Kapitel 10

Jap ich update auch mal wieder xD

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"Freunde sind die, die da sind, wenn andere gehen."

Kay;

Am Montag hatten wir glücklicherweise erste Stunde frei, weil unsere Lehrerin anscheinend krank war – nicht, dass ich mich wirklich beschwerte... Ausschlafen war immer schön, besonders an einem Montag. Ausgeruht betrat ich die Aula unserer Schule und suchte erstmal nach Vicky's lockigen dunklen Haaren, die ich auch schnell fand. Aber definitiv nicht da, wo ich sie vermutet hatte.

Normalerweise fand man sie eher in der Bibliothek mit einem ihrer Bücher. Auch wenn sie generell eher extrovertiert war, irgendwie brauchte Vicky immer Zeit für sich. Auch wenn wir gut befreundet waren, sie schaute immer drauf, dass wir auch mal nichts zusammen machten.

"Was ist euer verdammtes Problem?!", fragte sie einige aus unserer Parallelklasse wütend und zwar so laut, dass man sie durch die ganze Pausenhalle gut hören konnte - ein Wunder, dass noch kein Lehrer sie ermahnt hatte, leise zu sein.

Neugierig, aber vor allem besorgt kam ich näher und sah schließlich, dass Vicky und Marcus nebeneinanderstanden. Gegenüber waren ein paar Idioten aus - wie gesagt - unserer Parallelklasse. Alleine nur, wenn Vicky laut wurde, war ich schon auf 180, weil sie nicht leicht anfing zu schreien.

"Mein Problem ist einfach nur, dass er sich mit mir umzieht", erwiderte der eine abwertend. Marcus sagte gar nichts dazu, während Vicky sie wütend anstarrte, wenn Blicke töten könnte, wären die aus unserer Parallelklasse definitiv schon tot.

"Komm schon... Du starrst doch auch, Vicky", meinte ein anderer und irgendwie riss mir da wirklich der Geduldsfaden – eigentlich wollte ich nach der Sache mit Marcus nicht schon wieder so viel Aufmerksamkeit auf mich ziehen und besonders nicht wieder etwas tun, was ich am Ende bereuen würde.

"Das ist nicht euer Problem. Es geht doch nur um's Umziehen und nur weil du jetzt darauf achtest... Es war davor genauso!", antwortete ich und schob Vicky beschützend hinter mich. "Also sei einfach leise. Davon abgesehen will bei dir sowieso niemand hinschauen."

"Wieso sagst du nicht auch einfach, dass du lesbisch bist?", fragte er mich provokant, als versuchte er mich damit aus der Reserve zu locken. "Sonst könntest du ja auch sehen, dass ich sehr wohl sehr attraktiv bin."

"Weil ich es nicht bin?! Es gibt mehr Sexualitäten als homo und hetero", erwiderte ich dezent - okay eher sehr – genervt, während ich definitiv versuchte meinen rechtfertigenden Tonfall zu unterdrücken.

"Kay, lass es", meinte Vicky beruhigend und hielt mich zurück. Sie versuchte mich offensichtlich zu beruhigen, aber irgendwie funktionierte das bei mir nicht wirklich so.

"Wieso?", fauchte ich gereizt. "Darf ich nicht meine eigene Meinung sagen, oder was? Wir müssen sie mal in ihre Schranken weisen."

"Komm runter", flüsterte sie mir zu und ihre Arme schlangen sich von hinten um meinen Körper. Sie war nicht wirklich größer als ich... Vielleicht einen Zentimeter, hatte aber eindeutig mehr Kraft.

"Hör auf deine Freundin", stichelte einer und lächelte mich an.

Ich atmete tief ein und aus und entspannte mich, wodurch mich Vicky losließ und sich erstmal ihre Haare richtete. Prioritäten setzten und so.

"Komm gehen wir, Vicky. Ich muss meine Zeit nicht an Idioten verschwenden," meinte ich augenrollend und drehte mich auf dem Absatz um, auch wenn ich definitiv noch tausend Sachen hatte, die ich den ganzen Idioten an Kopf werfen könnte.

Vicky starrte die anderen noch einmal wütend an und ging dann mit mir mit. "Ich hasse sie wirklich... ignorante Arschlöcher."

"Ganz ehrlich, die sind so dumm, was wollen die überhaupt", stimmte ich ihr genervt zu. "Aber wirklich danke, dass du mich da beruhigt hast."

"Jap", stimmte mir Vicky augenrollend zu und wechselte dann das Thema. "Egal, gibst du mir jetzt die Nummer von Lara?"

"Nein!", antwortete ich vehement. "Du kriegst die Nummer von ihr nicht, da musst du sie selber fragen."

"Schreibt ihr eigentlich viel?", fragte Vicky interessiert weiter. Am Ende würden noch Vicky und Lara beste Freundinnen werden und mich links liegen lassen – Lara war so vom Eindruck bestimmt mit ihr auf einer Wellenlänge.

"Naja, es geht. Wir kommen ganz gut miteinander klar", antwortete ich ausweichend. Vielleicht war es nicht wirklich ideal zu sagen, dass man mit seiner Stiefschwester viel zu gut auskam. Und zwar zu gut als dass man 'nur' Stiefschwestern war. Das sollte vielleicht eigentlich ein Grund sein, dass ich mich auf das Zusammenziehen freuen sollte, aber das tat ich nicht.

Denn ich hatte Angst, wie ich Lara sehen würde, wenn wir länger zusammenleben würden. Wir hatten so viele ähnliche Interessen und konnten uns generell ungezwungen unterhalten, aber genauso auch gar nicht miteinander reden, was wollte man mehr?

"Ich will unbedingt eine Freundin", jammerte Vicky plötzlich. "Ich will einfach eine Beziehung... Ich werde einsam sterben, Kay. Hoffentlich mit einer Katze oder am besten mit mehreren, ich adoptiere sie alle aus dem Tierheim."

"Bis du eine Beziehung hast", erwiderte ich lachend. "Dann siehst du überall nur glückliche Singles." Mit einem Grinsen beschloss ich, dass mir nichts meine gute Laune verderben würde, erst recht nicht die Idioten aus meiner Klasse – ich war freundlich und lieb, ich wollte niemanden anschreien.

"Wahrscheinlich", meinte sie lachend. Ich war wirklich glücklich, dass niemand es geschafft hatte, uns jetzt richtig runter zu ziehen.

Als es zur zweiten Stunde gongte, war ich zur Abwechslung wirklich nicht schlecht drauf. Zweite Stunde war zwar Deutsch, aber so schlimm konnte das auch nicht werden. Unsere Deutschlehrerin war Frau Rank und sie war... schon etwas älter freundlich ausgedrückt. Aber trotzdem war der Unterricht bei ihr irgendwie angenehm...

Wir hatten alle einen wahnsinnigen Respekt vor ihr wegen ihrer ganzen Art. Sie ruhig und strahlte eine natürliche Autorität aus. Etwas, was bei unserer Klasse extrem viel half. Ohne eine gewisse natürliche Autorität wurden Lehrer bei uns nicht wirklich akzeptiert...

Im Klassenzimmer angekommen, war Frau Rank schon da und hatte bereits alles vorbereitet... Sie war einfach wirklich sehr, sehr organisiert – wenn es um Lehrer ging, war sie definitiv ein Vorbild.

Ich setzte mich wie immer neben Vicky auf meinem Platz und holte dann meinen Ordner hervor.

"Was haben wir letzte Stunde gemacht?", fragte mich Vicky verwirrt.

"Keine Ahnung," erwiderte ich nur achselzuckend. "Deutsch ist nicht wirklich ein Fach, wo ich mir merke, was wir so machen."

Marcus setzte sich leise und fast schon unauffällig neben uns. Vicky nickte ihm freundlich zu und ich lächelte auch kurz. Er räusperte sich. "Danke... für... Vorhin." Ich konnte schon fast spüren, wie unangenehm ihm das war und gerade deswegen war sein 'Danke' gleich nochmal mehr wert.

"Kein Problem", erwiderte Vicky mit einem sanften Lächeln. "Wirklich immer wieder gerne."

Marcus schien irgendwie erleichtert zu sein, als wäre er froh, dass ihn irgendjemand verteidigt hatte.

"Mann, ich hab gehört, was die anderen abgezogen haben, hör nicht auf sie", meinte Adrian als Begrüßung, als er sich neben Marcus auf seinen Stuhl fallen ließ.

"Ist echt so, das war echt das aller letzte", klinkte sich nun auch Jakob in das Gespräch ein. "Ich meine, ich bin ja selber bi, deswegen wäre das ja so ziemlich das gleiche." So ziemlich alle starrten Jakob schockiert an - einschließlich mir.

"Und ich dachte, ich kann mich einfach im Nebensatz outen...", murmelte Jakob leicht genervt. "Also nochmal zum Mitschreiben: Ja, ich bin bi. Ja, ich liebe meine Freundin. Nein, ich will keinen Dreier. War's das?"

"Cool!", meinte Vicky schließlich und gab Jakob ein Highfive.

Vielleicht, ganz vielleicht hatte ich mit der Provokation mit Marcus nicht alles kaputt, sondern die gesamte Sache hatte auch etwas positives, wenn auch nicht viel positives.

Es war komisch, dass sich doch noch einige Leute an unserer Schule geoutet hatten. Irgendwie machte es mich glücklich, allerdings zählte ich nicht zu den Leuten, die sich geoutet hatten... ich hatte leider den Mut dazu nicht.

"Ich will mich auch outen, aber ich weiß nicht als was", meinte Vicky in der Pause. "Deswegen muss ich einfach noch etwas warten, bis ich mir sicher bin."

Ich nickte. "Asexuell hat einfach nicht so den guten Ruf... Und dann müsste ich noch erklären, was das eigentlich heißt und so sicher bin ich mir auch nicht."

"Jap, ich weiß auch nicht, ob ich's an deiner Stelle tun würde", erwiderte sie lächelnd. "Aber wir unterstützen dafür einfach noch tatkräftiger unsere Mitschüler und sind immer zur Stelle, wenn jemand angegriffen wird."

Ich nickte lächelnd. "Genau das machen wir."

"Ich bin irgendwie froh, dass sich einige geoutet haben", meinte Vicky anschließend. "Ich weiß nicht, ob ich sonst einfach den Mut hätte, mich später auch zu outen."

"Ich hätte ihn bestimmt nicht, aber ich bin mir noch nicht wirklich sicher... ich will noch warten, bis ich weiß' ob ich nicht doch asexuell oder demisexuell bin... oder vielleicht irgendwas ganz anderes", antwortete ich mit einem Lächeln.

"Du bist asexuell?!", hörte ich einen leisen Aufschrei neben mir. "Ich auch!!"

Ich schaute mich verwirrt nach der Stimme um und sah ein Mädchen, das vermutlich in meiner Jahrgangsstufe war... zumindest hatte ich das Gefühl, dass sie es war... Dann umarmte sie mich sofort. So viel zu ich warte, bis ich mir sicher, hat ja super geklappt.

"Ich weiß es noch nicht ganz", stellte ich schnell klar, konnte mich aber nicht vor ihrer Umarmung retten.

"Aber du bist unter'm asexuellen Spektrum?", hakte sie nach und machte erstens keinerlei Anstalten mich loszulassen und zweitens war sie noch genauso aufgedreht wie am Anfang.

Ich versuchte mich so gut es geht aus der Umarmung zu befreien, was jedoch nicht wirklich funktionierte, wieso war gefühlt jeder stärker als ich? "Aber klar doch."

"Oh mein Gott!! Wie cool!!", schrie sie los und umarmte mich nur noch fester... Wo hatte ich mich hier nur reinbegeben...

"Du kannst mich übrigens wieder loslassen", meinte ich schließlich, als sie mich nach drei Minuten immer noch nicht loslassen wollte.

"Okay, ja klar", sagte sie und ließ mich sofort los. "Sorry, manchmal bin ich einfach etwas zu stürmisch..."

"Danke", murmelte ich nur leise.

"Ich bin übrigens Olivia, aber nennt mich ruhig Liv, jeder nennt mich eigentlich Liv", stellte sie sich lächelnd und grinste uns an.

"Kay", meinte ich nur kurz und fand sie irgendwie ein bisschen anstrengend, auch wenn sie ja vielleicht ganz nett war, wenn sie einen nicht mit Umarmungen versuchte umzubringen.

"Vicky", stellte sich Vicky vor und nickte Liv zu.

"Du weißt gar nicht, wie cool es ist endlich mal jemanden zu treffen, der auch asexuell ist... oder eben unter dem Spektrum", meinte Liv glücklich und strahlte die ganze Zeit.

Was tat man nicht alles dafür, andere glücklich zu machen... Ich war trotzdem mehr als dankbar, als endlich die Pause vorbei war und wir so von Liv wegkamen.

Man merkte, dass Liv noch in der 'Phase 1' ihrer Sexualität war. Das hatten Vicky und ich so genannt, weil das die Phase ist, in der die betreffende Person nur darüber reden und auch nur darüber reden möchte. Und auch wenn das ja ganz schön für die betreffende Person ist, es ist sehr nervig.

Besonders wenn man selbst in Phase 2 oder Phase 3 ist, in der man einfach nur als 'normal' angesehen werden möchte und am liebsten möglichst wenig Aufmerksamkeit um seine Sexualität will. Allerdings war das natürlich nur Vicky's und meine Auffassung davon.

Auf der anderen Seite hatten wir ja selbst die Phase 1 durchgemacht und den großen Vorteil gehabt, dass wir mit einander über alles reden konnten. Wenn ich niemanden gehabt hätte, dann wäre ich vermutlich genauso. Schließlich ist es besonders bei Asexualität wichtig mit anderen zu reden. Sonst weiß man ja nicht, dass man ein Bedürfnis nicht hat, was andere haben oder wie sich das bei anderen äußert.

"Sie ist anstrengend", seufzte ich und rollte mit den Augen. "Und so... aktiv und laut... und irgendwie hyperaktiv. Trotzdem ein ganz lieber Mensch, wenn sie mal etwas leise ist."

"Aber hübsch", fügte Vicky lachend hinzu und grinste mich an – immerhin würde sie jetzt vielleicht aufhören, nach Lara's Handynummer zu fragen.

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