Kapitel 14
"Also willst du auf der einen Seite immer für deine Familie da sein und wirst immer von ihnen aufgefangen. Du hast starke Gefühle dafür, dass eine Familie immer zusammenhalten muss und wer sich nicht an die Regeln hält muss hart bestraft werden. Aber du willst trotzdem nicht auf genau diese Menschen und dieses Vertrauen zurückgreifen. Also was genau ist dein Problem? Dein Stolz oder deine eingetrichterten Regeln?" Zane hielt eine der Girlanden hoch, die ich am festnageln war. Er sah mir nicht einmal in die Augen, als er diese Schlussfolgerung aufstellte. Aber auch ich konnte ihn nicht ansehen.
"Versagensangst", sagte ich ganz leise, noch bevor ich mich davon abhalten konnte. Kurz spannte Zane sich an. Er kannte dieses Gefühl also nur zu gut.
"Ich will dem gewünschten Bild von mir immer entsprechen. Ich will nicht um Hilfe bitten oder Almosen annehmen. Wenn es bei der Arbeit oder sonst wo nicht klappt, will ich nicht auf meine Familie zurückgreifen müssen. Ich will das ganz alleine schaffen. Niemand soll denken ich wäre nicht fähig", erklärte ich mich weiter.
"Ich kenne das Gefühl nur zu gut", meinte da auch Zane seufzend, "Nachdem mein Vater gestorben ist, war eigentlich schon klar, was meine Aufgabe ist. Niemanden hat es wirklich interessiert, dass das nicht meine Welt ist. Ich meinte klar ich bin so aufgewachsen und ich bin gut, in dem was ich tue. Aber es ist nicht mein Traum."
Schweigend arbeiteten wir weiter. Eigentlich führten wir das selbe Leben. Und keiner von uns hatte einen anderen Ausweg, als den Tod oder Aufzugeben. Aber das zweite war keine Option.
Als wirklich alle Stände fertig waren, sah Zane zu mir rüber. Er war leicht nervös.
"Kann ich dir etwas zeigen?"
Etwas besorgt ließ ich mich von ihm zu seinem Auto führen.
Wir fuhren zu einer Scheune oder etwas ähnlichem etwas außerhalb der Stadt. Stolz schloss Zane die Tür auf und ließ mich eintreten. Es war eine Schreinerei.
"Wir sind hier wirklich nicht so schlimm, wie du meinst. Ich verdiene mein Geld eigentlich hier mit. Das ist mein eigentlicher Traum. Was ist deiner?"
Verwirrt sah ich ihn an. Was stimmt nicht mit ihm. Vor ein paar Tagen wollte er mich nicht mal in seinem Haus haben und jetzt wollte er was? Eine Freundschaft aufbauen?
Kurz dachte ich trotzdem über seine Frage nach. Eigentlich lebte ich meinen Traum. Ich war der Boss. Niemand hatte mir etwas zu sagen. Ich wurde nicht von meiner Familie mit einer Heirat für eine Verbindung genutzt, wie es meiner Mutter passiert war, auch wenn sie meinen Vater liebte. Trotzdem hätte ihre Zukunft auch ganz anders aussehen können. Ich konnte meine Zukunft komplett selbst bestimmen. Kein Mann würde mir sagen, was ich zu tun hatte. Ich hatte eine gut laufende legale Firma. Das Kartell wuchs und wuchs. Also was war mein Traum? Was wollte ich gerne weiter verfolgen.
"Ich möchte keine Angst mehr haben", antwortete ich ganz leise. Es war keine Lüge. Ich wollte keine Angst mehr haben müssen. Angst vor dem Versagen im Kartell. Das ich Alex sagen müsste, ich konnte sein Kartell doch nicht weiter führen. Angst vor der Enttäuschung meiner Familie, wenn ich es nicht schaffte. Angst davor nach Hause zu müssen ohne etwas vorweisen zu können. Angst davor, dass doch alle recht hatten und ein Frau niemals so eine Arbeit machen könnte. Aber viel wichtiger auch die Angst um mein eigenes Leben. Mit jedem Streit jeder weiteren Gang, die sich uns anschloss, stiegen die Chancen, das herauskam, wer ich wirklich war und das mich jemand umbringen würde.
"Die musst du hier nicht mehr haben", meinte Zane.
"Hör auf das zu sagen. Bevor ich hier her kam, wusste ich nicht, dass man Köpfe mit der Post bekommen kann", antwortete ich ihm ernst. Kompletter Bullshit immerhin hatte ich das ganze spezialisiert, so dass die Polizei nichts davon mitbekommen konnte.
"Hier geht es härter zu als in Italien. Und das größte Kartell versucht sich in ganz Amerika breit zu machen. Die die da nicht mitmachen, bekommen Leichen als Dank."
"Dann mach doch einfach mit!", meinte ich verständnislos. So müsste ich nämlich niemanden umbringen oder zerstören, wenn er einfach freiwillig sich unserer Sache anschloss.
"Das ist als würdest du sagen, ich soll das süße kleine Café meiner Großmutter an die große Konditorfirma verkaufen und nicht dafür kämpfen meinen Laden zu behalten", zuckte der junge Biker mit den Schultern.
Ich würde auch nicht einfach aufgeben, wenn ich in seiner Situation wäre. Aber die große Konditorfirma, war nunmal meine Firma und ich hatte keine Lust gegen ein Café zu verlieren.
Zane führte mich in den hinteren Bereich seiner Schreinerei und zeigte mir die fertigen Stücke.
"Irgendwann verkaufe ich sie und verschenke sie nicht nur an die Nachbarn", meinte er stolz, "Dann komme ich nach Hause zu meiner Familie. Spiele mit den Kindern im Garten. Das ist mein Traum. Aber ich habe diese Aufgabe. Meine Gang und meine Familie verlassen sich auf mich. Also wird das ruhige Leben nichts."
"Ich denke eine Gang und ein ruhiges Leben sollte vereinbar sein. Man muss sich nur ein sicheres Leben aufbauen. Gute Verbündete und nicht die falschen Feinde. Auch du kannst zu deiner Familie nach Hause kommen und mit deinen Kindern im Garten spielen."
"Nicht unter den momentanen Bedingungen. Die Versuche mich zu schützen, enden mit abgehackten Köpfen. Meine eigentlichen Verbündeten laufen über und obwohl es immer noch sehr gut läuft. Wir kommen an unsere Grenzen."
Niedergeschlagen ließ er sich auf eine abgewetzte Couch fallen. Langsam näherte ich mich ihm und setzte mich zu ihm. Sanft legte ich meine Hand auf sein Knie.
"Du wirst einen Weg finden", sagte ich sanft.
"Ich weiß aber nicht wie." Die Aussage zerriss mich innerlich. Ich sollte mich einfach nur freuen. Wenn mein Gegner so am Boden war, dann konnte ich ihn bald, ohne irgendwelche Probleme zu bekommen, übernehmen. Aber ich hatte nur Mitleid mit ihm. Ich wollte Zane helfen und er sollte seine Familie nicht enttäuschen. Aber dann würde ich meine Familie enttäuschen und das konnte ich mir einfach nicht leisten.
Zane griff nach meiner Hand auf seinem Bein und drückte sie kurz.
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