Kapitel 11







Erschöpft ließ ich mich gegen die kalte Wand der Trainingshalle sinken. Mein Körper brannte vom Training, aber in meinem Inneren herrschte eine andere Art von Unruhe. Etwas lag in der Luft, schwer und unausweichlich. Stephen füllte unsere Trinkflaschen auf und war einen Moment verschwunden, bevor wir mit der Trainingseinheit weitermachten.

Ich hörte Schritte, und als ich aufsah, stand Bucky da.
Sein Blick war entschlossen, aber in seinen Augen schimmerte Unsicherheit.
„Hey", sagte er rau.
Ich richtete mich auf und lächelte leicht. „Alles gut bei dir?"
Er schob die Hände tief in die Taschen seiner Jacke, trat näher.
„Ich... ich muss mit dir reden. Wirklich reden."

Sein Tonfall ließ keinen Zweifel zu. Ich nickte stumm und folgte ihm durch die stillen Gänge, bis wir in einer abgelegenen Ecke des Compounds standen. Hier waren wir allein. Hier gab es keine Ausflüchte.

Bucky lehnte sich gegen die Wand, sah kurz zu Boden, bevor er mich direkt ansah.
„Dove", begann er nervös. „Ich habe lange versucht, es zu verdrängen. Habe mir eingeredet, dass ich mit deiner Freundschaft zufrieden bin."
Er machte eine Pause, als müsste er sich sammeln.
„Aber ich bin es nicht."

Mein Herz schlug schwer. Ich ahnte, was jetzt kam. Und ich wünschte, ich könnte ihn davor bewahren. Ihn aufhalten.
„Bucky..." setzte ich an, doch er hob eine Hand.
„Lass mich ausreden", sagte er. „Ich weiß, du hast dein Herz an Strange verloren. Aber er..." Seine Stimme zitterte kurz. „Er wird dich verletzen, Dove. Er wird dich am Ende stehen lassen, weil er nie weiß, wann er genug hat. Ich... ich würde dich nie so verletzen. Das weißt du. Ich würde alles erdenkliche tun, um dir deinen Freiraum zu geben, um dich entfalten zu können."
Schmerz flackerte in seinen Augen, aber auch Hoffnung.

Ich trat einen Schritt näher, zwang mich, ihm offen zu begegnen.
„Bucky, bitte hör mir zu", sagte ich leise. „Mein Herz... gehört Stephen. Ganz. Es hat nie jemand anderen gehört. Auch wenn er manchmal Fehler macht, auch wenn er kompliziert ist – ich liebe ihn."

Er schüttelte den Kopf, als wolle er meine Worte wegwischen. „Du denkst, du liebst ihn, Dove. Aber Liebe sollte nicht so wehtun. Sie sollte einfach sein. Natürlich. Du verdienst jemanden, der dich nicht ständig zerreißt."
„Und du denkst, das wärst du?" flüsterte ich und erhoffte mir seine Einsicht.

Er trat näher, so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte.
„Ja", sagte er heiser. „Ich wäre besser für dich. Ich würde dich auf Händen tragen, Dove. Ich würde dich lieben, ohne dass du dich fragen musst, ob du gut genug bist. Ohne dich verändern oder kontrollieren zu müssen. Wir wären stark zusammen. Und unaufhaltsam. Aber Stephen.." Er schüttelte seinen Kopf. „Stephen bremst dich aus. Er möchte nicht, dass du dich entwickelst. Er möchte dich unter seiner Kontrolle lassen und sieht dabei zu, wie du immer mehr von dir verlierst, bis du genau das bist, was er möchte."
Etwas in mir brach bei seinen Worten, aber es war kein Widerstand, kein Zögern – es war Traurigkeit. Weil er ein so schlechtes Bild von Stephen hatte. Weil er ihm unrecht tat. Und das hatte Stephen nicht verdient. Nicht nach allem was er für mich getan hatte und welchen Menschen er aus mir gemacht hatte.

Bevor ich reagieren konnte, legte er seine Hand an meine Wange, zog mich zu sich – und küsste mich.
Sein Kuss war bittersüß, voller Hoffnung und verzweifelter Liebe.
Für einen Herzschlag ließ ich es geschehen, zu überrascht, zu erschüttert um zu reagieren.
Doch dann riss ich mich schnell los. Das war nicht richtig.
Ich legte meine Hand gegen seine Brust und drängte ihn sanft, aber bestimmt zurück.
„Bucky, es tut mir leid", flüsterte ich. „Aber mein Herz gehört nicht dir."

Ich sah den Schmerz in seinen Augen – roh und offen – in dem Moment, als eine Tür hinter mir aufflog.
Ich drehte mich um – und mein Herz erstarrte. Für nur eine Sekunde schlug mein Herz nicht mehr.
Stephen stand an der Tür. Seine Hand ruhte noch auf der Türklinke, sein Gesicht eine Maske aus eisiger Kälte. Doch seine Augen... seine Augen verrieten ihn. Schmerz. Verrat. Enttäuschung.

Mein Herz rutschte mir in die Hose.
„Stephen, bitte", begann ich, doch er hob eine Hand und schnitt mir das Wort ab.
Ein bitteres, fast spöttisches Lächeln verzog seine Lippen. „Es scheint, als ob du mich hierfür nicht brauchst."
Seine Stimme war messerscharf, wie ein Dolch, das direkt in meine Brust glitt. Wie damals.

Bevor ich etwas sagen konnte, drehte er sich um und verschwand.
Ich wollte ihm hinterher, wollte schreien, ihn aufhalten, alles erklären – aber meine Beine fühlten sich an, als wären sie aus Blei.
Bucky sagte nichts. Er wusste, dass er mich in diesem Moment endgültig verloren hatte.

Und ich wusste, dass ich vielleicht auch Stephen verloren hatte.
Ich wusste nicht, wie lange ich einfach nur dastand.
Buckys Worte hallten noch in meinen Ohren, aber sie verloren an Bedeutung. Er hatte sich wortlos umgedreht und war gegangen. Er hatte dieses Problem verursacht und mich einfach damit alleine gelassen.
Doch alles was zählte, war der Ausdruck in Stephens Augen gewesen – diese Mischung aus Schmerz und kalter Enttäuschung.

Ich zwang meine Beine, sich zu bewegen.
Ich musste ihn finden. Ich musste es ihm erklären. Er durfte nicht glauben, dass ich ihn verraten hatte.
„Stephen!" rief ich, während ich durch die Gänge des Compounds hetzte.
Jeder Raum, jede Tür, hinter die ich sah, war leer.
Er entzog sich mir, so wie ich es am meisten fürchtete. Ich teleportierte mich ins Sanctum. Ich wusste - nein, ich spürte - dass er dort war.
Schließlich erreichte ich die Bibliothek.
Sein Rückzugsort. Sein Heiligtum.

Und da war er.
Er stand mit dem Rücken zu mir, den Blick auf die Fenster gerichtet, die hinaus in die Dämmerung führten.
Seine Haltung war steif, abweisend.
„Stephen, bitte..." Meine Stimme brach.
Ich trat näher, aber er bewegte sich nicht.
„Es war nichts", flüsterte ich. „Er hat mich geküsst. Ich wollte es nicht. Ich... ich hab ihn sofort zurückgestoßen."
Lange Stille.
Nur das leise Ticken einer antiken Uhr war zu hören.

„Aber du hast es zugelassen", sagte Stephen schließlich, seine Stimme kalt, messerscharf. Ich zuckte zusammen, als hätte er mich geschlagen.
„Nur für eine Sekunde", hauchte ich. „Ich war überrascht. Geschockt. Ich—"
Er drehte sich um, und der Schmerz in seinem Gesicht ließ mir die Kehle zuschnüren.
„Eine Sekunde reicht", sagte er rau. „Eine gottverdammte Sekunde... und alles verändert sich."
Tränen stiegen mir in die Augen, aber ich zwang mich, nicht zu blinzeln. Nicht jetzt.
„Ich liebe dich, Stephen", sagte ich. Meine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, aber ich wusste, er hörte jedes Wort. „Nur dich, und das weißt du."

Etwas flackerte in seinen Augen – ein Hauch von Hoffnung vielleicht –, doch er unterdrückte es sofort wieder.
Seine Lippen pressten sich zu einer schmalen Linie.
„Liebe allein reicht nicht immer, Dove", sagte er leise.
Seine Worte ließen mich innerlich zerbrechen.
Ich machte einen Schritt auf ihn zu, streckte die Hand aus. „Gib uns nicht auf", flehte ich. „Ich bitte dich. Du bist alles was ich will, was ich brauche."

Für einen endlosen Moment schwankte er. Ich sah es – das Ringen in seinen Augen, den Schmerz, das Verlangen.
Und dann – Er wich zurück.
„Ich brauche Zeit", sagte er.
Er drehte sich um, ließ mich zurück.
Allein und zerbrochen.

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