23. Kapitel
Alice Brief hatte etwas in mir gelöst, von dem ich nicht gewusst hatte, dass es festgeklemmt hatte und mit einem Mal konnte ich freier atmen.
Oh, ich hatte wie ein Schlosshund geheult, als ich den Brief gelesen hatte. Aber es war das erste Mal, dass ich mich nach Tränen, die ich wegen Alice vergossen hatte, freier gefühlt hatte.
Eine neue Entschlossenheit hatte mich erfasst, nachdem ich mit der Kiste sicher im Rucksack verstaut wieder aus dem Baumhaus geklettert hatte. Ich würde jetzt ein für alle Mal in meiner Vergangenheit aufräumen.
Also war ich ohne mir mehr Zeit zu geben darüber nachzudenken, zu meinem Elternhaus marschiert und jetzt stand ich davor und versuchte den Mut aufzubringen auf die Klingel zu drücken. Fuck it. Ich würde das jetzt durchziehen. Ich atmete tief ein und drückte auf die Klingel. Das Dröhnen der Klingel klang unheilvoll in meinen Ohren, aber vielleicht wusste ich auch nur was mich erwartete. Mir war klar, dass ich heute keinen Frieden mit meinen Eltern schließen würden. Nein, das hier war für mich, um endlich einen klaren Schlussstrich zu ziehen, zu meinen Konditionen. Die Tür öffnete und für einen Moment war ich ein bisschen aus der Bahn geworfen. Mein Vater stand vor mir, was ich nicht erwartete hatte. Mein Vater machte nie die Tür für irgendjemanden auf.
Es war egal, ob er unten war und meine Mutter oben, wenn es klingelte, musste meine Mutter die Tür aufmachen. Das war schon immer so gewesen, weshalb ich für einen Moment wohl etwas dumm aus der Wäsche dreinschaute.
„Was willst du hier, Tochter? Mich noch mehr vor meinen Nachbarn blamieren, als es deine Mutter schon getan hat? Oder du als du noch hier unter meinem Dach gelebt hast und trotzdem keinen Respekt für meine Regeln hattest?“, knurrte er und ich war für einen Moment sprachlos darüber, wie verändert mein Vater aussah. Er sah älter aus und irgendwie… machtlos. Früher war er immer dieser strenge, übermächtige Mann in meinen Augen gewesen, gegen den ich nicht ankam, aber jetzt sah er fast schon bemitleidenswert aus.
„Wo ist sie?“, fragte ich und ignorierte seine Frage einfach. Seine Miene verdüsterte sich noch weiter. „Abgehauen“, brummte er.
„Genauso wie du. Jahrelang unter meinem Dach von meinem Geld leben und sich auf die faule Haut legen und dann einfach abhauen. Sowas von undankbar“.
„Sie hat dich verlassen?“, fragte ich entgeistert und spürte, wie so etwas wie Hoffnung in mir aufkeimte.
Vielleicht gab es doch noch Hoffnung für meine Mutter, wenn sie es endlich geschafft hatte, sich von meinem manipulativen Arschloch von Vater zu lösen.
„Wann?“, fragte ich nach und er stierte mich finster an, bevor er mit seinen Achseln zuckte.
„Vor ein paar Jahren“, gab er zu und da lag kurz so etwas wie Verletzlichkeit in seinem Blick, doch das war schneller wieder verschwunden, als ich gucken konnte.
„Und jetzt verschwinde, bevor du mein Leben noch mehr ruinierst, als du es ohnehin schon getan hast“.
Ich trat einen Schritt nach vorne und schaute, dass ich meinem Vater direkt in seine Augen blickte. Augen, die ich gut kannte, weil sie mir jeden Tag aus dem Spiegel entgegenstarrte.
„Der einzige Mensch, der dein Leben ruiniert bist du, mit deiner engstirnigen Weltvorstellung, in der nur die wenigsten Menschen reinpassen und deiner gottverdammten Manipulation, mit der du versuchst, jeden kleinzuhalten, damit alle nach deinen Regeln spielt. Ist dir eigentlich klar, dass du die Lehre von einem Gott verbreitest, den du nicht kennst? Deine Lehre ist eine von Hass, Ausgrenzung, Hetze und Angst, aber die Botschaft Gottes ist eine der Liebe. Und solange du nicht realisierst, dass dich diese Lehre nie an einen Punkt bringen wird, an dem du glücklich bist, weil aus Hass keine Freude entspringen kann, wirst du immer unglücklich und alleine bleiben. Ich wünsche mir wirklich für dich, dass du eines Tages aufwachst, aber ich werde nicht mehr länger darauf warten. Ich habe mir mein Leben völlig alleine aufgebaut und alle Menschen, die dieses Leben mit mir teilen, haben sich das Privileg verdient, aber du wirst nie dazugehören. Auf Nimmerwiedersehen“.
Mit diesen Worten drehte ich mich auf dem Absatz um und marschierte davon. Mein jüngeres Ich schrie mich an, mich noch einmal umzudrehen, um wenigstens seinen Gesichtsausdruck sehen zu können, aber ich wusste, dass ich das nicht mehr brauchte. Ich war fertig mit diesem Mann.
Erst als ich im Hotel wieder ankam, schaltete ich mein Handy wieder ein, dass ich für meinen kleinen Ausflug in die Vergangenheit kurzerhand ausgeschaltet hatte. Sofort explodierte mein Handy, weil tausende Nachrichten mein Handy fluteten. Zig vermisste Anrufe von Nala und etwa dreißig Nachrichten erwarteten mich.
Anstatt mir die Mühe zu machen die Nachrichten durchzuscrollen, die sie mir geschickt hatte, rief ich sie stattdessen an.
„Was ist denn jetzt schon wieder passiert?“, fragte ich und Nala ließ ein schrilles Kreischen los, das mich dazu bewegte, das Handy von meinem Ohr weghielt.
„Oh mein Gott. Oh mein Gott. Oh mein Gott. Geh auf den Link, den ich dir geschickt habe. Sofort“, befahl sie mir und ich runzelte die Stirn.
„Ist ja schon gut“, sagte ich beschwichtigend und scrollte nun doch durch die Nachrichten, bis ich eine mit einem Link fand, der ein YouTube Video aufrief, sobald ich daraufklickte. Natürlich kam zuerst eine Werbung, doch sobald das Video anfing zu spielen, machte mein Herz einen überraschten Hüpfer, kurz gefolgt von einem schmerzhaften Stich in der Brust. Ich kannte das Zimmer, in dem das Video aufgenommen worden war. Ich hatte selbst heute noch daringesessen.
„Hallo Leute. Dieses Video wird heute etwas anders als sonst. Ich werde heute einen Ausschnitt aus einem Song mit euch teilen, den ich heute erst geschrieben habe. Jep, ihr habt das schon richtig verstanden. Das hier ist also die rohste Rohversion von einem Song, die ihr wahrscheinlich jemals von mir hören werdet“.
Das erste Mal seitdem das Video gestartet hatte, warf ich überhaupt einen Blick auf den Titel von dem Video und mir blieb der nächste Atemzug im Hals stecken. Der Titel des Videos lautete Mystery Girl.
„Wahrscheinlich fragt ihr euch, was der Anlass zu diesem überstürzten Video ist und die Antwort ist eigentlich relativ simpel: Ich habe mich Hals über Kopf in diese eine Frau verliebt“.
Ich sog scharf die Luft ein und mein Herz blieb für einen kurzen Moment einfach stehen, bevor es doppelt so schnell weiterschlug.
„Es war ein richtig großer Zufall, dass wir uns überhaupt kennengelernt haben und lasst mich euch sagen, um mich war es vom ersten Augenblick an geschehen. Ich glaube sie war nicht ganz so begeistert von mir im ersten Moment“.
Mir entfuhr ein wässriges Lachen bei der Aussage, als ich mich daran zurückerinnerte, wie erschöpft und fertig ich mit der Welt war, als Dean und ich uns begegnet waren und es wunderte mich nicht, dass Dean dachte, ich wäre nicht von Anfang an hin und weg von ihm gewesen.
„Und dann hat sie den Mund aufgemacht und wir haben uns über alles Mögliche unterhalten und ich wusste, wenn ich schlau bin, lass ich diese Frau nie wieder gehen. Leider habe ich einen dummen Fehler gemacht und habe es vergeigt“.
Schmerz huschte über sein Gesicht und ich wollte durch den Bildschirm greifen und ihn vertreiben, doch ich konnte nicht. Stattdessen hörte ich ihm weiter zu und spürte, wie meine Brust sich mit Wärme füllt.
„Also habe ich diesen Song geschrieben, in der Hoffnung, dass sie ihn hört und realisiert, dass ich zwar ein Idiot bin, aber nicht idiotenhaft genug, um sie kampflos gehen zu lassen. Wenn du das hörst Mystery Girl, dieser Song ist für dich“.
Dean hatte mir prophezeit, dass er mich in einen Song schreiben würde und ich hatte ihm nicht geglaubt. Und dieser liebenswerte Idiot musste wirklich hingehen und mich mit einem Song dazu bringen mich ein zweites Mal in ihn zu verlieben, obwohl ich ihm doch schon längst verziehen hatte und es war Folter, ihm jetzt nicht nah sein zu können, wenn mein Herz so übervoll war mit Gefühlen und ich ihn einfach nur küssen wollte. Er mochte zwar ein Idiot sein, aber ich wollte, dass er mein Idiot war. Dean sang etwas das nach einer Bridge und dem Refrain klang, bevor er den Songausschnitt auf einem Gitarrenakkord ausklingen ließ und sich nochmal an die Kamera wandte.
„Morgen auf meinem Konzert in Eyshire, werde ich den ganzen Song live spielen. Ich habe dir einen Ehrenplatz aufgehoben, solltest du dich entscheiden zu kommen. Wenn du dein Pseudonym der Security nennst, bringt sie dich hin“, erklärte er und es fühlte sich an, als würde er mir durch die Kamera hindurch direkt in die Augen starren. Als ich auf die Kommentare klickte, war ich überwältigt von der positiven Resonanz.
Oh mein Gott, das ist das Süßeste ever #FindMysteryGirl
To be loved by a musician #FindMysteryGirl
I’m rooting for you #FindMysteryGirl
Ich bin so happy, für morgen Konzertkarten zu haben. Hoffentlich taucht Mystery Girl auf #FindMysteryGirl
„Ich habe dir doch gesagt, dass Dean richtig verknallt in dich ist“, holte mich Nalas Stimme in die Gegenwart zurück. „Wenn du morgen nicht auf dieses Konzert gehst, schleife ich dich persönlich dahin“, drohte sie mir dann. „Keine Sorge. Dieses Konzert würde ich niemals verpassen wollen“.
..................................................................
Und auf geht's ins große Finale. Ich will nicht lügen, ich bin schon ein bisschen traurig, die beiden bald gehen lassen zu müssen 🥲.
Mara hat es endlich geschafft, ihre Vergangenheit loszulassen, was hoffentlich heißt, dass sie jetzt in die Zukunft schauen kann ♥️.
Was haltet ihr von Deans großer Geste? Ehrliche Meinungen bitte, weil große Gesten nicht so meine Spezialität sind xD.
Okay, bereit mit mir auf ein Konzert zu gehen?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top