4. Kapitel

Wenig später pustete ich vorsichtig auf die heiße Tasse Tee, die vor mir stand. Ich könnte zwar gerade auch einen Kaffee vertragen, aber ich wollte nicht riskieren, heute Nacht gar keinen Schlaf zu kriegen, weil Koffein statt Blut durch meine Adern floss. Dean hatte sich eine heiße Schokolade bestellt, was mir ein erneutes Lächeln entlockt hatte.

Mein letzter Ex-Freund hatte mich als kindisch bezeichnet, als ich mir im Winter eine heiße Schokolade bestellt hatte und im gleichen Atemzug impliziert, dass ich es mir mit meiner Figur sowieso nicht leisten konnte, sowas zu bestellen. Das war nur einer von vielen Gründen, warum er und seine fragile Männlichkeit nicht mehr Teil meines Lebens waren. Deshalb war es mir auch gleich so sympathisch, dass Dean sich so gar nicht darum zu scheren schien.

"Also Mystery Girl, was ist dein Lieblingssong? Ich kann leider niemandem vertrauen, dessen Musikgeschmack fragwürdig ist", sagte Dean und sah mich erwartungsvoll an. "Mystery Girl?", wiederholte ich mit hochgezogener Augenbraue.
"Dein Ernst?".
Dean zuckte mit den Schultern.
"Ein hübsches Mädchen steht aus heiterem Himmel in meiner Schlafkabine und nennt mich beim Namen, ohne mir ihren zu verraten. Klingt für mich legitim, ihr den Spitznamen Mystery Girl zu verpassen". "Aber ich habe dir meinen Namen doch schon genannt", protestierte ich.
"Na und? Kein Grund dir nicht trotzdem einen Spitznamen verpassen. Mal abgesehen klingt es auch viel mysteriöser, wenn ich einen Song über Mystery Girl schreibe, die mir tragischerweise das Herz gebrochen hat, oder denkst du nicht?".

Aus dem Konzept gebracht starrte ich ihn an.
"Ich... Du.... Was?", fragte ich entgeistert. Er veralberte mich doch oder? Ich spürte, wie mir zum wiederholten Male, an diesem Abend die Röte ins Gesicht stieg. "Wieso solltest du überhaupt einen Song über mich schreiben?". Ich war überrascht, dass ich es tatsächlich geschafft hatte, einen vernünftigen Satz zu bilden – vielleicht war meine Karriere als Autorin, doch noch nicht ganz verloren.
"Naja, irgendwie muss ich dich ja wieder aus dem Kopf bekommen, wenn sich unsere Wege nach der Zugfahrt wieder trennen".

Ich wusste nicht, wie Dean es schaffte, aber es klang nicht so cheesy, wie es klingen sollte. Vielleicht, weil man an seinem Gesicht sehen konnte, dass er sich selbst nicht so ganz ernst nahm. Doch da war auch etwas in seinem Blick, ein Funkeln, dass ich nicht ganz einordnen konnte. War das... Interesse? Ich schüttelte leicht den Kopf, um den Gedanken wieder loszuwerden. Denn ich interpretierte ganz klar mal wieder zu viel in die Situation hinein.

Das war ganz klar der Nachteil an dem Autorendasein – jeder Moment im Alltag hatte das Potential dazu, sich zu einer Buchszene zu entwickeln. Ich war schon immer eine Tagträumerin gewesen – was mich früher vor allem in der Schule regelmäßig in Schwierigkeiten gebracht hatte. Jetzt war ich immer noch eine Träumerin – nur dass ich mittlerweile dafür bezahlt wurde meine Träume auf Papier zu bringen. Und leider ließ sich mein romantisch veranlagtes Herz nicht einfach ausschalten, sodass ich dazu tendierte, mein Leben zu romantisieren.

"Gut, wenn du einen Song über mich schreibst, darfst du dich aber auch nicht wundern, wenn du irgendwann über eine Geschichte stolperst, die dir irgendwie bekannt vorkommt", antwortete ich und versuchte dabei möglichst beiläufig zu klingen.
"Warte mal, liest du überhaupt Bücher? Weil wenn nicht, dann muss ich das Angebot leider doch wieder zurückziehen", fügte ich dann noch hinzu und zog eine Augenbraue hoch. Das war nur halb eine Scherzfrage. Natürlich würde ich ihn nicht ernsthaft rausschmeißen, wenn er nicht so ein großer Büchernerd war wie ich. Aber Menschen die so gar nicht lasen, waren mir suspekt.

"Ich habe so viele Fragen", sagte Dean und dieses Mal war es eindeutig Interesse, das in seinen Augen glitzerte. "Mm, ich habe zuerst gefragt", warf ich schnell ein, bevor er eine dieser Fragen stellen konnte. Verflucht, wieso hatte ich das mit der Geschichte gesagt? Ich hätte ahnen können, dass das Fragen aufwerfen würde.
"Genau genommen, habe ich als erstes eine Frage gestellt, die du nicht beantwortet hast", erinnerte mich Dean und nahm einen Schluck von seinem Kakao. Stimmt, er hatte recht. Im gleichen Atemzug hatte er mich mit diesem dämlichen Spitznamen bedacht und mich so von der eigentlichen Frage abgelenkt.

"Ja, diese Frage habe ich mit Absicht nicht beantwortet, weil sie doof ist, stellte ich dann klar. Welcher normale Mensch kann denn einen einzigen Song, als Lieblingssong wählen? An den meiste Tagen kann ich mich nicht einmal für eine Playlist entscheiden, die ich anmachen will. Wie soll ich mich dann für einen Lieblingssong entscheiden? Die einzige Frage, die ich noch schlimmer finde, ist die Frage nach meinem Lieblingsbuch". Ich sah das schelmische Funkeln in seinen Augen, als er den Mund öffnete.
"Wenn du mich jetzt nach meinem Lieblingssänger oder -autor fragst, dann kannst du heute Nacht wirklich auf dem Sitzplatz schlafen", warnte ich ihn. Er hob in gespielter Ergebenheit die Hände in die Luft und erwiderte: "Okay, okay, ich habe es verstanden. Keine Fragen, die in weitestem Sinn das Wort Liebling enthalten".

Er nahm erneut einen Schluck von seinem Kakao und als er die Tasse wieder absetzte, klebte Sahne an seiner Nasenspitze.
"Wenn ich dir deine Frage beantworte, verrätst du mir dann, wieso du die ganze Zeit ablenkst, wenn ich dich nach etwas frage, was mir etwas über dich verraten könnte?". Seine grauen Augen bohrten sich in meine und ich schluckte. Verdammt, war das so offensichtlich? Normalerweise war ich ganz gut darin, Typen dazu zu bringen, über sich selbst zu reden und von mir abzulenken. In der Regel hörten sich die Menschen sowieso gerne selbst reden und es erwischte mich völlig unvorbereitet, dass Dean nicht nur bemerkte, dass ich von mir ablenkte, sondern es auch noch ansprach. Um nicht direkt antworten zu müssen, nahm ich einen Schluck von meinem Tee.
"Wenn du meine Frage beantwortest, werde ich deinen Fragen nicht mehr ausweichen", bot ich ihm an. Das war nicht ganz das, was er von mir wollte, aber um seine Frage zu beantworten, würde ich wohl in meine Vergangenheit eintauchen müssen und mit der musste ich mich in den nächsten Tagen schon genug auseinandersetzen.

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Sorry für die Verspätung aber Wattpad hat gestern nur rumgezickt und gar nichts ging bei mir 🤐. Ich fürchte übrigens, das Verspätungen in nächster Zeit häufiger anstehen werden, sa bei mir die Klausurenphase begonnen hat. Ein paar Kapitel habe ich momentan noch vorgeschrieben, aber dann wird's eng.

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