Kapitel 21




Stephen.

Wir landeten mit einem Ruck auf dem Dach des Stark Towers.
Kaum war die Rampe des Quinjets unten, stürmte eine medizinische Einheit heran. „Hierher!", rief Tony und winkte die Sanitäter zu sich. Ich wich keinen Zentimeter von Dove. Auch als sie sie auf eine Trage legen wollten, ließ ich ihre Hand nicht los. „Stephen...", murmelte Bruce vorsichtig. „Wir müssen sie behandeln." Ich nickte schwer, küsste Dove ein letztes Mal sanft, bevor ich ihre Hand in die ihren legte und sie von den Sanitätern davongetragen wurde.

Wir folgten ihr auf die Krankenstation.
Der Raum war hell, steril, viel zu ruhig. Dove wurde an Monitore angeschlossen. Infusionen hingen von der Decke, Maschinen überwachten jede ihrer schwachen Atemzüge. Ich setzte mich sofort an ihre Seite. So wie ich es ihr versprochen hatte.
Meine Finger suchten ihre — blass und kalt in meiner warmen Hand. Tony stand am Fußende des Bettes, die Arme verschränkt, sein Blick voller Zorn und Sorge.
Steve trat dicht daneben, seine Stirn in tiefe Falten gelegt.
Wanda hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und weinte leise. Nur einer fehlte. Bucky.

Er hielt sich bewusst fern. Gut so.
Wenn ich ihn jetzt gesehen hätte — ich wusste nicht, ob ich mich zurückhalten könnte. Auch wenn er sie in letzter Sekunde gerettet hatte, und Varéne erledigt hatte, ist er immer noch derjenige, der uns in diese Lage erst gebracht hatte.

Stunden vergingen.
Keiner sprach.
Nur das ständige Piepen der Maschinen füllte den Raum. Ich ließ meine Hand nicht von ihr.
Ich sprach leise auf sie ein, flüsterte ihr Geschichten von uns zu, erzählte ihr von unserer Zukunft, der Zukunft, die ich für uns beide retten würde, koste es, was es wolle.
Irgendwann brachte Pepper uns Kaffee.
Keiner rührte ihn an.

„Du solltest deine Wunden versorgen lassen, Doc", sagte Tony gedämpft.
„Mir geht's gut", beanstandete ich. „Bitte, Stephen. Lass dich versorgen. Das wäre auch in ihrem Sinne." Wanda war deutlich. Widerwillig lies ich die Wunden desinfizieren und abdecken, aber alles in Doves Nähe, damit ich ja keine Sekunde von ihr getrennt sein würde.
Sam saß zusammengesunken auf einem Stuhl in der Ecke, starrte auf seine Hände. Rhodey lehnte an der Wand, den Blick auf die Fenster gerichtet. Tony schien jede Bewegung des medizinischen Personals zu beobachten, bereit, jeden zu feuern, der nicht alles für Dove tat. Wanda saß dicht bei ihr, streichelte manchmal sanft ihre Haarspitzen. Ich sprach kein Wort mehr.
Ich konnte es nicht. Meine Kehle war wie zugeschnürt.

Nachts, als sich der Tower in Stille hüllte und die meisten sich schweren Herzens zurückzogen, blieb ich.
Allein mit ihr. Ich saß auf dem kleinen Stuhl neben ihrem Bett, ihre Hand in meiner. Genau wie damals. Ihre Brust hob und senkte sich mühsam. Tränen liefen mir über das Gesicht, lautlos, unerbittlich.
„Dove...", flüsterte ich gebrochen.
„Du darfst mich nicht allein lassen... ich kann ohne dich nicht sein..."
Ich senkte meinen Kopf auf ihre Hand, drückte meine Stirn an ihre Finger. „Es tut mir leid...", flüsterte ich. „Ich hätte dich beschützen müssen... Ich habe versagt..."

Die Schuld erdrückte mich.
Wie eine schwere, eiserne Kette, die mir die Luft abschnürte.
Draußen vor der Tür hörte ich Schritte. Steve stand da, sah mich an. Sein Blick war voller Mitgefühl, aber auch Schmerz.
„Sie weiß, dass du alles getan hast, was du konntest. Da bin ich mir sicher."
„Wie kannst du dir da so sicher sein?" fragte ich skeptisch.
„Weil es Dove ist. Sie hat erneut unsere Pläne durchkreuzt und ihre eigene Mission daraus gemacht. Sie wollte dich um jeden Preis retten. Sie wusste, welches Risiko sie einging und tat es trotzdem - aus Liebe." Steve sah zu ihr und lächelte leicht. „Sie ist stark, Stephen. Sie würde alles tun für die Menschen die sie liebt. Da sind wir alle gleich. Und sie weiß, dass du genau so gehandelt hättest, ohne Zweifel."
Seine Worte beruhigten mich etwas, doch nicht so sehr, dass meine Unruhe schwieg.
Stunden später saß ich noch immer da.
Die Sonne ging über New York auf, tauchte den Raum in goldenes Licht. Ich hob Dove's Hand an meine Lippen, küsste sie sacht. „Ich bleibe bei dir, solange du mich brauchst", flüsterte ich heiser.
„Und noch viel länger."

Die Sonne kletterte höher, warf lange, warme Streifen auf den Boden der Krankenstation.
Ich saß noch immer neben ihr, die Finger um ihre zarte Hand geschlungen. Mein Kopf ruhte erschöpft auf der Bettkante. Meine Augen brannten von der Müdigkeit, doch schlafen konnte ich nicht.
Ich wollte keinen Moment verpassen. Keinen einzigen Atemzug. Plötzlich... Eine Regung. Kaum mehr als ein Zittern unter meinen Fingern.

Ich hob sofort den Kopf, riss die Augen auf. „Dove?", flüsterte ich atemlos. Ihr Lider zuckten. Ein Stöhnen entrang sich ihren spröden Lippen. Ihre Stirn verzog sich in einer schmerzhaften Regung. „Dove, ich bin hier", sagte ich, und meine Stimme brach fast unter der Wucht der Emotionen. Ihre Augenlider flatterten. Langsam, mühsam — als müsste sie gegen eine unsichtbare, gewaltige Last ankämpfen. Und dann sah ich sie.
Diese blauen Augen. Verwirrt. Verletzt.
Und voller Angst.

„Hey...", murmelte ich sofort beruhigend, beugte mich näher zu ihr.
„Ganz ruhig, Liebling. Du bist in Sicherheit. Es ist vorbei." Ihre Lippen bebten.
Sie versuchte etwas zu sagen, doch nur ein heiseres Flüstern kam über sie. Ich nahm einen Schluck Wasser aus dem Becher auf dem Nachttisch, benetzte vorsichtig ihre Lippen. „Nicht sprechen", sagte ich sanft. „Ruhe dich aus. Ich bin hier." Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Und meine ebenfalls. Ihre Hand, noch immer in meiner, drückte schwach meine Finger. Ein winziges Zeichen.
Aber für mich bedeutete es alles.

Ich legte meine Stirn gegen ihre Hand und presste die Augen zusammen. „Ich liebe dich", flüsterte ich gegen ihre Haut. „Und ich werde dich nie wieder loslassen."
Das Piepen der Monitore beschleunigte sich leicht. Tony und Steve, die draußen Wache gehalten hatten, traten vorsichtig ein. Wanda hinter ihnen, mit roten Augen, doch einem zaghaften Lächeln. Tony trat an das Fußende des Bettes, musterte die Monitore, dann sie.

„Hey, Kleines", sagte er rau. „Willkommen zurück."
Dove blinzelte langsam, mühsam.
Ein Schatten von einem Lächeln zuckte über ihre Lippen. Wanda trat näher, ihre Hände zitterten leicht, als sie eine Strähne aus Doves Gesicht strich. „Du hast uns einen verdammten Schrecken eingejagt", murmelte sie. „Wieso machst du nie das, was man dir sagt?" Wanda lächelte leicht und strich ihr behutsam über den Kopf.
Dove wollte etwas sagen — ein Protest, ein Dank, irgendetwas — doch wieder kam nur ein Hauch von Luft über ihre Lippen. Ich beugte mich zu ihr, streichelte ihre Wange. „Alles zu seiner Zeit", versprach ich.
„Du bist stark. Du hast es geschafft. Jetzt heilst du."

Sie blinzelte wieder.
Ihre Augen fanden meine.
Und in diesem Blick — trotz Schmerz, trotz Angst — war noch immer die gleiche Liebe, die gleiche Verbindung, die ich für sie empfand. Unzerbrechlich. Ewiger als Zeit.

***

Zwölf Wochen später.

Die Sonne tauchte New York in ein warmes, goldenes Licht, als ich auf den Balkon unserer neuen Wohnung trat. Unsere. Dove und ich.
Ein sanfter Wind spielte mit den Vorhängen, und in der Ferne rauschte die Stadt — lebendig, pulsierend.
Aber hier, auf diesem kleinen Balkon, in dieser kleinen Welt, existierte nur Frieden.

Hinter mir hörte ich das leise Lachen von Dove.
Sie saß auf dem weichen Sofa im Wohnzimmer, barfuß, in einem meiner viel zu großen Hemden, und kämpfte mit einer widerspenstigen Zimmerpflanze, die sie unbedingt retten wollte. Mein Herz wurde jedes Mal schwer und leicht zugleich, wenn ich sie ansah. Sie heilte.
Langsam, mit Narben auf der Haut und in der Seele.
Aber sie heilte. Und ich durfte jeden dieser Schritte mit ihr gehen.

Vor ein paar Tagen hatte ich mich — schweren Herzens, aber fest entschlossen — mit Bucky getroffen.
Allein. Wir saßen auf einer abgelegenen Parkbank, abseits von neugierigen Blicken. Er hatte auf den Boden gestarrt, seine Hände verkrampft ineinander verschränkt.

„Es tut mir leid", hatte er schließlich gesagt, rau und ehrlich.
„Für alles."
Ich hatte lange geschwiegen.
Hatte ihn angesehen — wirklich angesehen— und erkannt, dass er es bereute.
Dass er sich selbst vielleicht mehr hasste als ich ihn je könnte.

„Ich weiß", hatte ich leise geantwortet.
„Und ich weiß auch, dass sie dir vergeben hat. Aber... Dove gehört zu mir."
Er hatte genickt, die Schultern schwer.
„Ich weiß. Und... ich wünsche euch alles Glück dieser Welt."
In diesem Moment hatte ich ihm die Hand gereicht.
Und er hatte sie ergriffen.
Nicht, um Freunde zu werden.
Aber um Frieden zu schließen.
Für Dove. Für uns alle.

**

Jetzt stand ich hier, mit einem kleinen, samtbezogenen Kästchen in meiner Jackentasche.
Mein Herz hämmerte in meiner Brust.

Ich hatte Wochen damit verbracht, den perfekten Moment zu finden.
Aber irgendwann hatte ich begriffen — der perfekte Moment war jeder, an dem sie bei mir war. Also atmete ich tief durch, trat wieder ins Wohnzimmer und ging auf sie zu. Sie sah auf, lächelte dieses Lächeln, das die Welt zum Stillstand brachte.

„Was ist?", fragte sie leise, legte die Pflanze beiseite.
Ich kniete mich vor sie hin. Sah in ihre Augen, diese Augen, die mir mehr Heimat bedeuteten, als jeder Ort auf dieser Welt.

„Dove Kingsley", begann ich, und meine Stimme bebte leicht.
„Du bist mein Licht. Mein Zuhause. Mein Grund zum atmen." Sie schluckte hart, Tränen stiegen ihr in die Augen und ihre Hand zitterte.
Ich zog das kleine Kästchen aus der Tasche, öffnete es — ein schlichter, wunderschöner Ring, in der Mitte ein tiefblauer Saphir, umgeben von kleinen Diamanten, so hell wie ihr Lächeln.

„Willst du... meine Frau werden?", flüsterte ich.
Einen Moment schien die Welt stillzustehen. Nur unser Atem, unser Herzschlag. Dann nickte sie heftig, Tränen liefen über ihr Gesicht, und sie lachte — ein reines, freies Lachen.
„Ja!", rief sie. „Ja, Stephen, tausendmal ja!"
Ich schob ihr den Ring auf den Finger und sie warf sich in meine Arme.
Ich hielt sie fest, als wäre sie alles, was mich auf dieser Erde hielt — und das war sie auch.

Wir blieben lange so sitzen, verloren in einer Blase aus Glück, Liebe und Versprechen. Für immer.

Und diesmal wusste ich: Kein Fluch, keine dunkle Macht, keine Wunde der Welt würde uns je wieder auseinanderreißen. Wir hatten überlebt.
Und jetzt gehörte uns die Zukunft. Zusammen.
Für alle Zeit.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top