Das Diamanten Mädchen

Teil 4

Plötzlich stürmte er auf mich zu und griff nach meinem Nacken.
"Was-?", rief ich verwirrt aus und wurde gleichdarauf unsanft an einen Baumstamm gedrückt. Ich hörte ein 'Klick'. Das Leder um meinen Hals wurde locker. Mein Crop Top klappte nach unten.
"Was soll das? Hör auf mich auszuziehen", rief ich in Panik und zappelte unter seinem schweren Körper, welcher mich an das Holz drückte. Meine Hände hielten noch gerade rechtzeitig das Leder fest, sodass man nur mein Dekolleté sehen konnte. Allen starrte genau darauf. Sekunden später wanderte sein Blick hoch zu meinem Gesicht.
"Moon", flüsterte er entgeistet. Ich bekam große Augen. Mein Diamant! Er hatte meinen Diamanten angestarrt. Aber wie hatte er mich...? Sein Name! Er hatte mir nie seinen Namen genannt!
"Ich kann das alles erklären", rief ich hastig.
Auf einmal zog er mich in seine Arme und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Nun total verwirrt, erstarrte ich kurz, bevor ich meine Hände zögerlich auf seinen Rücken legte.
"Und ich hab schon die Befürchtung gehabt, dass du tot bist", murmelte er leise. Sein Atem kitzelte mich an meinem Nacken, weshalb ich anfing zu kichern.
"Du kitzelst mich", flüsterte ich leise. Langsam löste er sich von mir und sah mir ins Gesicht. Seine Hände ruhten auf meinen Schultern.
"Ich war wirklich blind", murmelte er und lächelte schief.
"Ja", stimmte ich ihm zu. "Sogar sehr!"
"Obwohl. Man würde dich glaub ich auch erst auf dem zweiten Blick erkennen", betrachtete er mich weiterhin.
"Warum? So viel hab ich mich doch gar nicht verändert", zog ich verwirrt eine Augenbrauen nach oben. Verwundert sah er mich an.
"Ist das jetzt dein Ernst?", zog er ungläubig eine Augenbraue hoch. "Ersten hast du keine Pickel mehr. Zweitens bist du größer geworden. Drittens sind deine Haare zu, weshalb man deine ausgeprägten Wangenknochen jetzt sehen kann und außerdem hast du eine viel schlankere und muskulösere Figur bekommen... Mit sehr weiblichen Kurven, wenn ich das so sagen darf!"
Erstaunt schaute ich an mir herunter. Mit roten Wangen bemerkte ich, dass man meinen schwarzen BH sehen konnte, weshalb ich meine Hände von seinem Rücken löste und schnell den Verschluss um meinen Hals schloss.
"Das ist mir gar nicht aufgefallen", murmelte ich währenddessen.
"Ich merks", lachte er leicht. "Und wenn mir schon dabei sind. Deine Stimme ist auch etwas höher geworden... Und auch ein wenig rauer."
"Danke?", sagte ich verlegen und sah auf den Boden.
"Bitte. So. Jetzt aber weiter. Ich hab ein morts Hunger. Du nicht auch?", ließ er mich los und holte meine Sachen. Er reichte sie mir rüber.
"Es geht", nuschelte ich und zog meine Tasche sowie meinen Umhang wieder an.

Schweigend gingen wir weiter.

"Es tut mir Leid, dass ich dir nicht gesagt habe, dass ich es bin", platzte es nach fünf Minuten aus mir heraus.
Allen schielte zu mir hinüber. "Dafür brauchst du dich doch nicht zu entschuldigen! Ist doch ganz verständlich", zuckte er leicht lächelnd mit den Schultern. Ich nickte. Gewissensbisse plagten mich aber trotzdem.
"Magst... Magst du mich wirklich?", fragte ich leise.
Allen stolperte kurz über einen Stein, als er ruckartig zu mir sah, fing sich aber gleich wieder und räusperte sich.
"Ja", sagte er leise und schaute auf den Boden. Ich sah ihn von der Seite an. Seine Wangen wurden rot. Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen, als ich das sah.
"Wird da einer verlegen?", neckte ich ihn und stieß meinen Ellbogen freundschaftlich in seine Seite.
"Ja", murmelte er. "Willst du nicht doch mit nach Hause kommen", wechselte er schnell das Thema und schaute mich flehend an. Mein Grinsen wich einem gezwungenem Lächeln.
"Allen. Du weißt, dass ich nicht kann. Meine Mutter würde mich wieder den ganzen Tag im Haus einsperren und ich hätte dann gar keine Freiheiten mehr", sagte ich niedergeschlagen.
"Warum? Du musst ja nicht bei ihr wohnen. Und befehlen kann sie dir schon mal gar nichts mehr. Du bist einundzwanzig, falls du es vergessen hast", erwiderte er.
"Zwanzig", verbesserte ich ihn murmelnd. "Und wo soll ich schlafen? Und was ist mit meinem Diamanten? Dann müsste ich mich wieder verstecken und das will ich einfach nicht mehr!", sagte ich verzweifelt und schüttelte entschieden den Kopf.
"Fürs erste kannst du ja bei mir wohnen. Meine Mutter wird sich darüber bestimmt freuen. Und wegen deinem Diamanten: Warum versteckst du ihn überhaupt?" Verständnislos sah er mich mit zusammen gezogenen Augenbrauen an.
Ich seufzte tief auf und antwortete: "Es gibt sogenannte 'Diamantenjäger' auf dieser Welt und sie machen ganz bestimmt nicht halt ein Mädchen zu töten, um den Diamanten zu bekommen. Außerdem fall ich damit zu sehr auf... Und ich hasse es im Mittelpunkt zu stehen!" Angeekelt verzog ich das Gesicht.
"Hm...", brummte Allen nachdenklich. "Und was ist, wenn du so Outfits, wie jetzt bekommst? Dein Oberteil verdeckt den Stein doch ganz gut", schlug er vor.
Ich wiegte den Kopf hin und her. Er hatte ja recht. Aber ganz geheuer war mir die Sache immer noch nicht.
"Ja schon, aber irgendwie... Ach ich weiß ja auch nich!"
"Überleg es dir einfach. Du hast ja noch drei Tage Zeit", lächelte er mich aufmuntern an. Ich nickte. Er hatte mit allem gesagten recht. Trotzdem war ich hin und her gerissen. Auf der einen Seite war ich neugierig, wie die Schule aussah und wie sich meine alten Mitschüler verändert hatten. Auf der anderen Seite wollte ich aber meinen geliebten Wald und die Höhle nicht verlassen, da sie mir immer Schutz geboten haben. Wenn ich bei Allen wäre, hätte ich diesen nicht mehr. Außerdem müsste ich dann meine Mutter wieder sehen. Und das wollte ich doch die ganzen zwei Jahren vermeiden... Oder?

Geschrei riss mich aus meinen Gedanken. Verwirrt sah ich auf. Doch bevor ich überhaupt sehen konnte, wer da auf uns zu gelaufen kam, wurde mir meine Kaputze hastig über den Kopf gezogen.
"Alter Allen! Wo warst du?", fragte ein Junge vorwurfsvoll und blieb vor uns stehen. Allens große Hand lag auf meinem Kopf, weshalb ich nicht auf blicken konnte. Doch die blauen Nike Schuhe vor mir entgangen mir nicht. Warum trug jetzt jeder diese Schuhe? Nur um cool zu sein? Außerdem waren die voll teuer!
"Hab mich ein wenig verlaufen", murmelte er.
"Und wen hast du da mitgebracht?", fragte ein anderer Junge. Ein Grinsen war aus seiner tiefen Stimme heraus zu hören.
"Mona. Ich hab sie vor einem Bären gerettet", sagte Allen stolz.
Empört gab ich ein leises "Pff", von mir. Es war wohl eher umgekehrt. Ich habe ihn gerettet! Um seine Männerehre aber zu bewahren, ließ ich es dabei und sagte nichts weiter.
"Und dabei hast du dir den Flügel verletzt. Und eine Wunde am Kopf", fragte ein weiterer Junge skeptisch. Die etwas höhere Stimme kannte ich doch. War das Heyden?
"Ja mein Gott. Und sie hat mich verarztet. Könnten wir jetzt zum Camp gehen? Ich hab hunger", sagte Allen nun schlecht gelaunt. Alle murmelten ein ja und gingen los. Die Schuhe verschwanden aus meinem Sichtfeld. Sanft ließ Allen seine warme Hand von meinem Kopf hinunter gleiten und legte sie stattdessen auf meinen Rücken. Er schob mich leicht nach vorne. Wir setzten uns in Bewegung.
"Das war knapp", flüsterte er, sodass nur ich es hören konnte. Ich nickte unmerklich. "Am besten du verschwindet jetzt. Sonst fällst du zu sehr auf", sprach er in der selben Lautstärke, wie gerade eben, weiter.
"Spinnst du? Ich lass mir doch nicht entgehen, wie du von deinem Lehrer oder deiner Lehrerin zusammen geschissen wirst", flüsterte ich ein wenig zu ihm gebeugt und grinste breit.
"Shit! Das hab ich ja ganz vergessen", stieß er erschrocken aus. Ich kicherte leicht.
"Was hast du vergessen?", fragte ein Kumpel von ihm.
"Das ich mir noch die Standpauke von der alten anhören muss", sagte Allen genervt.
"Ach das! Die hat nix mitbekommen. Es schlafen sowieso noch alle", meinte Heyden.
"Schade", nuschelte ich. Dabei hatte ich mich so darauf gefreut!
"Will die kleine nicht mal ihre Kaputze abnehmen? Oder ist sie hässlich?", blieb jemand vor mir stehen. Ich stockte in meinem Gehen und zog mir meine Kaputze mehr ins Gesicht.
"Josh halt die Klappe und geh weiter. Die is nix für euch. Wenn jemand sie auch nur anfässt, ist er tot", schnauzte Allen seinen Kumpel an und zog mich an seine Seite. Überrascht versteifte ich mich. Das glaubte ich ja jetzt nicht! Allen beschützte mich! Also das ich das noch erlebte, war echt ein Wunder!
"Is ja gut. Konnte ja nicht wissen, dass du ein neues Hässchen hast", murmelte Josh.
"Sie ist kein Hässchen", zischte Allen wütend und spannte sich an. Warum regte er sich so über den Kosenamen auf? Hatte er in seiner Clipue irgendeine Bedeutung?
"Wohou! Reagiert euch mal ab", ging ein anderer Junge dazwischen. "Wir streiten uns nicht um ein Mädchen. Habt ihr das schon vergessen?"
"Nein", murmelten beide. Allen entspannte sich wieder und nahm seine Hand von meinem Rücken.
"Sorry Josh", entschuldigte er sich. Beide gaben sich einen kräftigen Hände schlag und umarmten sich.
"Nicht schlimm", sagte Josh. Ich räusperte mich.
"Wie gut, dass ihr so schön über mich redet, während ich anwesend bin", grinste ich. "Ich bin dann mal weg. Gibt hier ja leider nichts mehr interessantes zu sehen hier", winkte ich und drehte mich zum Gehen um.
"AHHH. Mona", rief Allen und hielt mich an meinen Schultern fest. "Willst du nicht noch mit essen?", fragte er leise, nahe an meinem Ohr. Meine Härchen im Nacken stellten sich auf. Starr sah ich gerade aus, auf einen großen Baum.
"Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist Allen", nuschelte ich und entfernte sanft seine Hände von meinen Schultern. Er seufzte.
"Na gut." Er beugte sich näher zu mir hinunter. "Dann treffen wir uns in drei Tagen genau hier. So mittags. Sag mir dann, ob du mitkommen willst oder nicht", flüsterte er.
Ich nickte und spazierte weiter.
"Tschüss", winkte ich, ohne mich umzudrehen.

Als ich die Jungs, nach fünf Minuten, nicht mehr hörte, atmete ich erleichtert aus und hob ab. Langsam flog ich gen Himmel. Jetzt hieß es wohl eine Liste mit den Vor- und Nachteilen des weg gehens auf zu erstellen. Ich wusste jetzt schon, dass ich diese Nacht kein Auge zu machen würde. In meinem Kopf war ein Chaos, wie schon lange nicht mehr!

《◇》

Drei Tage später lief ich in meiner Höhle nervös von einer Ecke zur anderen. Meine Liste hatte mir überhaupt nichts gebracht! Es waren genauso viele Nachteile heraus gekommen, wie es Vorteile gab.
Frustriert schrie ich auf. "Das gibt es doch nicht", stampfte ich wütend mit meinem Fuß auf den Boden. "Okay. Dann halt eben so." Hastig lief ich zu meinem Regal und nahm einen Euro heraus. Ich atmete tief ein und wieder aus.
"Kopf: hier bleiben. Zahl: gehen", legte ich fest und warf die Münzen hoch. Klirrend kam sie gleichdarauf auf dem Boden auf und drehte sich. Das Silber glänzte sachte im Licht des Feuers. Angespannt beobachtete ich sie. Langsam rollte sie sich aus und blieb schlussendlich liegen. Ich sah auf die Münze. Zahl. Ich nickte mir selber zu. Wenn es der Zufall so wollte, dann bitte. Ich ging das Abenteuer an.
Schnell warf ich meine Bücher, meine kleinen Flaschen und wenigen Kleider in meine Tasche, band mir meinen Umhang um und steckte die Dolche in meinen Gürtel. Ich gebe ja zu, dass es sehr leichtsinnig von mir war, einfach auf eine Münze zu hören, aber ich selber konnte mich einfach nicht entscheiden! Und außerdem konnte ich ja immer wieder hier her zurück kommen, wenn ich flüchten musste... Außer wenn ich vor Allen weg lief. Dann müsste ich mir was anderes einfallen lassen!

Meine Sachen gepackten und das Besteck sowie der Kessel sauber an seinen richtigen Platz geräumt, warf ich mir meine Tasche über die rechte Schulter und machte, mit dem restlichen Wasser im Becken, das Feuer aus. Danach ging ich zum Ausgang. Zwischen den dicken Wänden blieb ich stehen und sah in die dunkle Höhle hinein. Ich wusste jetzt schon, dass ich die Stille vermissen würde... Und die Wärme des Feuers, wenn ich davor, auf meinem roten Teppich, saß und in meinen Büchern lies.
Ich seufzte auf. Nun rollte ich den Stein noch zur Seite und flog danach von dem Abhang hinunter.

Ein paar Meter vor der vereinbarten Stelle entfernt, landete ich und ging zu Fuß hinüber. Allen lehnte an einem Baum, den Rücken zu mir gewandt, und schien mit irgendetwas beschäftigt zu sein.
"Wo bleibt sie denn?", hörte ich ihn flüstern. Ein Grinsen bildete sich auf meinen Lippen. Leise flog ich auf den Baum und stellte mich auf den dicken Ast, welcher über ihm wuchs. Vorsichtig setzte ich mich auf ihn drauf. Meine Beine baumelten in der Luft.
"Sie müsste doch schon längst da sein", murmelte er und schaute auf seine silberne Armbanduhr.
"Bin ich ja auch", sagte ich und ließ mich rückwärts fallen. Mit meinen Beinen hielt ich mich an dem Ast fest und grinste Allen an, welcher erschrocken zusammen zuckte.
"Oh shit", schrie er und drückte sich an den Baum. Mein Grinsen wurde breiter. "Gott. Hast du mich erschrocken", murmelte er und entspannte sich wieder. Ich machte einen Salto in der Luft und schwebte langsam zu Boden.
"Und?", fragte er angespannt und neugierig.
"Ja", nickte ich und lächelte leicht.
"Yes", schrie er grinsend, nahm mich in die Arme, hob mich hoch und schleuderte mich durch die Luft. Überrascht quiekte ich auf und hielt mich an seinem Nacken fest.
"Allen", lachte ich, woraufhin er stehen blieb und mich los ließ.
"Tschuldigung", murmelte er mit roten Wangen und lächelte leicht. Ich winkte grinsend ab.
"Ich hab noch ein paar Bedingungen", sagte ich leise.
"Leg los", nickte er grinsend.
"Also", zog ich das Wort lang. "Ich gehe auf deine Schule und in die Stadt zurück, wenn: ich bei dir die ganze Zeit wohnen darf, was auch heißt, dass ich was zu essen bekomme und dort duschen darf. Außerdem möchte gehen und kommen dürfen, wann ich will... Ach ja. Und einen kleinen Fleck im Garten hätte ich auch gerne..." Verunsichert lächelte ich ihn an.
Er blinzelte ein paar mal, bevor er ungläubig fragte: "Das waren deine Bedingungen?"
Ich nickte vorsichtig. Waren es zu viele?
"Moon", lachte er leise. "Das sind die normalsten Sachen der Welt."
"Echt?", zog ich erstaunt eine Augenbraue hoch. "Früher musste ich immer in meinem Zimmer bleiben und durfte auch nicht alles essen. Und schon gar nicht einfach so weg gehen", murmelte ich und schaute auf den Boden.
"Das ist ja schon fasst Freiheitsberaubung", nuschelte Allen und sah gedankenverloren neben mich. Interessiert schaute ich auf. "Naja", blickte er mich wieder an. "Das mit dem Garten musst du mit meiner Mutter ausmachen. Da hab ich nämlich leider kein Mitbestimmungsrecht", lächelte er schief und kratzte sich am Hinterkopf. Ich nickte. Hoffentlich stimmte sie zu. Dann könnte ich meine Kräuter und mein Gemüse wieder anpflanzen.
"Na dann. Lass uns mal zu den anderen gehen", spazierte er an mir vorbei. Ich hinter her. Langsam zog ich mir meine Kaputze über und rückte meine Tasche zurecht.
"Oh nein meine Liebe", blieb Allen stehen, als er meine Bewegung aus den Augenwinkeln sah, und schüttelte lachend den Kopf. "Die bleibt unten", zog er meine Mütze wieder runter.
"Aber ich will nicht erkannt werden", protestierte ich laut und wollte sie wieder aufsetzten. Doch er hielt sie stark umgriffen.
"Moon", seufzte er. "Du wolltest dich doch nicht mehr verstecken. Oder?"
"Ja", murmelte ich. "Aber-"
"Kein aber", unterbrach er mich. "Du stellst dich als Moon vor und fertig! In den ersten Wochen wird die Aufmerksamkeit von allen zwar an dir kleben, wie Kaugummi, aber das legt sich wieder." Er lächelte mir aufmunternd zu.
Nicht überzeugt brummte ich ein "Ja", und lief hinter ihm her. Auf was hatte ich mich da schon wieder eingelassen?
"Wie geht es eigentlich deinem Kopf und deinem Flügel", fiel es mir ein, als ich sein braunes Gefieder betrachtete.
"Ganz gut", schaute er zu mir nach hinten und lächelte. "Ich hab zum Glück keine Kopfschmerzen mehr und meine Übelkeit ist auch weg."
"Dir war übel", fragte ich leicht geschockt.
"Ja. Warum?", zog er, wegen meiner Reaktion, verwirrt die Augenbrauen zusammen.
"Da würde ich mal sagen, dass du eine leichte Gehirnerschütterung hattest. Normalerweise müsstest du dann eine Woche im Bett liegen bleiben", erklärte ich. Erstaunt bekam er große Augen.
"Ups", murmelte er lächelnd. Schmunzelnd schüttelte ich den Kopf. Hatte er ein Glück. So eine Gehirnerschütterung sollte man nämlich nicht auf die leichte Schulter nehmen. Auch nicht bei einer leichten!
"Wo isn eigentlich dein Gepäck?"
Auf seine Frage hin, schob ich meinen Umhang zur Seite und brachte somit meine große, schwarze Sporttasche zum Vorschein. Sie hatte ich auch mit, als ich hier her kam. Er nickte und sah wieder nach vorne.

Wir gingen noch ungefähr fünf Minuten schweigend durch den Wald, bis wir an einer großen Lichtung ankamen. Neugierig ließ ich meinen Blick über die grüne Ebene vor mir gleiten. Vorwitzig schauten weiße und rote Blüten aus dem dichten, mittel hohen Gras heraus und ließen die Wiese nicht so langweilig erscheinen. In der Mitte prangte eine rabenschwarze, runde Stelle. Da war wohl das Feuer gewesen. Weiter rechts führte ein schmaler Trampelpfad in den Wald hinein.
"Hattet ihr hier euer Lager", fragte ich neugierig.
"Jep. Und wenn wir jetzt dort entlang gehen, kommen wir zu den anderen", nickte er und zeigte auf den Weg ein paar Meter vor uns entfernt.
"Fahrt ihr mit nem Bus?" Er nickte. War dann überhaupt noch Platz für mich da?... Egal! Ich konnte ja die ganze Strecke hinter dem Bus her fliegen. Das machte mir nichts aus.

Gemütlich langsam spazierten wir hintereinander, da der Pfad so schmal war, durch den Wald und kamen nach weiteren fünf Minuten an einem großen Platz an.
Aufgewühlte Erde bedeckte teilweise den Boden und ließ meine Füße in diesem versinken, als ich stehen blieb. Die feinen, angenenehm kühlen sowie feuchten Körner drangen zwischen meine Zähen und rieben dort unangenehm an meiner Haut. Ein intensiver Geruch nach feuchter Erde drang in meine Nase. Hier sah es aus, als hätte ein Wildschwein gewütet. Der Boden hatte überall Löscher. Grasfetzten lagen zerstreut auf dem Platz und passten nicht wirklich zu dem dunkel braunen Bild vor mir.
Mitleidig betrachtete ich den Platz. DAS war eindeutig ein Übungsplatz. Mein Blick blieb ganz rechts an einer Gruppe jugendlicher hängen, die vor einem Bus standen und zur Musik, die aus kleinen Boxen kam, tanzten und lachten. Nervosität kroch langsam meine Beine hinauf und breitete sich immer schneller in meinem Körper aus. Meine Hände fingen an zu schwitzen.
"Bereit?", fragte Alle und sah mich an. Ich schluckte schwer. Mein Mund war auf einmal total ausgetrocknet. Wie in einer Wüste.
"Nein", antwortete ich leise.
"Sag mal bist du nervös?", fragte er ungläubig und zog eine Augenbrauen nach oben.
"Nein", antwortete ich schnippig und schaute zu dem schwarzen Bus hinüber. Wissend grinste er mich an.
"Du brauchst gar nicht nervös zu sein. Die beißen schon nich", lächelte er nun und schob mich, mit seiner Hand auf meinem Rücken, sanft nach vorne.
"Nein. Aber hauen", nuschelte ich.
"Ach quatsch", machte er eine weg werfende Bewegung mit seiner Hand. "Die sind alle ganz nett... Halt dich aber am besten von Fiona fern. Sie neigt leicht zu... Furien-Attacken." Er lächelte schief. Ich nickte. Ob das die Fiona war, die ich kannte?

Sekunden später blieben wir vor der Gruppe stehen. Ein paar waren, während wir zu ihnen gingen, in den Bus gestiegen. Als Heyden uns erblickte, tippte er zwei Jungs an und kam auf uns zu. Leicht versteckte ich mich hinter Allens Rücken.
"Da bist du ja. Wir wollten schon vor na halben Stunde los fahren. Wo warst du man?", fragte Heyden genervt, während er auf uns zu schritt. Seine Hände steckten locker in seinen Hosentaschen. Er war Allens bester Freund, so wie ich das damals mitbekommen hatte, und war der zweit beliebteste auf der Schule.
"War jemanden abholen", grinste Allen und griff hinter sich. Irritiert schlug ich seine Hand weg. Was machte er da? Der Junge vor mir seufzte genervt auf.
Plötzlich breitete sich sein linker Flügel auseinander und schob sich an meinem rechten Arm vorbei auf meinen Rücken. Verwirrt sah ich dem ganzen zu. Er schubste mich nach vorne. Ich stolperte unbeholfen vorwärts und schaute nach hinten. Mein Blick blieb an Allens Grinsen hängen. Ich verdrehte die Augen. Er hätte auch einfach den Mund aufmachen können, um mir zu sagen, dass ich nach vorne gehen soll.
"Ist das nicht das Mädchen, was dich verarztet hat", fragte ein braun haariger Junge erstaunt. Ich sah nach vorne. An der Stimme konnte ich erkennen, dass das wohl Josh sein musste. Er hatte hell graue kleine Augen und ein sehr markantes Gesicht. Seine vollen Lippen und die gerade Nase passten perfekt zu ihm. Josh hatte bestimmt einen asiatischen und einen deutschen Elternteil. So wie seine Augen Form aussah!
"Jep", schmiss Allen seinen Arm über meine Schultern und stützte sich auf diesen ab. Ich verschränkte die Arme vor der Brust. So hatte ich mir das Treffen eindeutig nicht vorgestellt!
"Mona, nicht wahr?", fragte ein blondhaariger Junge rechts vor mir. Er hatte braune Augen und schmale Lippen. Sein Gesicht war eher länglich, was ihm ein harmloses aussehen verlieh. Die Stupsnase machte ihn aber auch gleichzeitig süß. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen. Sein Spitzname war ab sofort Teddy. Passte doch, oder?
"Antwortest du auch mal?", fragte Allen belustigt.
"Ähhh ja klar. Sorry", schreckte ich aus meinen Gedanken. "Ich bin Moon", streckte ich ihm meine Hand entgegen. Lächelnd ergriff er sie.
"Und an dir hat Allen einen Narren gefressen?", fragte Heyden, der in der Mitte Stand, misstrauisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich ließ meine Hand langsam sinken und betrachtete ihn. Er hatte eine eher helle Haut, die seine waldgrüne Augen hervorstechen ließen, volle Lippen, dunkel braune Haare und eine gerade Nase. Eine kleine Narbe ging durch seine linke Augenbraue. In den zwei Jahren hatte er sich kein Stück verändert.
"Ich hab mir keinen Narren an ihr gefressen. Sie ist nur.. eine gute und alte Schulfreundin von mir", sagte Allen und stellte sich wieder gerade hin. Seine Hand verschwand von meinen Schultern.
"Schulfreundin?", fragte Josh skeptisch und zog eine Augenbraue hoch. Er stand links von mir.
"Jaha", verdrehte Allen die Augen. Seine Arme verschränkten sich vor der Brust.
"Du hast noch nie NUR eine Schulfreundin gehabt", sagte Teddy verwirrt.
"Allen. Unter vier Augen", nickte Heyden ernst nach rechts. Er hatte ebenfalls seine Arme vor der Brust verschränkt. Der Angesprochene stöhnte genervt auf und ging mit seinem Freund in die entsprechende Richtung. Ich verfolgte sie mit meinen Augen. Er konnte mich doch jetzt nicht hier alleine lassen?! Hallo?!
"Also", grinste Josh und legte mir, wie Allen gerade eben, seinen Arm über meine Schultern. "Erzähl doch mal was von dir."
Nervös lächelte ich, entfernte seinen Arm von meiner Schulter und meinte: "Lieber warte ich auf Allen."
"Schüchtern? Na das überrascht mich aber. Sonst sucht sich Allen immer freche Betthässchen aus", murmelte Teddy. Das meinten sie also vor drei Tagen mit Hässchen.
"Ich bin keine Tussi, die sich von jedem flachlegen lässt, falls ihr das denkt", schüttelte ich empört den Kopf. "Ich und Allen kennen uns wirklich nur von der Schule."
Skeptisch zogen beide ihre Augenbrauen nach oben. "Na gut. Wir waren in der Schule nicht wirklich miteinander befreundet...", gab ich zu. "Wohl eher ein wenig verfeindet", lächelte ich schief.
"Verfeindet?", fragte Teddy immer noch skeptisch, aber mit einem Lächeln im Gesicht.
Ich nickte grinsend und sagte: "Jep."
"Wie lange ist das denn her?", fragte Josh und steckte seine Hände locker in die Hosentaschen.
"Über zwei Jahre", antwortete ich.
"Also genau dann, wo wir neu an die Schule gekommen sind", grinste Teddy Josh an. Dieser nickte.

"Josh. Kannst du mir mal-", tauchte ein braun haariges Mädchen hinter ihm auf. Sie hatte schöne, ich vermutete, natürliche Korkenzieher Locken und große, braune Kulleraugen. Für meinen Geschmack war sie ein wenig zu viel geschminkt, aber es war ja jedem selbst überlassen. Nicht?! Entgeistert sah sie mich an. Verwirrt starrte ich zurück.
"Moon?", fragte sie leise. Diese Stimme!
"Fiona?", fragte ich vorsichtig.
"Das glaub ich ja jetzt nicht", verzog sie wütend das Gesicht. Verwirrt sah ich sie an. "Das du dich auch nur traust nach zwei Jahren vor mir aufzutauchen", zischte sie.
"Hä?", brachte ich nur heraus. Was hatte ich ihr denn getan?
"Hä?", äffte sie mich nach. Josh und Teddy schauten verwirrt zwischen uns her. "Du hast mich einfach so stehen gelassen. Ich stand dort, wie ein Trottel und hab mir die Augen fasst eine ganze Woche wegen dir ausgeheult", erklärte sie. Mein Blick hellte sich auf.
"Ich schwör! Dafür gibt es einen sehr guten Grund", sagte ich hastig.
"Ich höre", verschränkte sie die Arme vor ihrer Brust.
"Ich bin vor meiner Mutter geflüchtet. Du weißt doch, wie sie mich behandelt hat", sagte ich.
"Ist das dein Ernst?", fragte Fiona empört. "Dafür hast du deine beste Freundin einfach zurück gelassen?", sagte sie sauer.
"Ich dachte-"
"Ja. Wenn du denkst, kommt immer was schlimmes dabei raus", unterbrach sie mich. "Halt einfach den Mund und verpiss dich. Dich will hier keiner haben", zischte sie. Wütend zog ich meine Augenbrauen zusammen. So muss ich mich ganz ehrlich nicht behandeln lassen!
"Ich dachte, dass es dich nicht so treffen würde. Ich meine, du warst hübsch, nett und immer optimistisch. So welche Menschen, wie du finden immer schnell neue Freunde", erklärte ich.
"Ja da hast du recht. Ich weiß sowieso nicht, warum ich mich mit so einer Looserin, wie dir abgegeben hab. Ich hab etwas viel besseres verdient, wie man ja jetzt sieht. Ich gehöre zu den Beliebten", sagte sie eingebildet und lächelte süß.
"Denkst du ich hab freiwillig diese scheiß Pullis im Sommer getragen? Denkst du es hat mir Spaß gemacht gemobbt zu werden?", schrie ich sie an, lehnte mich ein wenig nach vorne und zeigte auf mich. Ich war den Tränen nahe.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Allen und Heyden auf uns zu kamen und uns verwirrt an starrten.
"Nein. Weiß ich nicht. Vielleicht um deine Pickel zu verstecken", grinste Fiona fies. Wütend zog ich meinen Umhang und meine Tasche aus, knallte sie neben mich auf den Boden und öffnete mein Crop Top an meinem Hals, um gleichdarauf das braune Leder ruckartig hinunter zu ziehen.
"Sieht das etwa aus, wie ein Pickel?", zischte ich und zeigte auf meinen Diamanten. Fionas Augen wurden vor Unglaube groß.

Fortsetzung folgt...

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