1. Kapitel
Öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, war schon an normalen Tagen nicht gerade ein Zuckerschlecken. Aber in der Vorweihnachtszeit zur Stoßzeit, war es der pure Horror. Ausgerechnet dieses Jahr war es bitterkalt und es lag Schnee, was hieß, dass die Züge sich noch mehr verspäteten, als normal.
Nachdem ich also nun eine halbe Stunde frierend darauf gewartet hatte, dass mein Zug kam, saß ich jetzt in einem überfüllten, stickigen Zugabteil. Rechts neben mir saß ein kleiner Junge, der schon zum fünften Mal in den letzten zehn Minuten geräuschvoll seine Nase hochzog und anschließend mit seinem verdächtig klebrigen Ärmel über seine Nase wischte.
Mir gegenüber saß eine Frau, die sich lautstark auf ihrem Handy mit jemandem stritt. Dabei benutzte sie leider keine Sprache, die ich verstand, sodass ich nicht einmal verstand warum sie eigentlich so wütend war.
Neben ihr saß ein rotwangiger Mann, dessen Alkoholfahne bis zu mir herüberwehte und der abwechselnd in meinen Ausschnitt und auf den der Blondine auf der anderen Seite des Ganges starrte.
Um das Ganze abzurunden, drang aus irgendeinem Handylautsprecher ganz in der Nähe Last Christmas in Dauerschleife.
Ich saß erst zehn Minuten im Zug und war jetzt schon mit den Nerven am Ende, dabei dauerte es noch drei Stunden, bis ich an meinem Bahnhof ankam, von wo aus ich in meinen Nachtzug umsteigen würde. Ich schloss meine Augen und wünschte mich wieder in mein kleines stilles Apartment zurück. In diesem Moment könnte ich behaglich auf meiner Couch sitzen, eingemummelt in meine Lieblingsdecke mit einem Tee in Griffbereitschaft und an dem Ende meines neuen Romans arbeiten.
Die Deadline war Ende des Monats, zu der ich den ersten Entwurf fertighaben musste und ich hing seit drei Wochen in einer Schreibblockade fest.
Klar, es gab tausende Tipps im Internet, wie man einer Schreibblockade beikam und noch mehr Leute, die behaupteten, dass Schreibblockaden nicht existierten, sondern die Blockade meist durch Löcher im Plot ausgelöst wurden - doch egal ob real oder nicht hing ich fest. Und keiner der Tipps hatte mir bisher weitergeholfen. Ich hatte das Wetter in der Szene geändert, eine Kurzgeschichte geschrieben, in der meine Hauptcharaktere sich auf einem Raumschiff kennenlernten, anstatt auf einer Ranch und hatte meinen Plot genauestens auf eventuelle Unstimmigkeiten untersucht - nichts. In meiner Verzweiflung hatte ich sogar mit Yoga angefangen, um meinen Geist zu reinigen und eventuelle negative Energien loszuwerden, die meine Kreativität unterdrückten. Doch anstatt weiterhin jede Minute meiner Zeit darauf zu verwenden, das Problem zu lösen, saß ich jetzt in diesem Zug nach Goridge.
Es war Jahre her seit ich einen Fuß in diese Stadt gesetzt hatte und alles in mir sträubte sich dagegen, dorthin zurückzukehren. Und wenn ich es ihr nicht schuldig wäre, würde ich auch weiterhin einen großen Bogen um meine Heimatstadt machen. Das Vibrieren meines Handys rettete mich davor, noch weiter in meinen düsteren Gedanken zu versinken.
Ich nahm mein Handy aus der Hosentasche und eine Nachricht ploppte auf meinem Startbildschirm auf. Sie kam von Nala, meiner besten Freundin und ich entsperrte schnell mein Handy. Was auch immer von Nala kam, würde mich bestimmt ein bisschen von meiner Situation ablenken. Als erste begrüßte mich das GIF eines tanzenden Hundes, der so niedlich mit seinem Hinterteil wackelte, dass ich nicht anders konnte, als zu grinsen. Direkt dahinter erschien eine weitere Nachricht von Nala.
Nala
Lass dich nicht unterkriegen von den
engstirnigen Kleingeistern. Zur Unter-
stützung habe ich dir eine Playlist
zusammengestellt, die so bunt ist, dass
die Leute dort wahrscheinlich schon vom
Zuhören zur Hölle fahren würden <3
Darunter hatte Nala mir einen Link gepackt zu einer Spotifyplaylist, die den Titel trug "God Is A Woman And She Is Hot". Das war typisch Nala. Mit einem Lächeln holte ich meine Airpods raus und verband mich mit Bluetooth, bevor ich auf den Link klickte und Nala ein stummes Dankgebet schickte und mich für die nächsten Stunden von der Musik überspülen ließ.
Natürlich hatte mein Zug so viel Verspätung gehabt, dass ich noch darum hatte bangen müssen, ob ich meine nächste Verbindung noch bekam und hatte mit meinem kleinen Koffer - der aber unglaublich schwer war, weil ich viel zu viele Bücher mitgenommen hatte - die Rolltreppen hochrennen müssen, sodass ich jetzt schwitzte und schnaufte und wahrscheinlich so rot im Gesicht war, als hätte ich einen Marathon absolviert. Ich sollte wirklich mehr Sport treiben - und definitiv aufhören mich beim Schreiben die ganze Zeit mit Weihnachtskeksen vollzufuttern. Aber wenigstens hatte ich meinen Zug noch bekommen und das alleine reichte schon, um ein wenig von dem Gewicht auf meinen Schultern abfallen zu lassen.
Mit dem Koffer in der einen Hand und dem Ticket in der anderen, machte ich mich auf die Suche nach dem Schlafabteil, dass ich gebucht hatte. Weil ich noch hatte rennen müssen, um den Zug überhaupt zu bekommen, hatte ich natürlich nicht darauf achten können zumindest in der Nähe meines Wagons einzusteigen. Stattdessen befand ich mich so ziemlich an dem anderen Ende. Na, das fing ja alles mal wieder super an. Seufzend drückte ich mich durch die Gänge und schwor mir einfach gleich ins Bett zu fallen, wenn ich mein Abteil erreicht hatte. Für heute hatte ich wirklich genug von allem.
Endlich entdeckte ich die Tür auf der meine Nummer stand. Sicherheitshalber checkte ich noch ein letztes Mal mein Ticket, weil ich mir selbst nicht vertraute und wirklich ungern einfach in das Abteil einer anderen Person reinlaufen würde. Das würde mir gerade noch fehlen, an dem heutigen Tage. Doch die Nummern stimmten überein und so stieß ich die Tür zu dem Abteil auf.
Das erste was ich bemerkte, war dass Licht in dem Abteil brannte. Merkwürdig, verbrauchte es nicht total viel Strom, wenn man in unbenutzten Abteilen das Licht brennen ließ? Dann landete mein Blick auf einem schwarzen kleinen Koffer, der neben dem Bett lag. Ein Bett, das wie ich jetzt sah ein Hochbett war, mit zwei Schlafplätzen und dass obwohl ich mit ziemlicher Sicherheit ein Schlafabteil für mich alleine gebucht hatte, auch wenn es ein bisschen teurer gewesen war.
Während mein Gehirn noch versuchte die Puzzlestücke zusammenzusetzen, öffnete sich hinter mir mit einem Mal die Tür zum Abteil und ich quietschte erschrocken auf und machte einen kleinen Satz nach vorne. Blitzschnell wirbelte ich herum und erstarrte. Denn anscheinend hatte es nicht nur einen Fehler bei der Buchung gegeben, sondern bei dem Besitzer des schwarzen Koffers, handelte es sich auch noch um einen Mann. Einen wirklich süßen Typen, der mich gerade mindestens so perplex anschaute wie ich ihn. Verdammt, ich fürchtete das mit dem ins Bett fallen, musste doch noch eine Weile warten.
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Hallo. Ich hoffe ihr habt einen schönen Start in den Advent <3. Bei mir steht heute Umzugkartons schleppen an, denn mein Zirkus, zieht in eine neue Halle um 🎪. Was sich echt seltsam anfühlt, nachdem ich 10 Jahre in der alten Jugendkunstschule trainiert haben. Wir hatten auch am Mittwoch unsere allerletzte Aufführung in der Halle 🥲
Jetzt soll es aber nicht um Zirkusakrobaten gehen, sondern um Mara und Dean, die wohl ein paar Komplikationen auf ihrer Reise erwartet. Erste Gedanken und Eindrücke zum Kapitel können gerne in Form von Kommentaren hinterlassen werden 🥰. Wer Interesse hat, an Nalas Playlist - ich verlinke sie unten einmal :). Ansonsten freue ich mich auf den nächsten Tag.
Wir lesen uns ❤️
https://open.spotify.com/playlist/6lOaesKWVRqbVsrn17OliK?si=ndE8DhR2S_mSTZjBT9X9fQ&pt=be763e7cc05a8174033f39b566300555
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