Kapitel 9
"Wo willst du denn mit mir hin?", fragte ich immer noch panisch.
"Wir fahren raus", grinste er mich an.
"Was meinst du mit raus?", hakte ich beunruhigt nach. Aber der junge Biker grinste mich nur weiter an. Wir liefen an seinem Wagen vorbei in die Lagerhalle gegenüber. Sie war vollgeparkt mit Motorrädern. Endlich ließ er meine Hand los und zog mich nicht mehr hinter sich her. Trotzdem folgte ich ihm wortlos. Zane lief in eine Ecke, in der Motorradkleidung und Helme gestapelt waren. Kurz musterte er mich und reichte mir dann eine Jacke. Immer noch nicht ganz überzeugt von der Sache, zog ich aber trotzdem die Jacke an. Er lief zu einem der Motorräder, zog ebenfalls seine Jacke und einen Helm auf. Dann drehte er sich zu mir um und setzte mir vorsichtig den Helm auf.
Ohne wirklich noch weiter auf mich zu achten setze er sich auf den Bock und wartete einfach. Erwartungsvoll sah er mich an, als ich dann endlich meinen Mut zusammen nahm und mich hinter ihn setzte.
"Halt dich gut fest", grinste er vor sich hin.
Erst hörte ich nicht wirklich auf ihn und hielt mich nur leicht an seiner Hüfte fest, aber als er mit einem Affenzahn vom Hof fuhr, hört ich schnell auf ihn. Ich umschlag seinen Bauch, als würde mein Leben davon abhängen.
Ich spürte, wie er kurz lachen musste, als er merkte, wie ich enger an ihn rutschte und mich festkrallte.
Ich wusste nicht wie lange wir durch die Gegend fuhren. Aber es entspannte mich. Ich hatte keine Verpflichtungen, musste niemandem etwas beweisen, keine nette Familie belügen und ausnutzen. Diese Minuten oder sogar Stunden konnte ich einfach ich selbst sein und entspannen. Niemand würde es merken.
"Lass mich los!", hörte ich Zane über den Fahrtwind hinweg brüllen.
"Nein!", schrie ich zurück.
"Los, jetzt vertrau mir schon!"
"Bist du lebensmüde?!"
"Mach schon!"
Ganz langsam löste ich meinen Klammergriff von seinem Brustkorb.
"Und jetzt Streck die Arme aus!", brüllte er wieder. Und dieses Mal hört ich sogar, ohne eine Diskussion, auf ihn. Es war ein Gefühl, als würde ich fliegen. Einfach unglaublich! Ich konnte meine Freude nicht mehr unterdrücken und schrie, wie ein kleiner Teenager meine Freude raus in den Fahrtwind. Lachend ließ ich meinen Kopf nach hinten fallen und schloss die Augen. Der kalte Wind peitschte gegen mein Gesicht und verknotete meine Haare, die aus dem Helm herausragten, aber das war gerade alles egal.
Erst nach einigen Minuten hielt ich mich wieder an Zane fest.
Wir fuhren noch ein bisschen, bevor er die Straße verließ und auf einen Picknickplatz zusteuerte.
"Wenn es mir nicht gut geht, dann setze ich mich immer auf mein Motorrad und fahre einfach los. Das nimmt mir immer die Angst. Dachte das könnte dir jetzt auch helfen", erklärte er mir, während er den Helm absetzte.
"Dankeschön", lächelte ich ihm zu. Ein breites Grinsen erstrahlte auf seinem Gesicht. Er sah sehr viel netter und auch zugänglicher aus, wenn er am lächeln war und nicht immer diesen grimmigen Blick aufsetzte.
"Es freut mich, dass ich dir damit eine Freude machen konnte. Aber jetzt müssen wir Klartext reden", sofort wurde seine Stimme wieder ernst und der grimmige Gesichtsausdruck kehrte zurück. Sofort trat ich einen Schritt von ihm zurück. Er hatte mich doch nicht etwa hier rausgebracht, um mich jetzt doch noch umzubringen?!
"Das was du heute gehört hast, geht an niemanden weiter. Du kannst mit meiner Mutter drüber reden oder mit mir, aber das wars auch schon. Hast du das verstanden?!", sagte er während er wieder einen Schritt auf mich zutrat.
Ich brachte nur ein verängstigtes Nicken zustande.
Ich würde also nicht sterben. Das war sein Fehler. Er war weich. Schwäche. Etwas was ich gerade nur zu gerne ausnutze, aber bei mir im Kartell niemals dulden würde. Fast schon hochnäsig stimmt ich mir im Geiste selbst zu. Wir würden dies Biker ausspucken wie Dreck, wenn wir mit ihnen fertig waren.
"Gut. Dir ist es wahrscheinlich schon klar. Aber wir sind eine Gang. Also misch dich einfach nirgendwo ein. Dann kannst du dein Geld verdienen und bist bald schon wieder Zuhause. Wenn du schön so tust, als würdest du nichts sehen und nichts hören, passiert dir auch nichts. Ja, ich habe versprochen dich zu beschützen, aber das geht nur bis zu einem bestimmten Grad."
Wieder nickte ich nur.
Es wurde ja immer besser. Ich würde also wirklich Sachen einfach in der Bar hören. Und solange ich der Polizei nichts sagte, wurde ich sogar noch von Zane beschütze. Es war alles viel zu einfach.
"Können wir jetzt wieder zurück. Ich kann kein Geld verdienen, wenn ich nicht arbeite", sagte ich ganz leise.
Jetzt war Zane es, der bloß nickte.
Mit einem unwohlen Gefühl in der Magengegend setzte ich mich wieder hinter ihn und hielt mich fest. Am liebsten hätte ich ihn wie die Pest gemieden, aber ich wusste nicht mal wo ich war und irgendwie musste ich wieder zurückkommen.
*
Als wir vor der Bar hielten, wurde es schon so langsam dunkel. Catherine stand vor ihrer Kneipe. Die Hände in die Hüften gestemmt, musterte sie uns mit zusammengekniffenen Augen. Schnell stieg ich vom Motorrad warf meine Sachen förmlich von mir und lief, so schnell mich meine Füße eben tragen konnten in das Gebäude rein.
Während ich hinter mir noch hörte, wie Cathy ihren Sohn anbrüllte, sah ich vor mir Makenna, die mich mit einem erleichterten Seufzer in die Arme schloss.
Ich versuchte abzuwinken und mich aus dem Griff zu befreien, aber es hatte keinen Sinn. Und nach einigen Augenblicken wollte ich auch gar nicht mehr der Umarmung entfliehen. Es war lange her, dass sich jemand außerhalb meiner Familie Sorgen gemacht hatte oder mich irgendwie berührt hatte. Zumindest auf so eine liebevolle Art. Sie kannte mich nicht einmal und schon war ich ihr so wichtig, dass sie nicht wollte, das Zane mich erschoss.
"Ist schon ok", flüsterte ich ihr zu.
"Nein, ist es nicht. Aber jetzt passt nicht nur Zane auf dich auf, sondern ich auch. Es muss nicht böse für uns alle Enden", antwortete sie leidenschaftlich.
Da wurde mir klar, sie wollte nicht bei den Biker mitmachen. Für sie musste sie mich beschützen auch in die Fänge der Biker zu kommen.
"Lass uns einfach weiter arbeiten", gab ich leise zurück.
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