Kapitel 13
"Und manchmal ist Liebe so schüchtern, dass sie als Freundschaft verkleidet kommt."
Lara;
Ich einigte mich schließlich mit Kay darauf, dass wir am Freitag einfach ins Kino gehen würden und die anderen hatten dann schon Zeit und wenn nicht, dann halt nicht... Meine geheime Hoffnung war, dass die anderen einfach noch absagen würde und wir dann doch allein waren.
Kay und ich hatten erstaunlicherweise einen sehr ähnlichen Filmgeschmack, wofür ich dankbar war, da ich dadurch endlich mal jemanden hatte, der mit mir Horrorfilme schaute.
Philip hatte bei Horrorfilmen immer Angst, was er aber niemals zugeben würde... Ich hatte es trotzdem gemerkt. Auf alle Fälle verlangte er immer, dass wir danach übernachteten, weil er Angst hatte allein zu schlafen.
"Wieso wollt ihr in einen Horrorfilm? Können wir uns nicht lieber irgendetwas mit Fantasy anschauen?", fragte mich Philip leise während Englisch. "Oder einen Liebesfilm? Von mir aus auch ein Drama, Hauptsache keinen Horrorfilm."
"Weil es immer noch um Kay und mich geht und nicht um dich", antwortete ich mit einem Lächeln. "Also schauen wir einen Film an, den wir auch beide gerne sehen wollen und nicht einen, wo wir uns nur langweilen."
Ich hoffte wirklich, dass Philip nicht mehr so viel mit mir reden würde, da ich sonst in Englisch höchstwahrscheinlich in der Klausur unterpunkten würde und das wollte ich definitiv nicht. Außerdem mochte mich die Lehrerin sowieso schon nicht. Dieses ganzes Theater mit Marc und Kay und dann noch das ständige Ablenken half mir gar nicht, irgendwie musste ich ein Abi von 1,3 schreiben, auch wenn das utopisch war.
"Was hast du denn gegen Horrorfilme?", hörte ich Timon leise fragen, der sich natürlich immer in jedes Gespräch einmischen musste - ein weiterer Grund, warum meine Produktivität in Englisch sehr gering war.
"Ich mag sie nur nicht", antwortete Phillip ausweichend - wenn ich es richtig sah, dann wurde Philip sogar etwas rot. Vermutlich, weil er nicht zugeben wollte, dass er immer sehr viel Angst hatte.
"Kann ich verstehen", stimmte Timon zu und lächelte Phillip aufmunternd an. "Ich mag sie auch nicht wirklich... Vielleicht sollten wir stattdessen einfach in einen anderen Film gehen. Fantasy fände ich echt ganz gut?"
"Gerne!", stimmte Philip begeistert zu. Wie viel konnten die beide eigentlich noch gemeinsam haben... Langsam verzweifelte ich wirklich mit den beiden... Außerdem fühlte ich mich immer öfters echt ausgeschlossen.
"Also deine Stiefschwester und du braucht zwei Karten weniger, wir beide gehen in einen anderen Film", teilte Timon mir über Phillip's Kopf hinweg mit - übrigens ein schöner Gebrauch des "kollektiven wir", war ja bei Paaren sehr üblich... oder bei Paaren to be.
Ich nickte nur und versuchte mich nun aber wirklich auf den Unterricht zu konzentrieren. Schließlich war meine Englischnote im Moment nicht gut genug.
"Wir könnten uns zwar auch einfach uns einen schönen Abend auf der Couch machen, aber irgendwie...", sagte Timon und beendete den Satz aber nicht.
"Irgendwie ist es schöner auszugehen", beendete Phillip den Satz und ich warf ihn einen prüfenden Blick zu, ob nur ich diesen Satz etwas komisch interpretiert hatte... Seinen roten Wangen zu urteilen nach nicht...
"Ja, genau!", stimmte Timon ohne längere Pause allerdings zu und lächelte Philip an - ob Timon nun den Satz so interpretiert hatte wie wir oder nicht, blieb fraglich. Trotzdem war das Beenden von den Sätzen des anderen schon ein eindeutiges Zeichen von Zuneigung.
"Zuhause wäre es einfach nicht das gleiche", fügte Phillip hinzu. Ich stöhnte genervt auf, als die beiden einfach eiskalt weiterredeten, wie sollte ich bitte dem Unterricht folgen...
"Jap, das ist wahr", stimmte Timon zu.
"Guys, stop talking for a second, even if I really don't want to interrupt your flirting", meinte unsere Lehrerin mit einem leicht genervten Unterton. "Or I just have to separate you two." Auch wenn ich Phillip natürlich nur Gutes wollte, war ich langsam definitiv der Meinung, dass die beiden getrennt produktiver waren (und ich ohne die beiden neben mir auch)
"No! We'll just stop talking!!", antwortete Philip sofort - in seinem natürlich fast perfekten englischen Akzent, weswegen er garantiert seine 14 Punkte im Unterrichtsbeitrag sicher hatte.
"Good, otherwise you two are separated, got it?", hakte sie nach.
"Got it", erwiderte Timon mit einem eigentlich echt guten Englisch. Ich hatte ihn nie wirklich Englisch reden hören und sonst beschwerte er sich nur immer über seinen furchtbaren Akzent und das der doch so deutsch klang...
"Lara, if they're repeating to talk that loud, just hit them", sagte meine Lehrerin zu mir mit einem Lächeln.
Das war erstens, das erste Mal, dass sie wirklich nett zu mir war und zweitens gefiel mir die Idee wirklich gut. Vielleicht hatte ich noch eine Chance auf eine gute Note in Englisch.
"I will", antwortete ich mit einem Lächeln.
"I warn you, I'm going to break up with you, Lara", erklärte Philip ernsthaft.
"Okay, guys, don't have like a friendship fall out", schaltete sich Timon ein und klang wirklich besorgt um unsere Freundschaft.
"Stop these kinda domestic arguments right now", meinte unsere Lehrerin entschlossen und starrte insbesondere Philip und Timon an – hoffentlich hatte sie verstanden, dass ich wirklich gerne ihrem Unterricht folgen würde.
Ich lachte nur und versuchte mich jetzt darauf zu konzentrieren, was auf der Tafel stand - und ich praktisch nicht lesen konnte. Nein, ich würde jetzt nicht für so etwas, was an der Tafel stand, meine Brille herausholen... Ich wollte das jetzt wirklich nicht machen.
"Hol einfach deine Brille heraus", meinte Philip neben mir leise und fügte dann als Vorschlag hinzu. "Oder ich kann es dir auch vorlesen."
Ich rollte meine Augen und holte meine Brille aus meiner Schultasche. Als ich sie aufsetzte, ergab das, was an der Tafel stand plötzlich extrem viel mehr Sinn – vermutlich, weil es jetzt nicht nur verschwommene Buchstaben waren. So sinnvoll diese Brille auch war, mochte ich es trotzdem nicht, sie aufzusetzen, sie stand mir einfach nicht besonders gut.
"Hast du auch eine Brille?", fragte Timon interessiert und holte seine Brille hervor. "Ich bin aber weitsichtig, deswegen trage ich sie meistens nur bei Klausuren."
"Kurzsichtig", erwiderte ich mit einem Lächeln. "Deswegen sitze ich ja normalerweise auch in der ersten Reihe."
"Und deswegen sitzt du auch mit mir in der letzten Reihe in Physik", erklärte Timon mit einem Lachen. "Und du hast dich mehr oder weniger freiwillig mit mir dahin gesetzt. Wir hätten uns auch einfach weiter nach vorne setzten können."
Bevor ich irgendwas antworten konnte, wurde ich von unserer Lehrerin unterbrochen. "Okay, guys enough. You're getting separated", meinte sie. "Philip, you go next to Alexander and Lara, you sit next to Jenny for the rest of the lesson."
Ich rollte meine Augen, nahm allerdings alle meine Sachen und ging nach vorne neben Jenny. Yay, dadurch hatte ich doch tatsächlich einen Namen gelernt. (Und ich saß nun weiter vorne, weswegen ich meine Brille nicht mehr so unbedingt brauchte.)
"And now stay quiet!", erklärte sie nochmal mal mit Nachdruck.
Ich nickte nur und fing nun wirklich richtig vorbildlich an das Tafelbild abzuschreiben - schließlich hatte ich mir dieses Jahr vorgenommen alle Hefteinträge mitzuschreiben. Meine Brille lag mittlerweile auf dem Tisch vor mir und da sollte sie wenn es nach mir ging bleiben, hauptsache ich musste sie nicht tragen.
"Seit wann hast du eigentlich eine Brille? Aber sie steht dir", komplementierte mich Jenny lächelnd. "Ich meine, wir hatten immer Ethik gemeinsam und ich hab' dich noch nie mit Brille gesehen."
"Danke, eigentlich schon seit der fünften oder so, aber ich trag sie einfach fast nie", erwiderte ich mit einem Lächeln – vielleicht hatte vieles doch eine positive Seite.
•
Letztendlich wurden wir (Jenny und ich) zu Tafeldienst verdonnert, weil wir zu viel 'redeten', was eigentlich gar nicht wahr war. Ich hatte nur gerade realisiert, dass Jenny und ich wesentlich mehr miteinander gemeinsam hatten, als ich jemals für möglich gehalten hatte.
Jenny hatte lange blonde Haare und schminkte sich zwar nicht gerade viel, aber auch nicht gerade wenig... Deswegen dachte ich eigentlich nicht, dass sie viel mit mir zu tun haben wollte, aber irgendwie waren wir auf einer Wellenlänge.
"Wie auch immer, ich sollte dann mal los, wenn du nochmal Englisch verquatschten willst, sag Bescheid", meinte Jenny lächelnd und ging mit ihrer Tasche die Treppe runter.
Ich ging hinter ihr her, wenn auch etwas langsamer und stellte dann meine Schultasche zu der Tür zu den Physiksälen ab.
Anschließend suchte ich nach Philip, den ich auch ziemlich schnell gefunden hatte. Außerdem redete er mal nicht mit Timon, was in der Pause schon echt eine Seltenheit war.
"Wo ist Timon?", fragte ich ihn verwirrt, die beiden klebten seit dem ersten Schultag schon sehr zusammen. "Ist ja mal was anderes, dass ihr beide nicht miteinander redet."
"Redet mit seiner Schwester wegen irgendwas", antwortete Philip mit einem Lächeln. "Und es stimmt gar nicht, dass wir immer so viel miteinander reden."
"Die beiden sehen sich einfach gar nicht ähnlich", meinte ich verwundert. "Ich meine einfach gar nicht."
"Sie sind beide adoptiert", erklärte er mir, als wäre es das normalste der Welt.
"Woher weißt du das jetzt schon wieder?!", fragte ich verwirrt – ich bekam wirklich gar nichts mit.
"Hat er mir erzählt", sagte Philip achselzuckend. "Ist ja nicht wirklich was, was man jetzt gleich jedem erzählt."
"Auch wieder wahr", erwiderte ich mit einem Lächeln. "Und bist du schon irgendwie weitergekommen? Oder geht ihr jetzt bald auf ein Date?"
"Keine Ahnung", sagte Philip nur und zuckte mit den Schultern. "Ich weiß ganz ehrlich gar nicht mehr, was ich tun soll." Er schaute sich kurz nach Timon um, der etwas entfernt von uns mit Anika redete.
"Wie meinst du das jetzt?", fragte ich verwirrt. Für mich schien das alles denkbar einfach zu sein, die beiden passten perfekt zusammen.
"Ich glaube, ich mochte ihn nur, weil er eben unerreichbar war und jetzt hat er irgendwie seinen Reiz und Charme verloren", erklärte er achselzuckend. "Ich glaub eine Freundschaft wäre einfach besser zwischen uns."
Ich starrte meinen besten Freund einfach nur geschockt an. War das jetzt gerade sein Ernst?
"Du hast es ja vielleicht nicht mitgekriegt, aber du hast über ihn ziemlich viel geschwärmt", meinte ich nur und schaute ihn prüfend an.
"Und? Es war nur eine Schwärmerei, außerdem wird doch sowieso nichts draus", erklärte Philip nüchtern. "Besser ist es, das jetzt zu realisieren, als zu spät. Jetzt habe ich noch eine Chance, dass eine wahre Freundschaft daraus entsteht."
"Woah...", sagte ich nur immer noch geschockt. "Du solltest wirklich ein bisschen positiver denken. Nur weil du vielleicht noch nicht weißt, was das genau mit Timon wird, solltest du nicht gleich aufgeben."
"Was denn?", fragte Phillip nur patzig. Das Thema sollte ich wohl besser für jetzt im Moment einfach lassen... Mental machte ich mir eine Notiz ihn später nochmal dazu zu befragen und mit ihm darüber zu reden.
"Also Anika würde auch am Freitag mit!", teilte uns Timon mit und stellte sich zu uns - während er redete schaute er nur Phillip an... Mittlerweile war ich mir zu fast hundert Prozent sicher, dass Timon auch auf Philip stand.
Anika stellte sich neben mich und grinste mich an. "Das wird bestimmt lustig, ich liebe Horrorfilme." Jetzt hatte ich also nicht nur Kay, sondern auch Anika.
Ich nickte nur. "Jap, hoffentlich. Ich hab' nur langsam den Überblick verloren, wer jetzt alles in welchen Film mitgeht... also Hauptsache irgendjemand anderes bestellt die Karten." In diesem Moment wollte ich nicht zugeben, wie sehr es mich freute, dass Anika mitkommen würde; so sehr, dass es mir gar nicht in Sinn kam, dass ich das ja Kay irgendwie verklickern musste.
Außerdem... hoffentlich kriegte sich auch Philip wieder ein.
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