11. Kapitel

Es wurde noch ein lustiger Nachmittag und Abend. Nicht nur war Dean ein exzellenter Koch, wie ich hatte feststellen können, er war auch ziemlich gut darin, einen das ganze Drumherum vergessen zu lassen.
Wir hatten uns durch einen Haufen an Brett- und Kartenspiele gespielt und es war ein Glück, dass Dean ein schlechter Verlierer war, denn ich hatte heute eine ziemliche Glückssträhne gehabt.

"Die Würfel von Mensch-Ärger-Dich-Nicht hast du doch verhext", beschuldigte mich Dean, als wir das letzte Spiel des Abends zusammenräumten.
"Es kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen, dass du immer genau die Zahlen bekommen hast, mit denen du mich rausschmeißen konntest".
Ich zuckte grinsend mit den Schultern und bückte mich nach einer blauen Spielfigur, die auf den Boden gefallen war.
"Was kann ich dafür, dass du nicht kalkulieren kannst, wie du am besten deine Figuren bewegen kannst", erwiderte ich neckend.
"Weil ich mit meinen ganzen Einsen und Zweien auch so viel meine Figuren bewegen konnte", schnaubte Dean, doch er grinste dabei ebenfalls.

Mein Lächeln verwandelte sich in ein Gähnen. Heute war ein anstrengender Tag gewesen und der Abend war auch nicht mehr so jung. Dean der meine Müdigkeit bemerkte, lächelte und bot mir an: "Du kannst ruhig schon mal hochgehen. Ich räum das noch schnell weg".
Ich zögerte, denn ich wollte nicht unhöflich sein.
"Ich kann auch noch helfen", protestierte ich, doch Dean warf mir einen strengen Blick zu.
"Du bist mein Gast. Außerdem können wir sowieso nicht beide gleichzeitig ins Bad, also ist es sowieso besser, wenn du schon einmal hochgehst", sagte er nachdrücklich.
"Okay, dann wünsche ich dir noch eine gute Nacht", gab ich nach.
"Dir auch. Schlaf gut".

Ich schlief nicht gut. Ich hasste Gewitter und so ein Schneesturm war noch mal ein anderes Level. Gewitter hatte ich schon immer gehasst und meine Eltern waren nicht gerade die Menschen, die meine Hand gehalten hatten, bis ich eingeschlafen war, wenn die Gewitter mich eingeschüchtert hatten. Normalerweise wenn Kinder Angst hatten, nahmen ihre Eltern sie in den Arm und trösteten sie.
Meine Eltern erzählten mir, es würde stürmen, weil Gott uns zürnte – ihre Wortwahl, nicht meine.
Obwohl, das war nur die halbe Wahrheit. In der Regel war ich es im Speziellen, die Gottes Ärger über uns gebracht hatte. Ich hatte mich geweigert, meine Großtante zu umarmen, die ich ungefähr einmal im Jahr sah; ich hatte die Hände beim Tischgebet nicht gefaltet; ich hatte mein weißes Sonntagskleid befleckt. Es fand sich immer ein Grund warum Gott sauer auf mich war.

Oh und Gott bewahre, wie sehr es ihn erzürnte, dass ich mit Alice befreundet war. Alice. Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle, doch ich konnte mich gerade nicht mit diesem Gedanken auseinandersetzen. Es war zu schmerzhaft. All die Tränen, die ich bereits vergossen hatte...

Natürlich war das kein Grund mich zu Trösten. Wenn meine Mutter, es doch einmal wagte, mich in den Arm zu nehmen, um mir Trost zu spenden, schimpfte mein Vater mit ihr, weil ich meinen Trost doch in Gott finden sollte. Es gab schließlich nichts, was ein Gebet nicht wieder richten konnte.

Es verstand sich wohl, dass meine Beziehung zu Gott heutzutage nicht die Beste war. Den Gott, wie meine Eltern ihn mir in meiner Kindheit präsentiert hatten, war einer an den ich nicht glauben wollte. Auch die Kirche war nicht unbedingt eine Gemeinschaft, die die wärmsten Erinnerungen in mir hervorrief.

In der Gemeinschaft in meinem Dorf, war Religion wie eine Waffe benutzt worden. Als Waffe um Menschen auszugrenzen, zu diskriminieren und auf andere herabzusehen. Und wenn das Religion war, wollte ich dieser nicht angehören. Dass Religion nicht überall so war, wusste ich. Ich hatte schon so viele Menschen kennengelernt, die so viel Erfüllung in ihrer Religion fanden und das war wunderschön.
Um ehrlich zu sein, beneidete ich sie für dieses tiefe Vertrauen, dass sie in ihren Glauben setzten. Das änderte jedoch nichts daran, dass ich eine Kirche nur ansehen musste, damit all die schlechten Gefühle, die ich aus meiner Kindheit damit verband, wieder hochkamen.
Das Schlimme an Trauma war, dass es nie in der Vergangenheit blieb, wo es entstanden war, sondern dich überallhin begleitete.

Seufzend drehte ich mich in meinem Bett, erneut auf die andere Seite und griff nach meinem Handy um die Uhrzeit zu checken. 5:07 Uhr zeigten mir die Ziffern auf meinem Bildschirm an. Ich schlug die Bettdecke beiseite und setzte mich auf. Es machte ja doch keinen Sinn mehr liegenzubleiben. Ich wusste sowieso, dass ich nicht mehr schlafen konnte, deshalb konnte ich vielleicht wenigstens versuchen etwas sinnvolles zu tun und etwas Arbeit zu erledigen.
Ein Kälteschauder überrollte mich und ich war froh, gestern in weiser Voraussicht meine warmen Hausschuhe neben das Bett gestellt zu haben. Es gab nichts Schlimmeres, als an einem kalten Morgen mit nackten Füßen über den kalten Fußboden laufen zu müssen.
Ich tapste zu meinem Koffer herüber und nahm mir einen frischen Satz warme Klamotten und ein Handtuch heraus, bevor ich zur Tür herüberging und vorsichtig auf den Flur hinausspähte.

Dean schlief zwei Zimmer weiter und ich wollte ihn wirklich nicht um diese unchristliche Uhrzeit wecken. Doch alles schien ruhig auf dem Flur und ich tastete mich vorsichtig zum Badezimmer vor, weil ich mich nicht traute das Licht anzumachen.
Als ich das Badezimmer erreicht hatte und mit einem leisen Klicken die Tür hinter mir ins Schloss fiel, atmete ich erleichtert aus. Ich legte meine Sachen in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden ab und schaltete das Licht an.
Ein Blick in den Spiegel verschaffte mir nicht die erhoffte Klarheit, wie tief meine Augenringe wohl sein mochten, da meine Augen noch total verklebt waren und mein Spiegelbild verschwimmen ließen. Müde rieb ich mir meine Augen und konnte mir ein Gähnen nicht verkneifen.

Ich hätte damit rechnen müssen, dass die Reise nach Hause mir zu schaffen machen würde. Alleine der Gedanke meinen Eltern wieder gegenüberstehen zu müssen, sorgte dafür, dass mein Magen sich verknotete. Ich fragte mich, welche Lüge sie sich wohl ausgedacht hatten, was ich beruflich machte. Denn eine Autorin, als Tochter zu haben, war nichts, womit sie in der Kirchengemeinde angeben konnten.

Wenn ich anbrachte, dass die Bibel, die sie so über alles priesen, auch irgendwann mal von Menschen aufgeschrieben worden war, waren sie immer nicht so begeistert. Deshalb glaubte ich nicht, dass sie wirklich die Wahrheit über mich erzählten. Es würde mich nicht mal wundern, wenn sie mich einfach für tot erklärt hatten. Immerhin hatte mein Vater mir erklärt, dass ich für ihn gestorben war, als ich vor acht Jahren endgültig meine Sachen gepackt hatte und aus der toxischen Stadt verschwunden war. Dass Lügen technisch gesehen, auch eine der Sünden war, von denen er mir so oft vorgepredigt hatte, dass sie mich letztendlich in die Hölle bringen würden, ignorierte er natürlich getrost. Die Regeln galten natürlich nur, wenn sie ihn nicht in irgendeiner Weise benachteiligten.
Wie hypokritisch das war, brauchte ich vermutlich niemandem zu erklären. Ich starrte in den Spiegel, als könnte ich darin die Dämonen besser erkennen, die mir aus meinen Augen entgegenstarrten. Doch es waren nur meinen grünen, etwas müden Augen die zurückstarrten. Ich schüttelte energisch den Kopf. Schluss jetzt! Hoffentlich würde eine Dusche, all die Gedanken wegwaschen können, meinen Kopf ein wenig klären können.

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Sorry für die Aussetzer der letzten Tage. Der Klausurenstress ist im Moment echt crazy... Das 11te Kapitel ist leider auch das letzte was ich schon komplett vorgeschrieben hatte, also wird es ab jetzt ein bisschen sporadisch 🙈.
Bei uns in der Familie geht auch gerade Corona wieder um und auch wenn mein letzter Test negativ war, bin ich trotzdem schön erkältet 😅

In dem Sinne bleibt gesund und übersteht die letzten Schultage gut 🥰

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