeutungsweise und ich runzelte die Stirn.

„Gibt es da etwas, das ich wissen sollte?", fragte ich nur und atmete tief durch, spürte wie ich schwankte, meine Welt sich zu drehen begann. Fly hatte also noch nicht ganz nachgelassen.

„Ich spreche nicht über mein Klientel," sagte Mr. Millstone nur und steckte seine Hände in die tiefen Manteltaschen. „Die Rechnung befindet sich mit der Zahlungsfrist im Ordner. Guten Tag, Mrs. Hall. Machen Sie das beste aus dem, was Sie haben."

Und mit diesen Worten machte er auf dem Satz kehrt und ließ mich verwirrt zurück. Meine Gedanken schwirrten in meinem Kopf umher und mein Magen machte Purzelbäume, während ich versuchte die neu gewonnen Informationen zu verarbeiten.

Langsam drehte ich mich um, krallte meine Finger in das Plastik des Ordners und atmete tief durch. Ich hielt Grayson Callaghans Geheimnis an meine Brust gedrückt, das, was seine Karriere zerstören konnte, doch wollte ich das? Wollte ich das Verfahren auf diese Art und Weise beenden?

Mit zitternden Fingern stieß ich die Tür auf und mein Blick flog durch den fast leeren Gang. Vorsichtig, mir jeden meiner Schritte bedacht ging ich die Treppen hinauf, zu den Toiletten, doch als ich das Ende der Treppen erreicht hatte, stand dort Grayson. Er sagte kein Wort, musterte mich nur, eine in Leder gebundene Mappe in seinen Händen und ein ernster Ausdruck auf seinem Gesicht, doch er hielt mich nicht auf, als ich an ihm vorbeiging. Er sagte kein Wort, machte keine Bewegung.

Erst auf der Toilette sah ich auf mein Telefon und damit seine Nachricht.

Wir müssen reden.

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