Kapitel 28
"I love you and it's killing me."
Kay;
Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich genau erwartete hatte. Auf der anderen Seite konnte ich definitiv sagen, dass ich das nicht erwartet hatte. Beim Abendessen hatte ich mich auch ein wenig mit Anika unterhalten und um ehrlich zu sein, mochte ich sie irgendwie. Anika war nett und ich konnte es verstehen, dass Lara sie lieber mochte als ich. Oder generell sie auf diese Weise mochte und nicht mich.
Anika war witzig, humorvoll und brachte Lara auf eine ganz bestimmte Art und Weise zum Strahlen. Auch äußerlich brachte sie genau das mit, was Lara suchen musste: Sie war blond, trug eher sportliche Kleider und schien sich bei weiten nicht so viele Gedanken zu machen wie ich. Vielleicht machte genau diese Sache es umso schwerer, könnte ich Anika wenigstens nicht mögen, wäre es so viel einfacher, meine Wut auf sie projizieren.
"Lara, deine Stiefschwester ist toll, also wirklich du hast Glück", meinte sie gerade eben und lächelte mich freundlich an. Genau so war Anika die ganze Zeit gewesen, zuvorkommend und immer freundlich. Mein Vater machte kein Geheimnis daraus, dass er Anika wirklich sehr gerne hatte und außerdem voll begeistert von ihr. In solchen Moment wurde mir fast schlecht; ich wollte die Frau an Lara's Seite sein und auch als diese wahrgenommen werden.
Wäre ich nicht so verdammt eifersüchtig auf Anika, dann würde ich so auch wirklich mögen... tat ich aber nicht, allerdings musste ich ja meinem Grundsatz treu bleiben und zwar nett zu allen sein. Deswegen hatte ich dem ganzen Abendessen lang ein Lächeln aufgesetzt, ich wollte schließlich nicht, dass meine Gefühle irgendwie dazwischen gingen. Es war weder Anika's noch Lara's Schuld, dass Lara meine Gefühle nicht erwiderte. Es war niemandes Schuld und nach diesem Grundsatz musste ich auch leben und mich verhalten.
"Also, du bist doch mit Lara auf der gleichen Schule, oder?", fragte ich sie lächelnd und Anika nickte.
"Cool, dann kennt ihr euch daher, oder?", fragte ich weiter und versuchte so freundlich wie möglich zu bleiben, was mir zum Glück auch ganz gut gelang. Am liebsten würde ich aufstehen, mich in meinem Zimmer verkriechen und niemals wieder hervorkommen; erst wenn ich über alles hinweg war.
"Eigentlich hängen wir deswegen die ganze Zeit miteinander ab, weil mein Zwillingsbruder und ihr bester Freund uns verlassen haben", erklärte sie mit einem Lachen. Lara stimmte mit ein and stupste Anika aufgeregt an. "Erinnerst du dich noch, als wir uns das erste Mal getroffen haben und Philip gleich gesagt hat, dass es ein Fehler war uns einander vorzustellen."
"Nein, das war Timon, aber Philip hat ihm zugestimmt also kommt es auf das Gleiche hinaus", korrigierte Anika Lara sanft. "Die beiden sind wahrscheinlich sogar froh ihre Ruhe zu haben."
Ich war unglaublich neidisch auf Anika und dass sie all diese Zeit mit Lara verbringen konnte, dass sie diesen Alltag mit ihr hatte. Auch wenn ich Lara jeden Tag sah, weil wir zusammenwohnten, war das nicht dasselbe. Ich sah sie in der Früh nur kurz und dann abends, aber meistens war so viel anderes los, dass wir nie Zeit für uns hatten – obwohl es streng genommen kein 'uns' gab.
Lara nickte nur mit einem Zwinkern und wandte ihre Aufmerksamkeit mir zu. "Ich habe das Gefühl, du und Anika würdet gute Freunde sein." Ihre Stimme zitterte nur einmal mal ganz kurz, als sie mir in die Augen schaute, aber sonst klang sie so, als würde sie das wirklich so meinen und nicht einfach nur so sagen. In einer anderen Realität wäre das bestimmt auch so, wenn ich nicht in Lara verliebt wäre, würde ich Anika auch mögen, aber so... so war Lara die Person, die mir das Herz gebrochen hatte.
"Da bin ich mir sicher", erwiderte ich nur mit einem Kloß im Hals und lächelte Anika zu. "Ich bin mir ziemlich sicher, dass Vicky, meine beste Freundin, hier auch ziemlich gut reinpassen würde."
"Sie klingt auf alle Fälle sehr sympathisch", meinte Anika mit einem Grinsen und in diesem Moment war ich sehr nah dran mir zu wünschen, dass Anika und Vicky einfach ein Paar werden würden... Dann hätten Lara und ich zumindest eine Chance, abgesehen davon, dass unsere Eltern vermutlich komplett dagegen wären...
Trotzdem ich klammerte mich an jede Hoffnung wie an einen rettenden Strohhalm in der Hoffnung, dass meine Gefühle nicht komplett zum Scheitern verurteilt wären. Es war das erste Mal, dass ich solche Gefühle für jemanden hatte und jetzt musste das so enden...
Auch wenn mir bewusst war, dass mein Herz früher oder später sowieso gebrochen werden würde... Leider... Je eher ich mich dem bewusst machte, desto besser wäre es vermutlich, allerdings wollte ich die Hoffnung noch nicht aufgeben. Ich wollte weiter hoffen und so tat ich genau das.
Anika und Lara klebten förmlich aneinander und zwar die ganze Zeit. Mit jedem Mal, mit dem sie sich umarmten oder küssten, spürte ich einen Schmerz in meiner Brust, der nicht weggehen wollte.
Trotzdem war ein Lächeln auf meinen Lippen wie immer und als mein Vater mich - nachdem Anika und Lara sich in ihr Zimmer zurückgezogen hatten - fragte, was ich von Lara's Freundin hielt, antwortete ich ehrlich, dass es Lara vermutlich besser nicht hätte treffen können.
Auch Marie war mittlerweile etwas aufgeschlossener geworden und erzählte mir, dass Anika ein wunderbares Mädchen war und sie glücklich war, dass Lara so jemand tollen gefunden hatte. Während dieser ganzen Zeit lächelte ich weiter, ließ nicht zu, dass irgendjemand sah wie sehr ich innerlich eigentlich zerbrach. Das Bedürfnis zu Weinen und mich einfach zu vergraben, wurde mit jedem Mal, dass ich Anika's Namen hörte schlimmer.
Ich war mehr als froh, als ich mich in mein Zimmer zurückziehen konnte, auch wenn ich von nebenan Lara's Lachen und Anika's aufgeregte Stimme hören konnte. Allerdings gab es nichts was man nicht mit voll aufgedrehter Lautstärke, Kopfhörer und Bring me the horizon übertönen konnte – außerdem waren noise cancelling headphones auch immer eine gute Idee. Das wichtigste war, dass ich nichts mehr hörte außer der Musik.
Es beruhigte mich seltsamerweise sehr und besonders fühlte ich nicht mehr so allein. "Can you hear the silence, can you see the dark, can you fix the broken, can you feel, can you feel my heart?", flüsterte ich die Songlyrics mit und konnte spüren wie meine Sicht verschwamm. Ich wusste nicht, wann ich das letzte Mal geweint hatte, aber jetzt gerade eben rannen zu viel Tränen meine Wangen herunter. Sie fühlten heiß ein, als würde mein Körper mir Trost spenden wollen.
"Can you feel my heart? I'm scared to get close, And I hate being alone, I long for that feeling to not feel at all, the higher I get, the lower I'll sink, I can't drown my demons, they know how to swim", wollte ich die Sätze mit schreien, aber meine Stimme brach bereits nach dem ersten Wort. Zitternd stand ich auf und schloss leise beide meiner Zimmertüren ab, bevor ich mich in meine Decke einkuschelte.
Mit zitternden Fingern öffnete ich den Chat von Vicky und schrieb ihr hastig ein 'SOS'. Bevor ich anfing ihr die ganze Situation zu schildern. Es war für mich erst schwierig, das zuzugeben, schließlich wusste ich nicht, was Vicky darüber denken würde, doch irgendwann müsste ich es ihr sowieso sagen und wenn ich es ihr nicht sagen würde, dann würde sie es merken.
Kay [20:34]: Ich habe mich in Lara verknallt und sie hat eine Freundin und ich weiß nicht was ich machen soll
Kay [20:35]: Ich liege grad übrigens heulend in meinem Bett und höre bmth
Ich war noch so froh, als unter Vicky's Namen ein 'schreibt...' erschien. Immerhin war ich nicht mehr allein und sie würde jetzt da sein für mich. Ich konnte mich schließlich immer auf meine beste Freundin verlassen. Am liebsten würde ich sie ganz fest in meine Arme schließen und sie würde mir sagen, dass alles in Ordnung war.
Vicky [20:35]: oh Kay...
Vicky [20:35]: Tut mir wirklich leid für dich :/
Vicky [20:35]: Soll ich vorbeikommen? Ich schleich mich raus und kletterte durch dein Fenster
Unter Tränen lachte ich kurz auf und war einfach nur so dankbar dafür, dass sie für mich da war. Wirklich... manchmal fragte ich mich was ich ohne sie machen würde... Aber das wusste wahrscheinlich jeder der eine beste Freundin oder einen besten Freund hatte nicht.
Kay [20:36]: Danke :))
Vicky [20:36]: Brauchst du seelische Unterstützung?
Vicky [20:37]: Mit anderen Worten soll ich dich anrufen? Sonst komme ich auch wirklich bei dir vorbei, brauche ca. 10 Minuten
Ich hasste es abgrundtief zu zugeben, dass ich Hilfe brauchte. Deswegen hörte ich mein Handy klingeln, als ich nicht geantwortet hatte. Natürlich wusste meine beste Freundin, was ich brauchte, auch wenn ich ihr nichts sagte. Sie wusste immer Bescheid.
Vicky's Stimme war voller Besorgnis. "Kay, ganz ehrlich, du musst wirklich lernen endlich mal Hilfe anzunehmen. Ich kenne dich seit ich denken kann, also wirklich. Da ich ja deine Lebensberatung und Therapeutin für alle Fälle bin, werde ich dir jetzt natürlich auch helfen."
"Was würde ich ohne dich machen", erwiderte ich nur, unsicher, ob ich meiner Stimme vertrauen konnte. Es war mir unangenehm, normalerweise war ich die Person, die andere auffing und andere unterstütze, aber vielleicht musste ich endlich lernen, mich auch einmal fallen zu lassen.
"Das will ich ehrlich gesagt nicht wissen", meinte Vicky nur. "Okay, also weißt du, was du jetzt brauchst? Eis, deine beste Freundin, also mich, und außerdem einen guten Film oder Serie, die wir gemeinsam anschauen. Danach werden wir jemanden finden, der dich wirklich verdient hat. Beziehungsweise jemanden, den deine Gefühle auch erwidert."
Ich lächelte nur und sagte mit Wärme in der Stimme. "Danke, danke, danke. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde."
"Okay, also wir finden jetzt erstmal eine gute Serie für dich, meine Süße, also ich würde dir persönlich irgendwas lustiges empfehlen...", überlegte sie laut. "Ich habe eine gute Idee, fang Carmilla an, ist wirklich nett und hat nicht wirklich so viel Drama. Und es wird sehr, sehr süß."
"Danke, kannst du mir den Link schicken?", fragte ich und kicherte ein wenig, weil Vicky einfach so ein extremes Fangirl war. Es hatte jedoch auch seine Vorteile, dass sie so gut informiert war und mir deswegen sofort die richtige Serie empfohlen hatte.
"Weißt du übrigens, dass Katya und ich bald ein Jahr verheiratet sind", erzählte sie mir mit einem Lachen. "Und... noch besser... Ihre Familie kommt bald her, das heißt... ich könnte meine beste Internetfreundin treffen... Ich meine, wie geil ist das einfach nur."
"Sag dann Bescheid, wenn du mich ersetzt hast", sagte ich darauf nur mit einem Lachen. "Ich freue mich übrigens so für dich und deine Ehefrau. Ich hoffe, ihr werdet für immer glücklich sein."
"Ach, Kay, ich muss jetzt auflegen, meine Mum wollte noch was mit mir besprechen, du kommst ohne mich klar, oder?", fragte sie und klang besorgt. "Ich will dich wirklich nicht so gerne alleine lassen..."
"Vicky, das passt schon, ich schau jetzt Carmilla und plündere meinen Vorrat an Schokolade", beruhigte ich sie. Ich hatte diese Worte schon oft gesagt, ohne dass ich sie wirklich so gemeint hatte. Doch gerade war es okay, ich war vielleicht noch nicht komplett über Lara hinweg, aber die Zeit heilte alle Wunden. Letzten Endes war nur mein erster richtiger Crush gewesen, der meine Gefühle nicht erwiderte.
Bevor sie auflegte, flüsterte ich noch. "Danke, Vicky, für alles, was du jemals für mich getan hast."
"Kein Problem, wofür hat man sonst eine beste Freundin?"
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