Kapitel 21

"Don't allow society to turn you into a person you're not."

Lara;

Montag war nie ein schöner Anfang für die Woche für mich. Besonders nicht da ich erstens bis fünf Uhr nachmittags Unterricht hatte und zweitens schrieben wir Geo, was mein Tod sein würde. Zusätzlich war das Ganze noch ein Montag, was das alles noch schlimmer machte.

Ich würde mit dieser Klausur mein Todesurteil unterschreiben. Beziehungsweise das Urteil, dass ich keinerlei Chance auf das Medizinstudium in Deutschland hatte. Nicht, dass ich mir meine Chancen davor besonders hoch ausgerechnet hatte, doch hatte ich da noch Hoffnung gehabt. Bevor ich in Oberstufe gekommen war, hatte ich mir relativ genau ausgerechnet, welche Noten ich wo haben müsste. Deswegen sollten in Geo im ersten Halbjahr schon so 12 Punkte drin sein – so als Puffer.

Außerdem hatte ich immer noch nicht ganz das alles zwischen Philip und Timon verstanden - die waren doch nie im Leben "nur" Freunde, also so blind konnte ja wohl niemand sein. Doch wirklich was mitbekommen hatte ich nicht, außer dass sie bereits einmal frühstücken waren und sehr viel miteinander über den Tag verteilt schrieben.

Ich stand also etwas verloren in der Aula und schaute mich ein bisschen um, ob irgendjemand da war, den ich kannte. Leider war dem nicht der Fall und damit ich nicht komplett dumm aussah, tat ich so als würde ich mir ganz genau den Vertretungsplan anschauen. Ich wusste natürlich mittlerweile, dass wir keine Vertretung hatten, die mich betraf, aber was tat man nicht alles dafür, dass man nicht komplett bescheuert und forever alone aussah. Es sollte niemand wissen, wie wenig Freunde ich wirklich hatte.

"Lara!", begrüßte mich eine Stimme von hinten, die mir auch leicht bekannt vorkam.

Ich drehte mich um, um Anika, die vielleicht fünf Zentimeter von mir entfernt stand, zu erkennen. Sie konnte wirklich froh, dass ich nicht Kay war, die hätte bestimmt schon wieder einen halben Herzinfarkt gehabt.

"Anika!", meinte ich mit einem gekünstelten Lächeln und brachte erst einmal einem Sicherheitsabstand zwischen mir und ihr ein. Das war jetzt schon deutlich besser... Normalerweise hatte ich nicht wirklich ein Problem mit Nähe, aber bei Menschen, die ich noch nicht solange kannte, wollte ich lieber noch auf Abstand gehen. Anika war bis jetzt eher nur eine Bekannte als eine Freundin von mir.

Ich atmete einmal tief ein uns aus, um mich dadurch irgendwie zu beruhigen. "So... wie war dein Wochenende?", versuchte ich mein Bestes an Smalltalk.

"Schrecklich", antwortete sie mit einem Lächeln und klang leicht genervt, inwieweit sie das ernst meinte, konnte ich nicht wirklich zuordnen. "Ich musste Timon noch nie, so lange beruhigen und ihm einreden, dass alles gut werden würde. Jungs sind anstrengend, wenn sie auf Dates gehen..."

Ich sah Anika neugierig an. "Sag mal... wieso gehst du eigentlich so... offen mit dem Thema um?", fragte ich sie leise – hoffentlich hörte uns niemand zu.

Sie schaute mich etwas verwirrt an, dann schien sie meine Frage zu verstehen. "Wir sind ja umgezogen und an meiner alten Schule habe mich immer so verstellt und das wollte ich einfach nicht mehr. Ich meine, ich bin so wie ich bin und das ist auch gut so. Ich muss mich nicht verstecken."

"Das ist irgendwie bewundernswert, weißt du?", erwiderte ich immer noch leise, sodass auch ja niemand unser Gespräch mithören konnte. Am liebsten würde ich auch laut darüber reden können.

"Es ist ein langer Weg, aber Lara, du hilfst dir selbst nicht, wenn du dich versteckst, dem einzigen, dem das schadet, bist du. Ich bin nicht so selbstbewusst, wie du denkst, aber solange du täglich versuchst, selbstbewusster zu werden, kommst du dorthin", erklärte Anika mit einem Lächeln.

Ich nickte. "Ja vielleicht... ich meine, vielleicht sollte ich Leute über mich einfach denken lassen, was sie wollen..."

"Das ist die richtige Einstellung", meinte Anika grinsend. "Genauso musst du denken, denn dann geht es dir schonmal viel besser. Es geht einfach Schritt für Schritt ohne Stress."

Ich lächelte sie dankbar an. "Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde, manchmal. Wie würde ich denn sonst die Oberstufe überleben?"

"Wow, Lara, das ist ja schon fast ein Heiratsantrag", erwiderte Anika grinsend. "Ich fühle mich geehrt."

"Würdest du denn ja sagen?", fragte ich lachend und sah sie mit großen Augen an – auch wenn es für mich eher ein freundschaftliche Heiratsantrag war.

Bevor sie irgendetwas antworteten konnte, gesellte sich Philip zu uns. "Wer sagt ja zu was?", fragte er uns beide verwirrt.

"Ich zu Lara's Heiratsantrag", antwortete Anika lachend. "Willst du Trauzeuge sein? Oder lieber Blumenmädchen?"

"Oh ja, bitte sei Blumenmädchen!", rief ich. "Dann kriegst du eine Blumenkrone und so einen tollen Blumenstrauß. Das würde dir voll stehen!"

"Ich hasse dich", erwiderte Philip nur mit einem Lachen. "Lara, pass auf, ich kauf dir ein Baströckchen und so ein Kokosnuss-BH für deinen nächsten Geburtstag!"

"Wo ist eigentlich mein Bruder?", fragte Anika verwirrt. "Ich meine einfach nur, wo zur Hölle?"

"Der hat doch in die Stufengruppe geschrieben, dass er den Bus verpasst hat", antwortete Philip lachend. "Ich soll ihn in Englisch entschuldigen." Irgendwie sagte das schon viel aus, dass mittlerweile Phillip mehr Ahnung hatte, wo Timon war, als Anika, die mit ihm zusammenwohnte.

"Wir haben heute erste Stunde Englisch?", fragte ich verwirrt – ohne jemanden in meinem Kurs würde ich mich vermutlich immer wieder verlaufen. "Ich dachte, das war zweite Stunde?"

"Wir haben erste und zweite Englisch. Wir haben eine Doppelstunde", erwiderte Philip mit einem Lachen. "Lara, du bist manchmal wirklich ein Talent."

"Danke", meinte ich nur und grinste.

Als es gongte, machten wir uns zur Abwechslung gleich auf den Weg nach oben in unser Klassenzimmer. Aus irgendeinem Grund wollte ich heute nämlich pünktlich sein und außerdem sollte ich mich gut mit meiner Englischlehrerin stellen.

"Ich bin so müde", beschwerte sich Philip, als wir auf den Kollegstufenbau zusteuerten. "Ich hab eigentlich voll viel geschlafen, sogar fast acht Stunden, was will man denn bitte mehr... Aber mein Körper will glaub ich 10 Stunden schlafen oder nur sechs Stunden, aber nichts dazwischen."

Anika' Englischkurs hatte im ersten Stock, während wir heute im Erdgeschoss waren, weswegen sie sich von uns verabschiedete: "Wir sehen uns in der Pause."

"Bis später!", meinte ich lächelnd und wandte mich dann wieder Philip zu, der ihr nur zuwinkte. "Also jetzt erzähl, du und Timon, was läuft dazwischen euch?"

"Ich hab doch selber keine Ahnung!", antwortete er darauf nur verzweifelt. "Ich hab doch wirklich keine Idee mehr, ich verstehe des ja auch nicht mehr."

"Also ganz ehrlich, ich kann es dir ja nochmal zusammenfassen: Ihr wart beim Frühstücken, er hat darauf bestanden zu zahlen, danach seid ihr im Park herumgelaufen, das ist ein ziemlich eindeutiges erstes Date!", erklärte ich erneut. "Deswegen musst du ihn jetzt auch zu irgendwas einladen!!"

"Okay und zu was? Und wie? Du musst mir helfen, Lar!", rief Philip ein bisschen zu laut.

Unsere Lehrerin, die nämlich gerade unsere Klassenzimmer aufsperrte, lachte amüsiert auf – allerdings war mir alles Recht, wenn sie nur mochte.

"Ihr mögt doch beide klassische Musik, du solltest ihn einfach zu einem Konzert einladen oder in die Oper, wir gehen doch manchmal von der Schule aus in so Generalproben", schlug ich etwas leiser vor, als wir ins Klassenzimmer gingen und uns auf unsere Plätze setzten.

"Aber dann... wäre das dann nicht ein Date?", fragte Philip verwirrt und schaute mich verzweifelt an. "Also so ein ziemlich eindeutiges Date?"

Ich starrte ihn irritiert an. "Und das am Wochenende war kein eindeutiges Date?!"

"Aber nicht so eindeutig...", meinte Philip gequält. "Ich meine, ich will mich doch niemanden an den Hals werfen... oder vielleicht bin ich dann auch einfach nur nervig."

"Alter, weißt du was? Ich krieg dich irgendwie auf dieses Date und es ist mir egal wie, denn diesen Zustand gerade hältst weder du noch ich noch länger aus", erwiderte ich genervt und atmete tief ein und aus. Ich hatte grad sehr große Lust Phillip mit einem Kissen zu bewerfen – hätte er definitiv verdient.

"Ich würde euch ja gerne einen Tipp zu eurer jetzigen Situation geben, allerdings geht der Unterricht jetzt erstens los und zweitens verstehe ich das nicht", klinkte sich unsere Lehrerin einfach in unser Gespräch ein.

Das war vermutlich der Schock meines Lebens und außerdem yay dafür, dass wir nicht gesiezt wurden...

Englisch war eindeutig nicht mein bestes Fach, etwas, was mir eindeutig nicht dabei half, dass ich Englisch lieber mochte, war die Tatsache, dass Timon und Philip einfach ununterbrochen redeten.

Die beiden konnten es sich bei ihren Noten im Gegensatz zu mir allerdings leisten während dem Unterricht zu reden. Obwohl ich auch meine 10 Punkte komischerweise hatte, was ja irgendwie echt cool war.

Englisch war wirklich so mein absolut produktivstes Fach, abgesehen wahrscheinlich von Fotografie, was ich hauptsächlich damit verbrachte meine neu entdeckte Leidenschaft für's Fotografieren auszuleben. Deswegen war ich auch besonders stolz auf meine 15 Punkte, die ich dort hatte,

Wie auch immer, ich lernte in Englisch extrem fleißig mit, machte meine Hausaufgaben und beteiligte mich generell am Unterricht, weswegen ich auch 12 Punkte in der Mitarbeit hatte.

"Weißt du, waaaas?", fragte Timon Philip gerade mit einer leicht kindlichen Stimme und einem breiten Grinsen. Immerhin saß ich nicht mehr zwischen ihnen.

"Nein, aber sagst du's mir?", erwiderte Philip mit einem Lächeln und klang mindestens genauso kindlich wie Timon – wenn das kein Flirten war, wusste ich auch nicht weiter.

"Du weißt doch, dass bald wieder ne Oper in München läuft...?", antwortete Timon mit einem Kichern. "Wir sollten dahingehen."

"Zusammen?", fragte Philip und schien extrem glücklich, aber gleichzeitig schockiert zu sein, als könnte er sein Glück einfach nicht fassen.

"Nein, wir gehen getrennt hin und ignorieren uns die ganze Zeit", meinte Timon nur sarkastisch und lachte liebevoll.

Ich hatte bis jetzt keine Ahnung, dass man liebevoll lachen konnte, aber es war eindeutig der einzige Weg Timon's Lachen gerade zu beschreiben.

"Gut, weil ich überhaupt nicht mit dir in eine Oper gehen will, besonders nicht, dass wir unser Krawattenfarben abstimmen", sagte Philip vorsichtig und lächelte leicht.

"Auf gar keinen Fall und ich werde die Karte auch nicht für dich bezahlen", erwiderte Timon mit einem Lächeln.

Das war eindeutig langsam zu viel Romantik und Flirting für mich...

"Das wirst du auch nicht, ich zahle damit das klar ist", erklärte Philip vehement. "Und du solltest das am besten einfach akzeptieren."

"Dann zahle ich aber das Essen, was wir vorher hoffentlich essen werden", meinte Timon daraufhin und ich glaube das war der Punkt, wo mir bewusst wurde, dass die beiden sowas von ein Paar werden würden.

"Ich glaube damit könnte ich leben", erwiderte Philip daraufhin.

"Nice that you planned your whole date right now, but can you know please start working on the assignment now", ermahnte unsere Lehrerin die beiden. Auch wenn es definitiv gerechtfertigt war, bekam ich schon leichte Panik.

Selbstverständlich brachte uns ihr Kommentar die Aufmerksamkeit von praktisch des ganzen Kurses ein, weswegen Philip mir einen panischen Blick zuwarf. Wir hatten ziemlich eindeutig entschieden, dass wir uns nicht outen würden, wegen der Gefahr, die daraus entstehen würde...

"Well dates have to be planned, haven't they?", antwortete ich schnell und lächelte unsere Lehrerin an. Egal, was die Leute aus unserem Kurs jetzt über mich dachten, die Hauptsache war, dass Philip's und mein Geheimnis sicher war – zu denen jetzt auch Timon's gehörte.

Nicht nur Philip sah mich dankbar an und auch Timon lächelte mich an. Ich war mir nicht sicher, wie Timon zu der ganzen Sache stand, ob er eher so wie Anika war, allerdings ging es ja in ersten Linie um meinen besten Freund und dass er sich wohl fühlte.

"Lara's right, dates should be planned out good", sagte Timon mit einem Grinsen und sah Philip an.

Sorry, dass das alles so lange gedauert hat, aber ich war einfach so beschäftigt mit Schule und allem ;)
Außerdem nochmal ein riesiges Dankeschön an alle! 20K Reads einfach der Wahnsinn :D
Dann hoffentlich bis nächste Woche :)

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