Kapitel 1
Hätte mir irgendjemand vor drei Jahren erzählt, dass ich eine neue Familie, einen Freund und so etwas wie eine Berufung gefunden habe, und völlig im Einklang mit mir selbst bin, hätte ich den jenigen wahrscheinlich ausgelacht und ihm befohlen, irgendetwas peinliches zu tun. Nur für meine Belustigung. Doch genau das war heute mein Alltag. Ich lebte noch immer gemeinsam mit den Avengers im Stark Tower im Herzen New Yorks. Wir neckten uns noch immer fast täglich. Die Serie „Say yes to the Dress" war nun ein Donnerstags Ritual geworden. Nur die Jungs und Ich. Wir genossen die Anwesenheit des jeweils anderen, und gingen weiterhin auf gemeinsame Missionen. Ich war mittlerweile fester Bestandteil dieser „Familie" und wir konnten nicht mehr ohne einander.
So auch mit Stephen. Seit dem Vorfall mit Ragor waren wir unzertrennlich. Es lagen fünf Monate zwischen den Ereignissen, und wir lernten uns noch immer jeden Tag etwas mehr kennen. Ich glaube, dass man sich selbst nach Zehn Jahren noch immer nicht richtig kennt. Deswegen genoss ich jede Sekunde mit ihm, und saugte förmlich jeden Augenblick in mich hinein. Wir versuchten uns so oft wie möglich zu sehen. Manchmal trafen wir uns auf einen schnellen Kaffee um die Ecke, manchmal war es ein geplantes Date. Wir beide hatten Verantwortung und waren nicht immer gemeinsam auf Missionen unterwegs. Die stetige Sorge um ihn machte es mir nicht einfacher, mich auf meine Ziele zu konzentrieren. Er war noch immer ein mächtiger Zauberer. Auch Stephen hatte Feinde. Und diese könnten unberechenbar sein. Aber unser größter Feind, war die Zeit. In den letzten drei Wochen hatten wir kaum Zeit für einander gehabt. Wir sahen uns nur 4 mal und das auch nur sporadisch und kurz. Ich vermisste ihn. Ich vermisste ihn so sehr. Ich hatte bereits mit Wong gesprochen und ihn gebeten, ihn etwas mehr freizustellen, damit wir mehr zusammen sein konnten.
Wong hatte mich einfach nur ausgelacht und mich vertröstet. Er konnte noch immer nicht glauben, wie sehr ich mich verändert hatte. Und er hatte Recht. Ich war ein völlig anderer Mensch geworden, dank Stephen. Er hatte mich zum besseren Menschen gemacht. Das alles hatte ich ihm zu verdanken. Doch ich vermisste seine Nähe und die Sicherheit, die er mir immer gab. Ich vermisste seine flüchtigen Berührungen und die zarten Küsse, die er sich stahl, wenn niemand hinsah. Und ich vermisste etwas, was ich noch nicht mit ihm hatte.
Außer gemeinsames kuscheln und küssen, hatte noch nicht viel zwischen uns stattgefunden. Das war der Zeit geschuldet. Und es wurde zunehmend schwerer, ihn nicht einfach zu überfallen. Ich wollte ihn auch nicht überrumpeln, oder zu etwas drängen, was er nicht wollte. Nach Ragor hatte ich ziemlich viel Zeit gebraucht, um mich zu erholen. Mein Unterschenkel wollte einfach nicht richtig verheilen und ich lief ganze zwei Monate auf Gehstützen. Und die Narbe an meiner Brust hatte sich immer wieder entzündet. Wir waren mit anderen Dingen beschäftigt, als uns gegenseitig die Kleider vom Leib zu reißen. Aber ich wusste, dass es an unserer beiden Geduld zerrte und es nur noch eine Frage der Zeit war, bis wir beide vor Ungeduld explodierten. Das nächste Treffen mit Stephen stand in vier Tagen an. Ich hatte also noch genug Zeit mir etwas zu überlegen, um ihn zu überraschen. Doch vorher musste ich mich um James kümmern.
Er war ein komplettes Wrack seit Jill und er nicht mehr zusammen waren. Ganze sechs Monate hatte das ganze gehalten, mehr nicht. Obwohl ich eigentlich dachte, dass es eine interessante Kombination sein musste. Tja, ich hatte mich wohl geirrt. Jill war wohl ein größerer Diktator als ich gedacht hatte. Ich wusste nicht, dass sie so manipulativ und rechthaberisch sein konnte. Sie musste immer den Ton angeben, musste immer diejenige sein, die Entscheidungen trifft. Er durfte hauptsächlich neben ihr Atmen und Ja sagen. Aber sie sah das alles anders. Natürlich.
Ein wenig tat er mir schon leid, aber er war alt genug. Ehrlich gesagt, hatte ich ihn für dominanter gehalten. Wer hätte denn ahnen können, dass James Buchanan Barnes ein Weichei war? Okay, vielleicht war das doch zu gemein, aber er sollte sich schleunigst Eier wachsen lassen, bevor man ihm diese entnahm und als Spiegelei servierte. Seine nächtlichen Heulkrämpfe konnte ich mittlerweile gekonnt ignorieren. Anfangs kam er nachts in mein Zimmer und heulte wie ein Schlosshund. Er lag in meinem Bett und musste getröstet werden, und zwar so lange, bis er vor Erschöpfung einschlief. Dieser Zustand musste aufhören. James und Ich trafen uns täglich im Park um gemeinsam zu spazieren und alles Revue passieren zu lassen. So wie auch heute. Ich war keine Freundin mehr, ich war seine Therapeutin. Ohne Bezahlung. Er trug einen Schwarzen Pullover und hatte die Kapuze aufgezogen. Seine Augenringe reichten ihm bis zu seinen Wangenknochen. Er sah furchtbar aus. „Du weißt schon, dass wir vierundzwanzig Grad haben und die Sonne scheint?" Ich schwitzte bereits in meiner luftigen Bluse und dem kurzen Rock, und er war dunkel und dick eingepackt. „Ich bin nicht in Stimmung um etwas anderes als Schwarz anzuziehen."
„Das musst du auch nicht. Aber ich möchte auch nicht, dass du an einem Hitzschlag stirbst." Ich lächelte ihn vorsichtig an und beobachtete seine Mimik.
„Ich dachte wirklich, Ich hätte meine bessere Hälfte gefunden, weißt du? So wie du Stephen gefunden hast."
„Naja, Stephen und ich konnten uns Anfangs nicht ausstehen. Manchmal brauchen die wirklich guten Dinge einfach länger Zeit."
Er dachte angestrengt nach. „Weißt du was ich anfangs dachte?"
Wir setzten uns auf eine Bank gegenüber einer Reihe großer Eichen und sahen beide in die Ferne.
„Ich dachte tatsächlich wir zwei hätten etwas besonderes."
Verdutzt sah ich ihn an und kniff die Augenbrauen zusammen. „Wie meinst du das?"
„Naja, wir haben am Anfang ja auch geflirtet und uns geneckt, uns bestimmte Blicke zugeworfen und so etwas. Aber es wurde nie etwas daraus. Wieso eigentlich nicht?"
Ohje. In welche Richtung ging dieses Gespräch hier gerade?
„Hm, ich weiß nicht Buck. Vielleicht war es einfach nur Spaß und es war nichts ernstes dabei. Außerdem hattest du mich nach der Schiffsmission gehasst." Ich zuckte mit den Schultern.
„Du weißt hoffentlich, dass ich dich nie wirklich gehasst habe, oder?"
„Wirkte damals nicht so. Du warst sehr überzeugend."
Wir grinsten beide und ich stupste ihn mit meiner Schulter an. Ich wusste, dass es ihm noch immer unangenehm war , wie er sich mit gegenüber verhalten hatte.
„Versuche nicht zu viel in die Sache mit Jill hinein zu interpretieren. Wenn sie deinen Wert nicht erkennt, dann hat sie dich einfach nicht verdient. Lass sie los. Ansonsten wirst du es nicht schaffen glücklich zu sein."
Er räusperte sich.
„Du findest immer die richtigen Sätze für die richtigen Momente, nicht wahr?" Er nahm plötzlich meine Hand und drückte sie. Freundschaftlich tätschelte ich sein Handrücken. Er tat mir wirklich leid. Ich wusste nur zu gut wie sich so etwas anfühlte. Das konnte wirklich schmerzhaft sein und schwierig zu überwinden, wenn man nicht die richtigen Leute in seinem Umfeld hatte, die einen auffingen.
Er lehnte seinen Kopf gegen meine Schulter und schloss die Augen. Seine Atmung ging ruhig und gleichmäßig. Was Stephen wohl denken würde wenn er das jetzt sehen würde?
Als hätte ich Dämonen beschwört, tauchte er durch sein Portal auf und stand in seinen Gewändern, in dem er übrigens fantastisch aussah, vor uns.
James löste sich von meiner Schulter und rollte mit den Augen. Sie kamen noch immer nicht miteinander klar. Stephen hatte ihm noch immer nicht verziehen, dass James mich damals zu Ragor gefahren hatte. Und James konnte Stephen einfach nicht ausstehen. Warum habe ich aber noch immer nicht rausfinden können.
„Hallo Liebling," er sah mich mit einem seiner schönsten Lächeln an und wandte sich dann weg. „James," nickte er ihm nur kurz zu.
„Wir müssen unser Date heute verlegen."
Traurigkeit legte sich über mein Herz. Bitte lass nicht wieder mehrere Tage vergehen, bis ich ihn wieder sehen durfte. „Oh, okay. Und auf wann?", fragte ich zögerlich.
„Auf jetzt." Er streckte eine Hand nach mir aus und zog mich zu sich. „Oh", brachte ich nun doch überrascht über meine Lippen. Ich sah zurück zu James, der sich entspannt zurückgelehnt hatte, sein Kiefer jedoch war angespannt.
„Denk an meine Worte James. Wir sehen uns." Ich nickte ihm zum Abschied zu, und widmete meine Aufmerksamkeit voll und ganz dem Mann, der mein Herz gestohlen hatte.
„Dir auch Hallo, Liebling." Ich grinste bis über beide Ohren und lief mit ihm durch das Portal in sein Zimmer im Sanctum. Kaum waren die Lichter hinter uns erloschen, zog er mich an seine Brust und drückte mich so fest, als hätten wir uns Jahre nicht mehr gesehen. Stephen trug so viel Liebe in sich, dass ich es kaum erwarten konnte alles davon zu sehen. „Gott, hab ich dich vermisst."
Er küsste mich stürmisch und ohne Luft zu holen. Meine Knie wurden weich und ich musste mich an ihm festhalten, um nicht umzufallen. Seine Lippen waren wie eine Droge. Ein mal angefangen, wollte ich immer mehr davon. Und wenn es mich umbringen würde, es wäre nicht genug. „Wie war dein Tag?", fragte er mich zwischen den Küssen. „Ich glaube ich sollte Therapeutin werden. Ich führe so viele Gespräche mit Leuten, dass ich dafür bezahlt werden könnte." Er grinste und nahm mein Gesicht in seine großen Hände. „Du konntest dich schon immer gut in Menschen hineinversetzen. Auch wenn du das nie so öffentlich gezeigt hast. Man konnte deine Empathie spüren."
„Jetzt trägst du aber ganz schön dick auf, nicht?" Wir setzten uns auf die Couch gegenüber des Kamins und er zog mich auf seinen Schoß. In dieser Position konnte ich keine klaren Gedanken fassen. Das war ganz und gar nicht gut. „Wieso hat er deine Hand genommen?"
„Ah, ich verstehe. Du bist eifersüchtig." Ich musterte seine Facetten.
„Das ist es nicht."
„Was ist es dann, Stephen?"
„Ich,..Ich kann es nicht ausstehen wenn er dir so nahe kommt. Nach all dem was er getan und gesagt hat, sucht er Trost. Ausgerechnet bei dir."
„Was soll das denn heißen?" Er konnte noch immer nicht loslassen. Das machte alles nicht gerade einfacher.
„Als du Trost gebraucht hast, hat er dich von sich weg gestoßen. Er war nicht da für dich. Das ist nicht fair. Das hast du nicht verdient."
Ich legte meine Hand an seine Wange und sah ihn durch dringlich an. „Stephen, du brauchst dir keine Sorgen machen. Er ist immer noch verletzt wegen Jill und braucht einfach nur eine Freundin, die ihm gut zu redet. Du weißt doch am besten wie es ist, nicht über seine Probleme sprechen zu können, nicht wahr?"
Ich zog meine Augenbrauen nach oben, um dem ganzen noch mehr Ausdruck zu verleihen. Wir wussten beide ganz genau, dass er und James gar nicht so verschieden waren. Nur DAS durfte er niemals hören.
„Aber wieso sucht er so viel Körperkontakt zu dir? Er weiß, dass du vergeben bist."
„Ich kann dir das nicht beantworten, Liebling. Aber vielleicht ist es seine Art, Anerkennung erhalten oder so etwas. Ich wiederhole mich: Ich bin keine Therapeutin."
„Hmm," brummte er nachdenklich und küsste meinen Hals, und lies mich dabei unser aktuelles Thema auf der Stelle vergessen.
„Dann soll er sich den Trost wo anders suchen und nicht bei meiner Freundin." Ich grinste. Mein Herz machte einen Sprung, das Wort Freundin aus seinem Mund zu hören. „Können wir bitte nicht mehr über James reden?", bat ich ihn, während ich versuchte, mich auf meine Sätze zu konzentrieren. Aber mit seinen Lippen auf meiner Haut, fast unmöglich. „Wer?", fragte er spöttisch und zog mich am Nacken zu seinem Gesicht. Seine Küsse wurden leidenschaftlicher und länger. Seine Zunge erforschte meinen Mund und sein herrlicher Geruch brannte sich in meine Nase und Verstand ein. Ich war voll und ganz benebelt von seiner Anwesenheit. Er machte mich verrückt. Verrückt nach ihm.
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