Kapitel 27

"It's hard to pretend you love someone when you don't, but it's harder to pretend that you don't love someone when you really do."

Lara;

Genau wusste ich auch nicht wirklich, was ich gerade tat. Allerdings war Anika attraktiv, blond, hatte fast die gleichen Interessen wie ich - und war eindeutig nicht meine Stiefschwester. Außerdem war sie hübsch, intelligent und wenn Philip und Timon auch ein Paar werden würde, wäre unsere Beziehung mehr als auch nur ein bisschen perfekt. Es würde perfekt sein... Abgesehen davon, dass Anika nicht unbedingt meine Traumfrau im Moment war, allerdings könnte sich das ja auch noch ändern... Unter Umständen vielleicht...

Deswegen hatte ich beschlossen einfach nur das übliche zu machen, nämlich unterbewusst einfach komplett offensichtlich mit Anika zu flirten. Es war etwas schwerer, als es zuerst schien, allerdings auch nur in der ersten Zeit. Eigentlich war ich relativ gut im unterbewusst flirten, aber das Ganze bewusst zu machen, war irgendwie schwieriger.

"Wir sollten mal etwas zusammen machen, nur wir beide", meinte ich mit einem Grinsen und zwinkerte Anika zu, als wir gerade gemeinsam an einer Aufgabe arbeiteten, die unsere Ethiklehrerin uns gegeben hatte. Ich war mir ehrlich gesagt ziemlich sicher, dass Anika zumindest ein bisschen an mir interessiert war, weswegen ich mich bestimmt nicht komplett blamieren würde.

"Jap, das wäre bestimmt schön", erwiderte Anika mit einem Lächeln und fuhr sich durch ihre blonden, offenen, glatten Haare. Es wehte ihr angenehmer frischer eher fruchtige Duft zu mir rüber – fast das komplette Gegenteil von Kay, die eher süßlich roch. "Wir könnten einfach nur eine Serie anschauen oder Musik hören... Wann würde es denn für dich passen?"

"Kommt komplett auf dich an, ich meine, wenn ich dich schon frage, dann kann ich ja nicht einfach den Termin aussuchen", antwortete ich mit einem Grinsen und lächelte sie an. Irgendwie spürte ich nicht wirklich irgendeine Aufregung gerade, aber das brauchte es ja auch nicht wirklich... Die 'Schmetterlinge' im Bauch würden vielleicht noch kommen... Nein, sie würden bestimmt noch kommen, ich brauchte einfach nur Zeit.

"Wow, du bist so zuvorkommend", erwiderte Anika lächelnd und rutschte ein bisschen näher zu mir ran, sodass sich unsere Schultern berührten. Ihre Berührung war warm und außerdem roch Anika nach grünem Apfel - also ihre Haare. Ich mochte ihren Geruch, er versprach Sicherheit und Einfachheit. "Wäre das dann ein Date?", flüsterte sie mir zu und legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel.

Es war nett, ihre Hand war warm und sanft und ich mochte diese Art von Geborgenheit, die Anika vermittelte. (Irgendwie war es nicht das gleiche, wie in Kay's Armen, allerdings verbannte ich diesen Gedanken sofort aus meinem Kopf. Kay und ich würden nie irgendetwas werden, also musste ich aufhören, mir irgendetwas auszumalen, was nie passieren würde.)

Ich begann mit Anika's Haaren zu spielen, die im Gegensatz zu Kay's Haaren komplett gerade waren und außerdem auch nicht wirklich gestylt waren. Nicht, dass mich das irgendeiner Weise störte, es war nur eine reine Feststellung, nichts anderes. In Anika's Gegenwart fühlte ich mich nie verletzlich oder unsicher – im Gegenteil sie gab mir das Gefühl, dass mein eher androgyner Look genauso toll war und ich nichts verändern musste.

"Du bist so süß", murmelte Anika und ihre Wangen schienen etwas rot zu werden, was sie wahnsinnig hübsch machte. Trotzdem wirkte ihre Attraktivität auf mich anders, nicht so einnehmend, sondern eher subtil. Ich war nicht unsicher und aufgeregt bei ihr, es war wie mit jemanden zu reden, den man schon ewig kannte.

"Wir haben bald Pause, also in fünf Minuten... Wie auch immer es gibt eine etwas ruhigere Ecke auf dem Sportplatz."

Mit einem Lächeln nickte ich. "Das klingt wunderbar, es gibt nichts, was ich lieber machen würde." Auch wenn das mehr oder weniger eine Lüge war, schaffte ich es nach Anika's Gesichtsausdruck trotzdem sehr glaubhaft zu sein - ob das jetzt gut oder schlecht war, wusste ich selbst nicht so ganz...

"Dann haben wir doch bereits unser erstes Date", flüsterte Anika und drückte kurz einen Kuss auf meine Wange. Es war ein angenehmes Gefühl und irgendwie auch beruhigend, ich mochte Anika wirklich sehr - als platonische Freundin, allerdings konnte sich daraus doch bestimmt noch mehr entwickeln... Denn dabei war ich mir wirklich sicher.

Anika war ein wirklich toller Mensch und einfach alles, was ich von einem Mädchen haben wollte, also wo war das Problem... (Genau, es gab keins.)

"Es ist perfekt", murmelte ich und irgendwie tat es meinem Selbstbewusstsein sehr gut, dass sich jemand so sehr um mich bemühte. Oder zumindest generell irgendwie um mich bemühten. Das klang zwar ganz schön selbstsüchtig, aber ich hatte nie in meinem Leben irgendjemanden gehabt, der mich ins Kino eingeladen hatte oder so. Oder generell etwas romantisches für mich gemacht hat.

"Das letzte Mal, als ich jemanden genau dasselbe gefragt habe, hat die Person gesagt, ich soll mir nächstes Mal mehr Mühe geben", antwortete Anika daraufhin und schaute mich mit traurigen Augen an. Allein nur das, brach mir fast das Herz. Der Gedanke zählte alleinig und ehrlich gesagt, war es mir so fast lieber.

"Dann ist diese Person komplett dumm, wenn sie so einen wunderbaren Menschen wie dich gehen lässt", erwiderte ich daraufhin nur und lächelte Anika an. "Es geht um den Gedanken und es ist mit Abstand das romantischste, was je irgendjemand für mich getan hat."

Zwischenzeitlich fühlte ich mich immer mal wieder schlecht, weil meine wahren Gefühle eindeutig für Kay waren und nicht für Anika, allerdings sagte ich immer wieder selbst, dass es für das Beste war.

Anika' Hand war warm und sanft in meiner, ich mochte die Zustimmung und Stärke, die damit verbunden war. Holding her hand in public is like saying your proud to have her. Mit Anika an meiner Seite fühlte ich mich unverwundbar.

Es war mir egal, was andere von mir - oder von uns - dachten, besonders wegen Anika's zustimmender Berührung. Ich hatte ihr gleich von Anfang an erklärt, dass ich unsere Beziehung - etwas, was ich immer noch nicht ganz realisieren konnte - nicht geheim halten wollte. Glücklicherweise hatte mir Anika in diesem Punkt zugestimmt, sodass wir nun Händchen haltend zu mir nach Hause liefen.

Anika' Eltern schienen - zumindest von dem, was sie erzählt hatte - sehr viel entspannter zu sein. Seit ihrem fünften Lebensjahr hatte ihre Eltern sie und auch Timon zu dem Christopher Street Day mitgenommen und unterstützten die beiden, wo sie nur konnten.

Sie hatte ihren Eltern irgendwann einmal zwischen Tür und Angel gesagt, dass sie sich nicht auf irgendein Label festlegen wollte, woraufhin beide nur genickt haben und hinzugefügt hatten, dass sie Anika immer in allem unterstützten würden. Bei Timon lief es fast genauso, als er sich als bisexuell outete.

(Etwas, was ich natürlich sofort Philip erzählen würde, mein OTP musste ja schließlich noch real werden.)

"Ich dachte nicht, dass ich jemals so einen tollen Menschen, wie dich finde", flüsterte Anika mir zu und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Anika's Lippen waren weich und schmeckten irgendwie nach Erdbeere. Es waren zwar nicht unbedingt die besten Küsse, allerdings genoss ich die Nähe zu ihr trotzdem.

Ich dachte immer, wenn man jemanden küsste, würde man mehr wollen, mehr von dieser Person und mehr Nähe, aber wahrscheinlich war das einfach nur eine Romantisierung von Hollywood und diese tiefen Gefühle gab es eigentlich gar nicht.

"Sagst du", erwiderte ich und meinte es komplett ernst. Anika war eindeutig einer der besten Menschen, die ich jemals getroffen hatte und wohl auch jemals treffen würde. Sie war aufgeschlossen, offen, hilfsbereit und dazu auch wahnsinnig verständnisvoll. Ich hätte es vermutlich wirklich nicht besser treffen können.

"Du Schmeichlerin", murmelte Anika nur und zog mich mehr zu ihr her.

Komischerweise machte es mir rein gar nichts aus, dass sie größer war als ich. Im Gegenteil, es war angenehm. Ich fühlte mich beschützt und ich mochte dieses Gefühl, es war das Gleiche, was mir Kay vermittelte, wenn ihr Arm um meine Hüfte geschlungen.

Etwas, was nie wieder passieren wird und das weißt du auch, Lara, also hör auf es die ganze Zeit wieder aufzuwärmen, das ist weder Kay gegenüber fair noch Anika. Konzentriere dich lieber auf deine erste richtige Beziehung.

Mit einem Lächeln wandte ich mich wieder erneut Anika zu und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihr einen Kuss auf die Wange zu geben. Anschließend zog ich sie weiter, die Straße runter, bis wir bei dem neuen Haus angekommen waren.

Ich wusste, dass meine Mutter bereits zu Hause war, weswegen ich ihr auch gleich die neue Nachricht überbringen könnte. Bei ihr war meine Einschätzung ziemlich fifty-fifty um ehrlich zu sein, während ich mir bei Marc ziemlich sicher war, dass sie positiv sein würde.

Anika drückte meine Hand fest und lächelte mich sanft an. "Alles wird gut, glaub mir, sie ist deine Mutter."

Ich nickte nur und ließ kurz ihre Hand los, um die Tür aufzusperren. "Mama?", rief ich in das Haus und wartete schweigend auf eine Antwort.

Ich glaube, ich hatte noch nie in meinem Leben so viel Angst...

"Hey, Lara, wir müssen das nicht tun, wir können noch warten, bis es dir besser passt, ich warte auf dich gerne", meinte Anika zu mir und legte einen Arm, um meine Hüfte.

Ich lächelte sie nur an und verschränkte meine Hände in ihrem Nacken, um sie sanft zu küssen. Es war immer noch nicht wirklich genial, aber es war nett und auch angenehm, außerdem auf eine Art und Weise beruhigend.

Sie küsste mich sanft und unschuldig zurück. Ihre Lippen schmeckten immer noch nach Erdbeere, was glaub ich so das Beste an dem Kuss war...

"Lara?", hörte ich eine Stimme hinter mir und löste mich von Anika. Meine Mutter stand vor uns und schaute mich vorwurfsvoll an.

Fuck... so viel zu dem Versuch meine Mutter langsam darauf vorzubereiten... also Schritt eins ist schonmal leicht fehlgeschlagen...

"Also das ist Anika, meine... Ähm... meine Freundin", erwiderte ich und verschränkte meine Hand instinktiv mit Anika's.

"Freut mich Sie kennenzulernen", fügte Anika hinzu und versuchte wohl auch noch irgendwie einen guten ersten Eindruck zu machen.

"Wir reden erstmal", meinte meine Mutter nur ziemlich deutlich und starrte uns beide leicht wütend an.

"Wir sind so sehr am Arsch", murmelte ich leise und wir folgten ihr in die Küche, wo sich mit verschränkten Armen vor uns stellte.

"Ist das jetzt eine Art von Rebellion?", fragte sie mich kalt und ich starrte sie einfach nur ungläubig an. Ich hätte niemals gedacht, dass ihre Reaktion so kühl sein würde. Allerdings waren mir fast die gleichen Gefühle entgegengeschlagen, als ihr mir das erste Mal die Haare abgeschnitten hatte.

"Als ob", antwortete ich ziemlich genervt. "Anika's und meine Beziehung hat weder etwas mit dir noch etwas mit Marc, noch etwas mit sonst irgendjemanden zu tun, außer mit Anika und mir."

"Ich glaube, was Lara gerade sagen will, ist, dass unsere Beziehung nichts mit Ihnen zu tun hat, sondern nur etwas mit uns", fügte Anika etwas diplomatischer hinzu. Anika war bei weitem nicht so impulsiv wie ich und deswegen sollte ich wohl lieber ihr das Reden überlassen... Noch eine Qualität die ich bei Anika sehr schätzte.

Abgesehen von der etwas kalten Reaktion meiner Mutter, war die Reaktion von Marc wesentlich angenehmer. Als er kurz in die Küche kam, um sich einen Tee zu kochen, sah er mich und Anika am Herd lehnen.

"Hallo, ich bin Marc", stellte er sich mit einem Lächeln vor und schüttelte Anika kurz die Hand. "Willkommen bei uns zu Hause."

"Anika, ich bin Lara's Freundin", erwiderte sie und lächelte ebenfalls. "Freut mich."

"Wir sind bei Du übrigens und ich muss jetzt auch mal wieder gehen, du kannst bleiben solange es deine Eltern erlauben", meinte er daraufhin und drückte meiner Mutter noch einen Kuss auf die Lippen, bevor er wieder nach oben verschwand.

Während sich meine Mutter noch größtenteils damit beschäftigte uns noch wütend anzustarren, hörte ich, wie jemand die Tür aufschloss - bestimmt Kay, also ziemlich sicher.

"Hallo", hörte ich sie rufen und mein Herz begann wie wild zu schlagen. Mir wurde fast schlagartig übel, denn erst jetzt wurde mir die Tragweite meiner Entscheidung bewusst. Auf der anderen Seite war ich fast erleichtert – endlich könnte ich mit Kay abschließen und eine gute Beziehung führen, die nicht von vorneherein zum Scheitern verurteilt war.

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