16. Kapitel
Es war eine unkomfortable Realisation, dass ich es wahrscheinlich geschafft hatte mein überromantisches Herz nach so wenig Zeit zu verschenken. Es war ein unangenehmes Zwicken, dass mich an all den Liebeskummer erinnerte, durch den mein übereifriges Herz mich schon gezwungen. Und gleichzeitig waren da diese Schmetterlinge in meinem Bauch, die mich davon überzeugen wollten, dass es dieses Mal anders war. Und ich wollte so gerne auf die Schmetterlinge hören und mich einfach fallen lassen, in der Hoffnung, dass mich Dean auffing.
Ich wusste selbst, dass mich meine ständige Angst davon abhielt, ein Happy End zu erkennen, selbst wenn es mich direkt anstarrte. Nein, wirklich: Dean starrte mich an. Dieses Mal war ich mir fast sicher, Bewunderung in seinem Blick zu lesen. Es war ein bisschen schwer zu atmen, wenn Dean mich so ansah, als könnte in diesem Moment ein Vulkan direkt neben uns ausbrechen und er würde seinen Blick trotzdem nicht von mir abwenden können.
Ich war die Erste, die den Blickkontakt abbrach, wobei ich hoffte, dass mir die Röte nicht allzu sehr ins Gesicht gestiegen war.
Dean schien zu spüren, dass die unsichtbare Spannung mir gerade zu viel wurde, denn er lenkte das Gespräch bereitwillig wieder in sicherere Gefilden: „So, da du auch in einem kreativen Job arbeitest, kann ich nicht der Einzige sein, der seltsame Methoden hat, um etwas zum Funktionieren zu bringen“.
Ich versteckte mein Grinsen hinter meiner Hand, während ich darüber nachdachte, was ich Dean erzählen konnte, ohne ihn komplett zu verstören, aber auch keine zu langweiligen Geschichten auszupacken.
„Ich bin ja eigentlich Romance Autorin. Wegen einer verlorenen Wette hat mich meine beste Freundin einmal dazu gebracht eine Fantasykurzgeschichte zu schreiben, die etwas außer Ruder gelaufen ist“, setzte ich schließlich an und hoffte, dass ich einen guten Kompromiss gefunden hatte.
„Es gab eine Folterszene, die in dieser Geschichte vorkam. Nun, da das nicht mein normales Terrain ist, wollte ich natürlich alles gut recherchiert haben. Ja, ich weiß, es war nur ein Wetteinsatz, aber das heißt nicht, dass ich darin keine Anstrengung stecken kann. Einem der Charaktere wurde in dieser Szene einer der Finger abgeschnitten und ich habe einen Deep Dive gemacht. Mal abgesehen davon, wie das einen Charakter beeinflusst, wie viel Blut man dabei ungefähr verliert und welchen Finger man besser nicht abschneidet, wenn man die Person nicht direkt umbringen will – jep, das kann passieren – wollte ich eine ungefähre Ahnung davon haben, wie schwer es überhaupt ist einen Finger vollständig abzutrennen und wie es sich ungefähr anfühlt. Bei meiner Recherche kam heraus, dass man am nächsten drankommt, indem man Möhren mit einer Schere schneidet. Also habe ich mir mein Lieblingsrezept für Gemüsebolognese rausgesucht und es beim Kochen ausprobiert. Ich habe Möhren seitdem nie mehr mit den gleichen Augen ansehen können. Um ehrlich zu sein, es gibt mehr als ein Lebensmittel, dass ich als Leserin und Autorin nicht mehr ansehen kann, ohne mich an gewisse Dinge zu erinnern“.
Dean ließ ein leises, beeindrucktes Pfeifen erklingen.
„Damn“.
Er wischte sich nicht existente Schweißtropfen von der Stirn und setzte eine ernste Miene auf.
„Erinnere mich daran, dich niemals sauer zu machen, ja? Mir ist gerade bewusst geworden, dass du wahrscheinlich mehr als eine Methode kennst mich im Schlaf umzubringen und es wie einen Unfall aussehen zu lassen“. Seine ernste Miene verschwand und wurde erneut durch ein Lachen ersetzt. „Du lachst jetzt. Mal sehen, wie lange du noch lachst, wenn du meinen Suchverlauf auf Google sehen würdest“, konterte ich und versuchte mein Bestes einen ominösen Tonfall anzuschlagen. Ob ich erfolgreich war, naja das konnte ich nicht so genau bestimmen.
Dean schien nicht allzu beeindruckt zu sein. Wenn möglich, sah er noch neugieriger aus, wie immer, wenn ich tatsächlich auf diese Themen einging, anstatt abzulenken.
„Ich dachte immer das wäre übertrieben, dass man Autoren aufgrund ihres Suchverlaufes auch gut für Serienmörder halten könnte. Aber du hast anscheinend nicht gescherzt, als du meintest, dass du zu den Autorinnen gehörst, die ihre Charaktere durch die Hölle schickt. Wobei ich nicht glaube, dass deine Geschichten nur interessant werden, sobald du anfängst Charaktere umzubringen“.
Ich erinnerte mich daran, sowas in die Richtung gesagt zu haben, als wir noch zusammen im Zug waren und war überrascht, dass er sich das gemerkt hatte.
„Du erinnerst dich hoffentlich nicht an all den Unsinn, den ich täglich so von mir gebe. Sonst können wir uns leider nicht mehr kennen“, scherzte ich. Dean fixierte mich mit einem intensiven Blick aus seinen grauen Augen und erwiderte: „Verschrecke ich dich jetzt wieder, wenn ich dir sage, dass ich es unglaublich süß finde, wenn du blabberst, wenn du nervös bist, Mystery Girl? Wenn du den Filter vergisst, erlaubt es mir für ein paar Augenblicke ein paar mehr Puzzleteile zu finden, die mir helfen, das Rätsel, das du bist zu lösen“.
Ich hasste es, wenn in Büchern die mittlerweile ausgelutschte Phrase kam, dass ein Charakter einen Atemzug ausstieß, von dem er nicht einmal gewusst hatte, dass er ihn angehalten hatte. Bis zu diesem Moment hatte allerdings auch noch niemand in meinem Leben, etwas zu mir gesagt, dass mich vergessen lassen hatte, wie man atmete.
Es dauerte einen Moment, in dem ich mich überzeugen musste, dass ich nicht über meinem Laptop mit geöffnetem Manuskript eingeschlafen war, sondern das hier real war, bevor ich verarbeiten konnte, was Dean zu mir gesagt hatte. Fuck, welche Autorin hatte diesen Mann bloß geschrieben? Und wollte sie mir einen frühzeitigen Herzinfarkt bescheren?
Meine Aversion Dinge über mich selbst zu erzählen, war nicht angeboren, sondern eine Konsequenz von jahrelangen Rügen meiner Eltern und Exfreunden, die meine Begeisterung für Themen genutzt hatten, sich darüber lustig zu machen oder sich beschwert hatten, dass ich zu kompliziert, zu viel, zu anstrengend war. Doch Dean schien alles wissen zu wollen. Und nicht nur auf diese oberflächliche Art, sondern er merkte sich die Dinge, die ich erzählte.
„Wow, ich wollte schon immer mysteriös und rätselhaft sein“, brachte ich stockend und verzögert raus und versuchte mich an einem verschwörerischen Zwinkern. Sanfte Belustigung stand in Deans Gesicht geschrieben und er schüttelte den Kopf. „Und schon deflektiert sie wieder“, stellte er fest.
„Wie bekomme ich wohl etwas Echtes aus dir raus, hm?“.
Ich schluckte und versuchte seinem intensiven Blick auszuweichen, doch seine grauen Augen hielten meinen Blick fest, bis ich vergaß, was eigentlich die Frage gewesen war. Erst Deans Räuspern erinnerte mich daran, dass ich ihm vielleicht noch eine Antwort schuldete.
„Vielleicht solltest du zuerst einmal aufhören mich so… anzusehen. Ich kann nicht denken, wenn…“.
Ich brach ab und ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen. Deans Augen schienen sich ein Stück weit zu verdunkeln, als er sich mir entgegenbeugte, sodass sein Duft mich einhüllte und auch noch die restlichen funktionierenden Gehirnzellen ihren Dienst quittierten.
“Dann verrate mir doch einmal Mystery Girl: Wie schaue ich dich denn an?“.
Fuck. Worüber hatten wir nochmal gesprochen? Über Deans Lippen, die zu einem schiefen Grinsen verzogen waren, dem ich mit meinen Lippen nachspüren wollte, bis sich jede einzelne Kurve davon in mein Gedächtnis eingebrannt hatte? Über seine grauen Augen, deren Farbe doch eigentlich kühl wirken sollte, aber jetzt lichterloh in Flammen zu stehen schien? Wie geschmolzenes Silber.
Oh man, ich wollte Dean küssen. Doch bevor ich mein Vorhaben in Tat umsetzen konnte, verschwand Deans Gesicht auf einmal und mir war es fast peinlich, dass mir ein kleiner Protestlaut entfuhr, den ich nicht hatte unterdrücken können. Aber auch nur fast, weil meine Gehirnzellen immer noch nicht angefangen hatten richtig zu arbeiten.
„Wenn mein Blick dich aus dem Konzept bringt“, sagte Dean mit einem kleinen Grinsen, das mir verriet, dass er genau wusste, was er gerade in mir ausgelöst hatte, „dann dürfen wir uns einfach nicht ansehen, wenn wir DeepTalk betreiben“.
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Also wenn mich jemand so anschauen würde, würde ich wahrscheinlich auch meine Sprache verlieren 🫠. Mara macht noch einen besseren Job, als ich es würde.
Wer von euch hat dank dem Schreiben auch manchmal einen fragwürdigen Googlesuchverlauf, von dem man einfach hofft, dass niemand ihn jemals sieht? Sagt mir bitte, dass ich nicht alleine damit bin 😅. Hier ein Platz für euch merkwürdige Dinge, die ihr schonmal gegoogelt habt loszuwerden:
Was sagen wir eigentlich zu den Schmetterlingen, die bei Mara immer öfter auftauchen?
Die nächsten Kapitel werden übrigens was emotionaler, also haltet euch fest, wenn Dean und Mara ihre dunklen Geheimnisse ans Licht bringen 🔦😶
Don't mind me trying to be dramatic.
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