Kapitel 1
"Boss, die neuen Berichte sind da", erklärt Nixon, der gerade mein Büro betreten hatte. Mein Bodyguard und gleichzeitig meine rechte Hand legte mir die neuen Zahlen vor. Mein Master in Business und Finanzen half mir nicht nur bei der Geschäftsführung des Millionen Dollar schweren Unternehmens, sondern auch dabei die Zahlen des Kartells gut im Blick zu behalten. "Alex möchte wissen, wie es läuft", fügte er noch hinzu.
"Wie viel Uhr habe ich dafür Zeit?", fragte ich an meinen Sekretär gewandt. Dieser stand verängstigt an der Tür. Schaute immer wieder auf seinen Terminkalender auf Papier und dann wieder auf sein Tablet.
Genervt verdrehte ich die Augen. "Sag mir einfach bescheid, wenn ich freie 15 Minuten habe. Dann melde ich mich bei Alex."
Schnell nickte der verängstigte, junge Mann und verschwand wieder.
"Wolltest du nicht jemand besseren Einstellen?", meinte ich zu Nixon.
"Ich kann nichts dafür. Du vergraulst alle nach den ersten paar Minuten und überforderst sie komplett", lachte er mich aus. Wir hatten ein sehr entspanntes und freundschaftliches Verhältnis aufgebaut. Er musste immer wissen, was ich dachte und wie meine Meinung war. Immerhin präsentierte er mich bei allen wichtigen Treffen fürs Kartell. Niemand sollte wissen, dass der Boss eigentlich eine Frau war.
"Wenn du auch Frauen als Sekretärinnen akzeptieren würdest, hätte ich die perfekte für dich", versuchte Nixon mich ein weiteres Mal davon zu überzeugen.
"Ich werde keine Frau einstellen. Sie wird nur von euch belagert und kommt noch weniger zur Arbeit, als dieser jämmerliche Typ da draußen", schnaubte ich und kontrollierte weiter die Berichte, die Nixon mir gegeben hatte.
"Lass mich jemanden einstellen. Zwei Tage. Wenn sie dir nicht gefällt, reden wir nie wieder darüber!", bettelte er. Mit hochgezogener Augenbraue sah ich zu ihm auf.
Mit grimmigen Gesichtszügen nickte ich ihm knapp zu und scheuchte ihn dann mit einer Handbewegung aus meinem Büro.
In meinem bequemen Sessel lehnte ich mich nach hinten. Ich drehte mich mit dem Rücken zur Tür und schaute aus den bodentiefen Fenstern auf die graue Stadt unter meinen Füßen. Graue Wände, graue Fenster, graue Straßen und alles von einer dicken Nebelschicht umgeben.
Ich vermisste mein Zuhause. Ich vermisste die heiße italienische Sonne auf meiner Haut. Mein Brüder Stefano und Salvatore und meine ganze Familie. Aber es war meine Entscheidung gewesen.
Als meine Onkels Matteo und Alex auf mich zugekommen waren, ob ich ihr amerikanisches Kartell nicht übernehmen wollen würde, hatte ich nicht eine Sekunde überlegt. Die Maffia war mein ganzes Leben und ein eigenes Kartell zu führen eine absolute Ehre. Ich hatte meinen Abschluss beendet und war in den nächsten Flieger gestiegen. Mittlerweile war ich seit einem Jahr hier und hatte das Kartell mit einer eiskalten Führung von Alex übernommen. Schwäche und Gnade gab es nicht. Es sollte sich nichts verändern. Aber ich war nicht nur härter, als sonst jeder Boss, weil ich nicht wollte, dass wenn rauskam, dass ich eine Frau war, kein Gerede entstehen sollte. Niemand sollte sagen können, ich wäre schwach oder das Kartell würde lasch geführt werden. Also war ich noch viel härter, als all meine männlichen Kollegen.
*
"Noemi", hörte ich Alex harte Stimme über die Freisprechanlage in meinem Wagen.
"Alex, ich mache das seit einem Jahr. Ich habe mehr kleinere Gangs unter unserer Führung gebracht, als du in den letzten zehn Jahren. Es gibt keine Aufstände. Niemand versucht sich meine Position zu greifen. Die Zahlen sind fantastisch. Also warum muss ich dich jeden Tag anrufen, um dir zu sagen, was Sache ist?", ratterte ich genervt runter.
"Wann kommt die nächste Lieferung aus Italien?"
"Übermorgen."
"Wer kümmert sich darum?"
"Nixon", seufzte ich, "so wie IMMER!"
"Du musst nicht gereizt werden, junge Dame. Du trägst meinen Namen. Du leitest mein Kartell. Mein Erbe. Tu wenigstens so, als würdest du mich brauchen. Außerdem warum Nixon. Carson ist doch nun wirklich die bessere Wahl." Ja, ich hatte sein Kartell übernommen und ja mein Zweitname war Alexandra, ihm zu Ehren. Aber es war nicht mehr sein Kartell. Es war meins.
"Carson war deine rechte Hand. Und ja, er ist sehr gut in seiner Arbeit. Aber er hat eine Familie und mich darum gebeten, ihn kürzer treten zu lassen. Er hat Nixon eingearbeitet und er macht seine Sache wirklich gut. Ich vertraue ihm. Also wir Nixon meine Nummer zwei bleiben", stellte ich mal wieder klar. Täglich musste ich jede meiner Entscheidungen rechtfertigen. Irgendwann würde mein Onkel mich mit seinem besserwisserischen Verhalten noch in den Wahnsinn treiben.
Ich konnte ein zustimmendes Grummeln am anderen Ende der Leitung hören. "Und wieso hast du deinen Sekretär schon wieder gefeuert?"
"Weil er ein Trottel ist. Und jetzt werde ich auflegen. Liebe Grüße an Matteo. Wir sehen uns am Wochenende." Bevor er noch weitere Fragen stellen konnte legte ich einfach auf. Ich fuhr in die Tiefgarage meines Wohnkomplexes. Das Gebäude gehört dem Kartell. Und ich wohnte in einer Wohnung umgeben von meinen Mitgliedern. Trotzdem war meine Wohnung aufgebaut wie ein einziger riesiger Safe. Niemand kam rein oder raus, wenn ich es nicht wollte. Erschöpft von meinem Tag zog ich meine Schnürer Schuhe aus und auch der Hosenanzug flog in die Ecke. Nur noch in Unterwäsche bekleidet lief ich durch meine Wohnung. Ich weigerte mich hohe Schuhe oder enge Etuikleider anzuziehen. Ich war der Boss und keine Barbiepuppe. Sogar mit hohen Schuhen wäre ich kleiner als alle, also warum meine Füße unnötig quälen?
Mit einem Glas Wein in der Hand stand ich an der Küchenzeile und die Berichte immer noch an. Es ging nicht nur um uns, sondern auch um andere kleinere Gangs. Ich versuchte so viele, wie nur möglich unter meiner Führung zu vereinigen, um eine gutes flächendeckendes Kartell in Amerika zu haben. Ich wollte keine Gefährlichen Gebiete, wo Kinder nicht draußen spielen konnten, durch Gangrivalitäten und ich wollte keine Wahre verlieren, weil man sich gegenseitig verpfiff.
Aber es gab eine Gang. Eine kleine Drecksgruppierung, die sich weder mir anschließen wollte, noch mir meinen Frieden lassen wollte. Sie mischten sich immer wieder in unsere Angelegenheiten ein und soglangsam gingen mir die Ideen aus. Ich wusste nicht einmal woher sie ihre Waffenlieferungen bekamen.
Das waren meine täglichen Gedanken, wenn ich mich nicht mehr mit der eigentlich legalen Firma für Designermöbel aus Italien beschäftigte.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top