Dreizehn
'Wir sollen in Partnerarbeit eine Präsentation vorbereiten. Bis nächste Woche.'
Stegi hob fragend die Augenbrauen und Tim nickte zustimmend - und ganz eindeutig selbst nicht allzu begeistert.
'Ein Referat?'
Tim nickte und bemerkte natürlich Stegis zweifelnden Gesichtsausdruck.
'Ich weiß. Ich frag mal, wie wir das machen sollen. Also ... ich denke mal, dass du mit mir zusammen machen willst?'
Stegi verdrehte grinsend die Augen und auch um Tims Lippen schlich sich ein schelmischer Zug. Als ob er so eine großartige Wahl hätte - allerdings, selbst wenn er diese gehabt hätte, hätte er sich trotzdem für Tim entschieden. Also nickte er. Tim unterdessen hatte die Lehrerin zu ihrem Tisch herangewinkt. Sie kam sofort bereitwillig und schien sich auch sonst nicht sonderlich daran zu stören, dass in der Klasse inzwischen totale Unruhe ausgebrochen war und alle Schüler sich untereinander absprachen und Teams bildeten - das erkannte Stegi auch, ohne es zu hören.
»Ja?«
Tim begann zu erklären - viele und schnelle Worte und ohne sie dabei in Gebärdensprache zu übersetzen. Stegi konnte es ihm nicht verdenken. Es war fast unmöglich, gleichzeitig zu gebärden und das Ganze als vernünftigen Satz der Lautsprache von sich zu geben - dafür waren Grammatik und Satzbau der beiden Sprachen einfach zu verschieden.
Er wartete die Antwort ab und nickte immer wieder aufmerksam dabei - und anhand seines Grinsens vermutete Stegi, dass sie ihm gefiel. Im Anschluss übersetzte er.
'Da du es ja schlecht vortragen kannst und die Hauptarbeit ja eh das Erstellen des Vortrags ist, reicht es, wenn wir die Präsentation zusammen erstellen und ich sie dann alleine vortrage.'
'Echt? Würdest du das machen?'
'Klaro.'
Tim nickte bloß und am liebsten hätte Stegi ihn aus lauter Dankbarkeit umarmt. Er wusste, dass das keine Selbstverständlichkeit war - und es war einfach krass, was Tim für jemanden tat, den er streng genommen ja gerade mal zwei Wochen kannte. Tim aber winkte nur ab, als Stegi sich überschwänglich bedankte.
'Das ist wirklich kein Problem. Ich tue mir nicht schwer damit, vor Leuten zu sprechen.' Er zuckte bloß mit den Schultern. 'Wenn du willst, können wir und heute schonmal dransetzen und schauen, wie weit wir kommen.'
Sofort nickte Stegi bereitwillig - normal schob er solche Aufgaben immer bis zur allerletzten Sekunde auf und machte sich dann jedes Mal den Stress seines Lebens - da war es wahrscheinlich wirklich nicht schlecht, wenn Tim ihn dazu brachte, auch mal früher anzufangen.
'Cool. Kommst du mit zu mir?'
Stegi nickte erneut - und freute sich wirklich. Er würde dann wohl auch Tims Zuhause kennen lernen und vielleicht seine Familie. Er wahr gespannt darauf, zu erfahren, wie Tim lebte und auch endlich mal seine Schwester kennenzulernen - das Mädchen, dem er es verdankte, dass er hier auf der Regelschule nicht dem totalen Verderben ausgeliefert war, sondern sich mit jemandem verständigen und unterhalten konnte. Und das taten sie die nächste halbe Stunde auch. Ihre Lehrerin verteilte die Themen (ihres war Shakespeare und sein Leben) und gab ihnen Zeit, um sich schon einmal zu beraten und mit ihren Vorbereitungen für die Präsentationen zu beginnen. Die nächsten Stunden bis zu den Ferien würden dann die Referate gehalten werden (zum Glück gehörten sie nicht zu den Opfern des Zufalls, deren Termin direkt auf die nächste Stunde gelost worden war) - und wenn man Stegi fragte, war das bloß ein Plan, der von besonderer Faulheit der Lehrerseite zeugte. Es fragte ihn zwar keiner - aber er teilte es Tim trotzdem mit, der darüber bloß lachte - und ihm zustimmte.
Nach der Pause hatten sie nur noch zwei Stunden Sport - eine ganz neue Herausforderung. Sie spielten Volleyball und die Partnerübungen zur Technikschulung am Anfang gingen noch ganz gut - als Tim die Erklärungen des Lehrers dolmetschen wollte, winkte Stegi ab - er hatte es dank Vorführungen auch so verstanden. Es klappte wirklich erstaunlich problemlos - natürlich hatte es an seiner alten Schule auch schon Schulsport gegeben, aber dort waren eben alle taub gewesen und dementsprechend darauf eingestellt. Hier war es nur Stegi und als sie gegen Ende der Stunde in zwei Mannschaften noch ein kurzes Spiel spielten, bekam er das auch zu spüren. Es war schwer, zu merken, ob der Ball für ihn bestimmt war, wenn er nicht hörte, ob jemand »ich« oder »helfen« rief - und dementsprechend ließ er einige Bälle durch, die er unter anderen Umständen wahrscheinlich hätte annehmen können. Zum Glück schien ihm das keiner wirklich übel zu nehmen und da die andere Mannschaft noch schlechter war, gewannen sie das Spiel am Ende trotzdem noch - und konnten damit früher in die Umkleide gehen als die Verlierermannschaft, die noch die Halle aufräumen und das Netz abbauen musste.
Als sie sich fertig umgezogen hatten wartete Stegi auf Tim, der gerade noch seine Schnürsenkel band und dann seine Tasche schulterte. Es war ein gutes Gefühl, als sie sich zusammen auf den Heimweg machten.
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