Kapitel 6

Also ich genieße ja gerade die Sonne in Italien und ihr so?
Außerdem danke dafür dass wir irgendwie auf #51 in Humor gelandet sind xD

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"They say the truth will set your free, but what they neglect to mention is what happens when the truth isn't what you want to hear."

Kay;

"Erzähl!", rief Vicky am Montag in der Schule leise. Sie hatte mich nicht mal begrüßt – so viel zu ihrer Prioritätensetzung. "Du musst mir alles erzählen! Ist deine Stiefschwester hübsch?! Schaut sie Serien? Wie ist ihre Mutter? Wie war das Essen? War es gut?"

"Okay, beruhig dich erstmal", erwiderte ich lachend und hatte schon wieder vergessen, was überhaupt ihre erste Frage gewesen war - so viel zu meinem Kurzzeitgedächtnis.

"Du wolltest mir ja über What's App nichts erzählen!", sagte Vicky darauf gespielt beleidigt und verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust. "Also ist es streng genommen deine Schuld!"

"Okay, alles gut", versuchte ich sie zu beruhigen, während wir die Treppe hochliefen zu unserem Klassenzimmer. "Ich erzähle dir alles ganz genau."

"Kay, ganz ehrlich, wer will deine Fresse so früh am Morgen schon sehen?", begrüßte mich Marcus - freundlich wie immer. Marcus hatte aus irgendeinem Grund seit der fünften Klasse etwas gegen mich und seitdem stritten wir uns praktisch immer, wenn wir uns sahen. Manchmal mehr, manchmal weniger.

"Jetzt weißt du mal, wie es allen Leuten in unserer Klasse geht, wenn wir dich in der Früh sehen", erwiderte ich schlagfertig. Meine einzige Hoffnung im Moment war, dass Vicky nicht komplett ausrastete.

"Kay", meinte Adrian grinsend. "Hast du gut gemacht." Adrian hingegen gab mir immer ein Highfive, wenn ich Marcus beleidigte. Die beiden hatten sowieso irgendeinen komischen Twist miteinander... Sie stritten sich zwar die ganze Zeit, waren aber trotzdem irgendwie befreundet. Naja, man muss ja nicht alles verstehen.

"Was willst du jetzt schon wieder?", fragte Marcus Adrian gereizt. "Was mischt du dich eigentlich immer ein? Das war komplett ungefragt."

"Jemand hat seine Tage...", stichelte ich nur... ehrlich gesagt wusste ich nicht wirklich, warum ich Marcus gegenüber so böse war. Aber irgendwie konnte ich ihn einfach gar nicht leiden – ich mochte mich selbst nicht wirklich, wenn ich in seiner Gegenwart war. Gerade würde mich Lara bestimmt als äußerst unperfekt wahrnehmen.

"Halt dich da raus", rief Marcus mir nur zu. "Du musst dich nicht in alles einmischen, dich will hier eh niemand haben."

Ich lachte daraufhin nur trocken und ging einen Schritt auf ihn zu. "Und was willst du dagegen machen?"

"Kay", sagte Vicky neben mir nur warnend. "Das ist er nicht wert. Lass es einfach sein, der intelligentere gibt nach."

"Du solltest lieber auf deine lesbische feste Freundin hören", erwiderte Marcus nur verächtlich. Ich war nicht lesbisch, aber ich sah es trotzdem als eine Art Beleidigung gegen mich. Außerdem vielleicht war Vicky ja lesbisch, deswegen würde ich garantiert nicht einfach wegschauen und das alles auf sich beruhen lassen.

"Wir sind kein Paar", stellte ich fest und starrte Marcus wütend an – dabei versuchte ich nicht rechtfertigend zu klingen. "Außerdem würde ich mir an deiner Stelle es zweimal überlegen, eine sexuelle Orientierung als Beleidigung zu benutzen."

"Was ist denn? Hast du etwa ein Problem damit, Kaya?", fragte er grinsend. "Was willst du denn dagegen machen?"

Ich war kein Fan von Gewalt und deswegen würde ich auch garantiert keine Gewalt anwenden, aber innerlich war ich so nah ihn einfach umzubringen. Besonders wenn er 'Kaya' zu mir sagte... Ich hasste meinen 'wirklichen' Namen und achtete immer darauf, dass jeder mich 'Kay' nannte.

Ohne wirklich darüber nachzudenken, sprach ich die nächsten Worte aus. "Wir wissen alle, dass du auf Adrian stehst, stimmt's? Ich sehe es doch in deinen Augen, du willst ihn, nicht wahr? Und genau deswegen beleidigst du mich die ganze Zeit, weil du weißt, dass ich es wei9, nicht wahr?"

Eigentlich war ich mir ziemlich sicher, dass er nicht auf Adrian stand, aber in diesem Moment ging es nur darum ihn aus der Reserve zu locken. "Aber du willst es dir selbst nicht eingestehen, richtig?", fuhr ich fort. "Weil du so armselig bist, dass du nicht mal zu dir selbst stehen kannst."

"Was für einen Scheiß redest du da eigentlich, Kay?", fragte Marcus zornig. "Du solltest einfach mal die Fresse halten."

"Hast du ein Problem damit, weil ich die Wahrheit sage?", erwiderte ich nur und zog eine Augenbraue hoch. Innerlich klopfte mir das Herz bis zum Hals. Was war aus meinem Grundsatz 'throw kindness around like confetti' geworden?

"HALT EINFACH DEINE FRESSE!", schrie Marcus mich an. Ich starrte ihn schockiert an, damit hatte ich nun wirklich überhaupt nicht gerechnet. Auch wenn jede moralische Vorstellung mir sagte, dass ich jetzt definitiv aufhören sollte, konnte ich meinen Mund nicht halten – das war für jeden Spruch, den er mir jemals reingedrückt hatte und damit auch für jede Beleidung gegen Vicky.

"Du musst es nur zugeben... Es ist ja nicht so, als wärst du der einzige an der ganzen Schule... Nein bestimmt nicht...", stichelte ich weiter. Vicky stand immer noch hinter mir und hatte mittlerweile ihren Arm beschwichtigend um meine Hüfte gelegt - sie wollte, dass ich damit aufhörte.

"Niemand geht deine Sexualität irgendetwas an... Außer dich selbst, aber anscheinend willst du es mit uns allen teilen, nicht wahr? Komm schon... Gib es zu...", meinte ich gelassen und sah Marcus direkt an. "Es ist doch nichts dabei... Wir sind im einundzwanzigsten Jahrhundert."

"ICH BIN HETERO VERDAMMTE SCHEIßE!", brüllte er und ich zuckte reflexartig zusammen.

"Genau... Und meine Haare sind tief schwarz", erwiderte ich lachend und versuchte nicht, total eingeschüchtert zu klingen. "Ich glaub's dir auch."

Schließlich mischte sich Adrian doch noch ein. "Hey, ist das wahr, was sie sagt? Also hat sie Recht damit, oder nicht?"

Marcus starrte ihn an, als wäre alleine seine Frage eine totale Beleidigung. "Nein, natürlich nicht. Willst du wirklich einer Lesbe glauben? Sie lügt, was denn sonst?"

"Woah, ich bin nicht lesbisch", stellte ich nüchtern klar. "Und wenn ich es wäre, dann wäre 'Lesbe' garantiert keine Beleidigung für mich."

"Wirklich, Marcus, lass Kay da raus und Kay, sei einfach für einen Moment leise", schaltete sich nun Jakob ein. "Ihr solltet wirklich aufhören, euch die ganze Zeit zu beleidigen. Es reicht jetzt."

"Sie hat angefangen", rechtfertigte sich Marcus.

"Hab' ich überhaupt nicht!", gab ich zurück. "Du hast damit angefangen."

"Aber ernsthaft, Marcus? Stehst du auf ihn oder nicht?", fragte Thomas nun. "Kay hat das garantiert nicht einfach so gesagt, also stimmt's, oder nicht?!"

Das hatte ich eindeutig nicht so erwartet. Ich meinte, ich wollte nur Vicky und mich verteidigen und definitiv nicht damit so etwas anfangen.

"NEIN! NATÜRLICH NICHT!", schrie Marcus entsetzt. "ALS OB ICH AUF EINEN TYPEN STEHEN WÜRDE!"

"Es wäre wirklich nichts dabei", schaltete sich Adrian nun ein und versuchte sichtlich beschwichtigend zu wirken. "Ich meine, es wäre ein bisschen komisch, aber trotzdem."

"ICH STEHE NICHT AUF DICH!", schrie Marcus wütend. "Wisst ihr was, fickt euch alle!!" Mit diesen Worten drehte er sich um und rannte davon.

"Alles klar", meinte Vicky dazu nur und unsere ganze Klasse starrte Marcus nur sprachlos hinterher – Vicky fand in den meisten Situationen, in denen jeder andere sprachlos war, trotzdem noch Worte.

"Also ich wollte das wirklich nicht", erklärte ich nur beschwichtigend. "Das war nicht meine Intention."

"Ich rede mit ihm", sagte Jakob nur. "Entschuldigt mich bitte von der ersten Stunde."

"Ja, klar, mach ich. Und sag ihm, dass es mir leid tut", erwiderte ich zerknirscht. "Ich hab' das nicht so gemeint."

"Klar, mache ich. Aber ich denke nicht, dass es so schlimm ist", antwortete Jakob mit einem aufmunternden Lächeln und ging Marcus hinterher.

"Das war wirklich nicht nötig gewesen, Kay", meinte Vicky nur beruhigend. "Du musst nicht alles alleine klären. Auch wenn er schon mal jemanden gebraucht hat, der ihn in die Schranken weißt."

"Ich wollte nur nicht, dass er dich beleidigt", sagte ich daraufhin sanft. "Außerdem dachte ich nicht, dass er so ausrastet..."

Schließlich kam unser leicht verplanter Geschichtslehrer Herr Melcher mit nur ungefähr zehn Minuten Verspätung – ich war noch nie so froh, dass der Unterricht jetzt anfangen würde.

"Jakob redet grad noch mit Marcus, die kommen dann später", entschuldigte Thomas die beiden bei Herrn Melcher. Dafür war ich irgendwie dankbar, da ich es dadurch nicht tun musste.

Dieser nickte nur und meinte. "Geht in Ordnung." Zum Glück stellte er keine weiteren Fragen, sonst hätte ich das vermutlich alles erklären müssen.

Die beiden tauchten erst am Ende der zweiten Stunde wieder auf. Jakob schien erschöpft zu sein und ließ sich auf den Stuhl in der letzten Reihe fallen. Die zwei Mädchen und der Junge neben ihm fingen sofort an Jakob mit Fragen zu löchern, aber anscheinend hatte er auf keine von ihnen geantwortet. Marcus setzte sich auf den Platz neben uns. Seine Augen waren gerötet, als hätte er geweint.

Ich sah ihn besorgt an und flüsterte ihn schließlich zu. "Das mit vorhin tut mir leid... Ich wollte nur, Vicky verteidigen. Ich dachte nicht, dass das... so endet."

Er sah mich nur verächtlich an. "Da bin ich mir sicher."

"Was hast du jetzt schon wieder? Du hast meine beste Freundin beleidigt, ich hab' dich auf eine unschöne Art angegriffen... Was willst du denn jetzt hören?", erwiderte ich verwirrt. "Außerdem war ja nichts dran an dem, was ich gesagt habe, oder?"

Marcus antwortete darauf nichts, sondern sah nur für den Bruchteil einer Sekunde zu Adrian, der von unserer Unterhaltung nichts mitgekriegt zu haben schien.

"Ich hatte Recht...", flüsterte ich total schockiert. Also das hatte ich jetzt wirklich am wenigstens erwartet, ich dachte, dass würde ihn einfach nur etwas provozierend.

Marcus starrte mich nur wütend an. "Lass das, Kay!"

"Ich hab' gar nichts gemacht!!", erwiderte ich leise. Mir war das alles so unangenehm – ich wollte keine Person sein, die so zu anderen Menschen war. "Ich wusste wirklich nicht, dass du... Du weißt schon... Sonst hätte ich das nicht gesagt. Ich wollte dich ein bisschen aufziehen."

"Whatever", murmelte er nur und wandte sich genervt von mir ab.

Gerade als ich wieder neu ansetzten wollte, klingelte es bereits und Marcus war innerhalb von zwei Sekunden aus dem Klassenzimmer draußen. Immer noch geschockt packte ich meine Sachen zusammen und verließ mit Vicky das Klassenzimmer als eine der letzten.

Unter in der Pausenhalle, rief jemand hinter mir meinen Namen und ich drehte mich verwundert um. Adrian kam auf mich zu und gesellte sich neben uns. "Ich hab' euer Gespräch im Unterricht mitbekommen... Und ich regel' das für dich. Ich weiß, dass du es nicht so gemeint hast."

Ich nickte ihm dankbar zu. "Danke."

"Kein Problem", meinte er lächelnd und verschwand unter den Massen an Schülern, die in die Aula strömten – ich seufzte, es hasste mich zum Glück doch nicht jeder.

"Er steht auf dich!!", quietschte Vicky neben mir gefühlt zwei Oktaven höher. "Ich weiß es ganz ganz genau. Aww, ihr wärt voll das süße Paar."

"Äh nein", meinte ich nur verwirrt. "Und selbst wenn, ich stehe nicht auf ihn, also wird das mit uns nichts!"

"Trotzdem! Und dabei wären er und Marcus so ein süßes Paar", schwärmte sie. "Ich würde es den beiden so gönnen... Ach wieso gibt es nur so viele tolle Paare." Dann starrte sie mich an, als hätte sie einen plötzlichen Geistesblitz gehabt. "Ich hab's!! Deswegen war Marcus immer so asozial zu dir... Weil Adrian auf dich steht... Er war einfach nur eifersüchtig...", erklärte sie triumphierend.

Ich schaute sie entgeistert an, um dieses Problem, was ich angerichtet hatte, wollte ich mich bestimmt nicht kümmern. "Okay, whatever. Es gibt's wichtigeres. Marie und mein Dad sind verlobt und sie wollen zusammenziehen."

Sofort war das ganze Drama mit Marcus und Adrian vergessen. "Das heißt die Stiefmonster ziehen bei dir ein?!", fragte Vicky entgeistert.

"Nein, sie wollen sich nach einem Haus umsehen... Aber davon bin ich jetzt auch nicht so wirklich begeistert", erwiderte ich ehrlich.

"Das heißt dein Dad verkauft das Haus? Aber es ist so toll!", meinte Vicky schockiert. "Ich liebe euer Haus! Der Keller... und eurer Wohnzimmer... und der Wintergarten."

"Sie wollen es langsam angehen lassen, aber ich will unser Haus nicht wirklich verkaufen... Ich meine, damit ist doch nichts falsch, oder?", erwiderte ich nur – ich hatte mir das so noch nie wirklich eingestanden, schließlich wollte ich mich ganzen Herzens einfach nur für meinen Vater treffen.

Vicky schüttelte entschieden den Kopf. "Aber erzähl mal von deiner Stiefschwester, ist sie heiß? Wie ist sie denn so?"

"Sie kommt mit uns eh auf's Panic! At The Disco Konzert, das heißt du siehst sie sowieso und kannst sie kennenlernen", antwortete ich.

"Find ich super", erklärte Vicky begeistert – immerhin hatte sich Vicky's Meinung von Lara von Stiefmonster zu 'ich will sie kennenlernen geändert'. "Und wir beide werden jetzt extra viel Zeit in eurem Haus verbringen."

Ich nickte lachend. "Das machen wir."

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