13. Kapitel

Dean

Mara schrak heftig zusammen, als ich das Wohnzimmer betrat und klappte eilig ihren Laptop zu, als hätte ich sie bei etwas Verbotenem ertappt. Doch so, wie ich sie mittlerweile kennengelernt hatte, hatte ich sie wahrscheinlich beim Schreiben unterbrochen. Aus unerfindlichen Gründen, schien ihr alles unangenehm zu sein, das auch nur im Entferntesten etwas persönlicher war. Ich wollte unbedingt etwas von ihr lesen, denn anhand unserer Gespräche konnte ich erahnen, dass sie definitiv wusste, mit Worten umzugehen, aber ich würde sie zu nichts drängen, wozu sie nicht bereit war.

Vor allem, weil die Art, wie sich bei manchen Themen, ihre ganze Ausstrahlung verdunkelte, bevor sie dichtmachte, mir zeigte, dass sie definitiv mit einigen Dämonen zu kämpfen hatte. Obwohl sie lächelte, lagen unter ihren Augen tiefe Schatten, die von einigen schlaflosen Nächten zeugten.
"Gut geschlafen"?, begrüßte ich sie und bemühte mich, meine leichte Besorgnis zu überspielen, indem ich ihr ein strahlendes Lächeln zuwarf. Immer noch lag eine leichte Röte auf ihren Wangen und sie sah mir nicht in die Augen, als sie stumm nickte. Ich runzelte die Stirn und trat einen weiteren Schritt auf sie zu.
"Sicher? Das war nicht gerade überzeugend", bemerkte ich und sah wie Mara sich auf die Unterlippe biss und schließlich seufzte.
"Ich bin kein großer Fan von Stürmen und Gewittern, also war es vielleicht eine etwas unruhigere Nacht", gab sie zu. Es schien noch mehr hinter der Aussage zu stecken, aber da Mara mich immer noch nicht richtig ansah, beschloss ich nicht nachzubohren.

Stattdessen entschied ich, dass eine weitere Ablenkung angebracht war, um dieses wunderschöne Lächeln, das seltsame Dinge mit mir anstellte, wieder auf ihr Gesicht zurückzuzaubern.
"Was hältst du davon, wenn wir Kekse backen? Da du ja leider nicht mehr hier sein wirst, wenn das große Kekse backen mit unseren kleinen Profibäckerinnen stattfindet...".
Wie erhofft leuchtete ihr Gesicht auf und vertrieb so die Schatten aus ihren Augen.
"Hast du denn alles für Kekse da?", fragte sie, während sie schon ihren Laptop in der Tasche verstaute. Glücklicherweise hatte Edna, die im Haus ein bisschen nach dem Rechten sah, wenn ich nicht da war, meine Lebensmittel aufgestockt. Und da sie mich, wie so ziemlich alle älteren Menschen hier schon gekannt hatte, als ich noch klein war, hatte ich auch alles da, was ich zum Kekse backen brauchte.

Ich war ein Meister des kreativen Chaos und wann immer ich in einer kreativen Blockade steckte, verlegte ich mich einfach auf eine andere Methode mich kreativ auszutoben, um den Kopf wieder freizubekommen. Früher hatten wir in der Weihnachtszeit immer Wettbewerbe veranstaltet, wer am kreativsten einen Keks so gestalten konnte, dass seine ursprüngliche Form eine völlig andere Bedeutung fand. Deshalb war Kekse backen auch heute noch etwas, dass für mich unbedingt zur Weihnachtszeit dazugehörte.
"Das kommt drauf an, was für Kekse du backen willst. Für einfache Mürbeplätzchen, habe ich mit Sicherheit alles da. Falls du aber eine andere Plätzchensorte im Kopf hast, kann ich auch mal schauen, ob sich das einrichten lässt".
Mara sprang auf und machte eine wegwerfende Handbewegung.
"Mürbeplätzchen sind super. Ich habe sowieso keine Lieblingskekssorte".
"Ich weiß, dass du es nicht so mit Lieblingsfragen hast, Mystery Girl, aber nicht einmal Kekse? Hattest du wenig als Kind eine Lieblingssorte?".
Maras Schultern sackten ein Stück herab und sie presste ein Lächeln hervor, dass sich völlig falsch anfühlte und ich bereute es nachgefragt zu haben.

"Wir haben, als ich klein war keine selbstgebackenen Kekse gehabt.
An Weihnachten lagen höchstens mal welche vom Supermarkt auf dem Keksteller, aber von denen durfte ich auch immer nur ein paar haben, bevor meine Mutter mich ermahnte", bekannte sie und zuckte mit den Schultern, als wäre es keine große Sache, doch das Leuchten war erneut aus ihren Augen verschwunden. Ich hatte Mühe, meine Gefühle nicht auf meinem Gesicht zeigen zu lassen. Welche Eltern verboten ihrem Kind denn an Weihnachten Kekse zu essen? Kein Wunder, dass Mara sich immer versteifte, sobald das Thema irgendwie auf Familie kam.

"Okay, das hättest du nicht sagen soll. Jetzt hast du es mir zu meiner Mission gemacht, so viele verschiedene Kekse zu backen, bis du eine Lieblingssorte gefunden hast", verkündete ich und öffnete eine Schranktür, um eine Schüssel herauszuholen.
"Was? Da wird mir ja vorher schlecht von", protestierte Mara, doch ein Grinsen war zurück auf ihre Lippen gekehrt.
"Das muss so", sagte ich mit Nachdruck. "Man muss in der Weihnachtszeit so viele Kekse essen, dass man das ganze restliche Jahr keine Kekse mehr sehen kann, bis wieder Weihnachten ist".
"Das klingt irgendwie ungesund", erwiderte Mara immer noch grinsend und ich zuckte mit den Schultern, während mein Herz in Wahrheit einen gefährlichen Hüpfer machte.

Es war ein süchtigmachendes Gefühl Mara zum Lächeln zu bringen. Und zwar ein echtes Lächeln, das nicht aussah, wie einstudiert.
"Ich mache die Regeln nicht", behauptete ich und wurde mit einem amüsierten Schnauben belohnt.
"Ich glaube ja, wenn dir irgendwelche Regeln nicht gefallen, machst du dir kurzerhand eigene".
Damit traf sie den Nagel so ziemlich auf den Kopf. Mara schien oft den stilleren Part in einer Unterhaltung zu übernehmen, aber sie war eine unglaublich gute Beobachterin, die jede Nuance einer Unterhaltung mitzubekommen schien. Deshalb sollte es mich eigentlich nicht überraschen, wenn sie solche Sachen manchmal scheinbar aus dem Nichts ins Gespräch einfließen ließ. Trotzdem kam es mir so vor, als könnte sie mich mit ihren grünen Augen durchleuchten und auch die Dinge sehen, die ich nicht unbedingt offenlegte. Ich war mir noch nicht ganz sicher, ob ich das mochte oder es mir Angst machen sollte.

"Ich habe nicht gesagt, dass ich diese ungeschriebene Regel nicht gut finde", erwiderte ich etwas verzögert und reihte alle benötigten Zutaten nebeneinander auf der Arbeitsfläche auf.
"Und damit du noch auf dein benötigtes Soll an Keksen dieses Jahr kommst, fangen wir jetzt besser an zu backen. Wetten, ich schaff es sauberer beim Backen zu bleiben als du? Ich wette du bist eine unordentliche Bäckerin", forderte ich sie heraus und musste über ihr empörtes Gesicht lachen. Ja, das würde lustig werden.

Ich hatte Recht behalten mit meinen Worten. Mara war ein Mensch, der etwas hundertprozentig machte oder gar nicht. Und hundert Prozent hieß nun einmal Butter und Ei an den Fingern und Mehl überall. Sie hatte es irgendwie geschafft, dass das Mehl sogar in ihren h
Haaren gelandet war. Je genauer ich sie betrachtete, desto mehr kleine Mehlpunkte entdeckte ich. An ihrer linken Augenbraue und auf ihrer Nase war auch welches gelandet.
Und ich konnte nicht anders, als zu denken, dass Mara bisher noch nie schöner ausgesehen hatte, als jetzt. Mit leuchtenden Augen, ungebändigten Locken und Mehl und Teig überall.

Vielleicht war es diese Gelöstheit, die sich in ihrem ganzen Körper wiederfand, die ich vorher noch nie so an ihr gesehen hatte. Wann sahen Menschen jemals schöner aus, als wenn sie in ihrem Element waren? Der Drang, das Lächeln auf ihrem Mund zu küssen, um es nicht nur sehen, sondern auch spüren zu können, war unglaublich stark. Ich schluckte, um die Trockenheit loszuwerden, die sich plötzlich in meinem Mund ausgebreitet hatte.

Mara betrachtete mich ebenfalls grinsend, denn auch ich war nicht ganz sauber geblieben. Was jedoch hauptsächlich daran lag, dass Mara irgendwann angefangen hatte zu schummeln und beispielsweise das Mehl in meine Richtung zu pusten, um nicht als einzige so auszusehen, als wäre sie kopfüber in Keksteig gefallen. Langsam flachte das Grinsen von Mara ab und verwandelte sich in etwas anderes.

Der Blick aus ihren moosgrünen Augen schien tiefer zu werden und flackerte von meinen Augen zu meinem Mund und mir stockte der Atem in der Brust. Langsam streckte ich meine Hand nach ihrem Gesicht aus, wie eine Frage. Und auch wenn ich sie nicht laut stellte, schien Mara sie in meinen Augen zu lesen, denn sie reckte mir ihren Kopf entgegen und plötzlich war da ihr Gesicht vor meinem und ihr Atem auf meinen Lippen und sie roch so gut nach den Keksen, die wir gerade in den Ofen geschoben hatten und... Dann waren ihre Lippen auf meinen und mein Gehirn setzte einfach aus. Da waren keine Gedanken mehr, außer ihren weichen Lippen und ihrem Geschmack und dieses Seufzen, das sie von sich gab.

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Überraschung - ein Kapitel aus Deans Sicht. Hat hier irgendwie gepasst. Mögt ihr Geschichten mit mehreren Sichtweisen?

Und der erste Kuss ist auch endlich passiert 🤭. Ich hoffe euch gefällt das Kapitel ♥️

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