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Jeongin PoV

Noch müde vom gestrigen Abend, an dem niemand wirklich früh schlafen gegangen war, setzte ich mich in den Bus. Dieses Mal konnte ich es Jisung nicht verübeln, dass er die ganze Zeit am Handy verbrachte, um mit Minho zu schreiben, denn ich war nicht viel besser.

Die meiste Zeit über schrieb ich mit Hyunjin, redetete mit Jisung über belanglose Sachen oder starrte, so wie beim letzten Mal, einfach nur aus dem Fenster. Die Rückfahrt fühlte sich deutlich kürzer an als die Hinfahrt, was aber vielleicht auch daran lag, dass ich ein paar Mal kurz eingeschlafen war und dann immer unsanft geweckt wurde, weil mein Kopf gegen die Scheibe knallte. Genau aus diesem Grund fuhr ich auf Klassenfahrten lieber Zug. Es war einfach um Längen angenehmer als Bus zu fahren. Aber ich war bei weitem nicht der Einzige, der hundemüde war, denn auch der Rest des Jahrgangs wirkte, wie als hätte man ihnen jegliche Energie entzogen. Selbst Felix, der sonst vor Energie fast Funken sprüht, saß nun im Sitz vor mir und schlief seelenruhig.
Alles in allem war die Rückfahrt also ziemlich entspannt.

Am Busbahnhof kamen beide Busse relativ gleichzeitig an, sodass ich nicht lange auf Hyunjin warten musste. Die Lehrer hielten noch eine langweilige Rede über unser ach so großes Verantwortungsbewusstsein und unser vorbildliches Verhalten. Es war nicht schwer zu sagen, dass sie eigentlich überhaupt nicht mitbekommen hatten, was alles auf der Klassenfahrt passiert war.

Nach Ende der Rede kamen dann auch die meisten Eltern dazu. Darunter waren auch meine. Noch bevor ich Hyunjin meinen Eltern vorstellen konnte, zog er mich überraschend an ihn und küsste mich leidenschaftlich. Komplett verwirrt, was seinen plötzliche Aktion sollte, erwiderte ich trotzdem.

"Tut mir leid, dass es so überraschend kam.", flüsterte er dann, "Ich erkläre es dir wann anders, okay?" 

Als Antwort nickte ich einfach.

"Und jetzt stellen wir dich mal meinen Eltern vor. Die bringen mich um, wenn ich denen nicht sofort sage, dass ich jetzt einen Freund habe. Und dann auch noch so einen unglaublich schönen."

"Na dann. Ich will ja nicht, dass du vor mir stirbst.", lachte er und ich ging vor.

"Ich hab's verstanden. Du bist alt.", grinste ich frech.

"Das eine Jahr...", grummelte er daraufhin leise und ließ mich kichern.

"Yang Jeongin! Du wirst mir jetzt sofort erzählen, wer dieser hübsche junge Mann hier ist und warum ich ihn noch nicht kenne.", meinte meine Mutter.

"Das ist mein Freund Hwang Hyunjin und du kennst ihn noch nicht, weil ich ihn selbst erst seit Montag kenne."

"Also war es Liebe auf den ersten Blick? Wie romantisch...", schwärmte meine Mutter, während mein Vater Hyunjin eher zweifelnd betrachtete.

"Ja, so ähnlich.", lachte Hyunjin nervös.

"Für mich war es das.", schmollte ich ein wenig beleidigt.

"Für mich auch, Kleiner.", meinte er und hauchte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Komisch, aber ich war nur noch halb so beleidigt.

"Du musst uns auf jeden Fall auch mal besuchen kommen, damit wir uns besser kennenlernen können.", sagte meine Mutter freundlich.

"Ich würde mich freuen."

"Hwang! Einsteigen! Wir wollen los!"

Ein älterer Herr kam auf uns zu und sah wütend zu Hyunjin.

"Es tut mir wirklich leid, falls er Sie irgendwie gestört haben sollte. Er weiß einfach nicht, wie er sich zu benehmen hat. Hyunjin, entschuldige dich."

"Das ist nicht nötig. Mein Sohn wollte uns gerade einfach nur Ihren Sohn vorstellen und er benimmt sich sehr höflich. Also gibt es keinen Grund sich zu entschuldigen."

"Trotzdem werden wir jetzt gehen. Komm mit, Hwang."

"Bis Montag, Innie.", verabschiedete er sich mit einem schwachen Lächeln.

"Bis Montag."

Ich wollte ihn gerade noch einen Kuss zum Abschied geben, doch der Mann, von dem ich mir immer noch nicht sicher war, wer es eigentlich war, zog ihn von mir weg.

"Und du Schwuchtel bleibst von ihm fern. Verstanden?!", fuhr der Mann mich an und ich konnte mich nicht wirklich wehren. Auch Hyunjin zeigte kein Anzeichen dafür, dass er mich verteidigen würde. In diesem Moment schrie seine ganze Körperhaltung, dass er Angst hatte. Seine Augen flehten nach Hilfe.

"Was fällt Ihnen ein, meinen Sohn so zu nennen!?", meldete sich nun mein Vater lautstark zu Wort. "Ja, er ist schwul, aber das gibt Ihnen nicht das Recht ihn zu beleidigen! Und Ihren Sohn sollten Sie deshalb auch nicht so behandeln! Der arme Junge ist ja total verängstigt."

"Dieses Vieh ist nicht mein Sohn und ich darf ihn behandeln, wie ich will! Er lebt unter meinem Dach, also kann ich mit ihm machen, was auch immer ich möchte! Geh schon, Hwang."

Er schubste Hyunjin vor sich her wie ein gefangen genommenes Tier und mir zerbrach bei dem Anblick das Herz. Doch ich wusste einfach nicht, was ich hätte tun können, um ihm zu helfen. Ich kannte ja nicht einmal seine familiäre Situation. Das war einfach nicht Gesprächsthema bei uns gewesen.

Am liebsten wäre ich zu ihm gerannt, hätte ihn in den Arm genommen und ihm gesagt, wie sehr ich ihn liebe und mit ihm Mordpläne gegen diesen Mann schmieden, aber stattdessen musst ich zusehen, wie er von dem Mann vor sich hingeschubst wurde, bis sie beide in einem Auto verschwanden.

"Lass uns auch nach Hause, Jeongin. Und dann überlegen wir uns etwas, wie wir deinem Hyunjin helfen können.", meinte meine Mutter sanft, während ich noch dem Auto hinterher sah. Als es um die Kurve verschwand, ging ich zu unserem Auto. Von der Freude, meine Familie wiederzusehen und ihnen von Hyunjin erzählen zu können, war nichts mehr übrig.

"Du machst dir wirklich Sorgen um ihn, oder?", fragte meine Mutter, als wir im Auto saßen und ich einfach nur stumm aus dem Fenster sah, wobei ich mich fragte, wie es wohl Hyunjin gerade erging.

"Ich liebe ihn. Natürlich mache ich mir Sorgen."

"Liebe ist ein sehr starkes Wort.", meinte mein Vater.

"Weiß ich. Aber es beschreibt meine Gefühle zu Hyunjin am besten. 'Ich mag ihn' wäre um Längen untertrieben."

"Wir finden eine Lösung dafür, wie dieser Mann mit Hyunjin umgeht. Zerbrich dir nicht den Kopf, ja?"

"Ich versuche es, aber es ist schwierig. Ich will ihm helfen."

"Hilfe muss nicht immer ein Ritter auf einem weißen Ross sein, der die Prinzessin vor dem Drachen beschützt. Schreib ihm eine Nachricht und frag ihn wie es ihm geht oder telefonier heute Abend mit ihm. Du kannst ihm helfen indem du ihm die Kraft gibst, sich selbst zu helfen."

"Mache ich, sobald wir zu Hause sind."

So konnte ich vielleicht zumindest eine kleine Hilfe für Hyunjin sein.

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