Sehnsucht
Geistesabwesend streicht sie sich über den Bauch.
Ihr Blick haftet an dem Kinderbett. Das leblose Gesicht einer Puppe starrt sie an. Die glänzenden Wangenknochen verspotten sie.
Obwohl sie weiß, dass es sich bei dem Kind um ein Trugbild handelt, streckt sie gedankenverloren die Hand danach aus.
Ihre kalten Finger treffen auf das makellose Porzellan.
„Mein Baby", säuselt sie leise.
Mit vorsichtigen Berührungen hebt sie die Puppe aus dem Kinderbett. Streichelt, küsst und liebkost es.
Ihre zarten Lippen streichen über die wirren Locken.
Sie weiß, dass ihr echtes Kind lebt.
Ängstlich und bekümmert. Aufgezogen und behütet von der falschen Mutter. Von einer Diebin.
Mit zittrigen Fingern wickelt sie das Tuch fester um den leblosen Körper.
Mit stockendem Atem betrachtet sie die Gesichtszüge der Puppe. Züge, die so gar nicht mit den freudigen Grimassen ihres Babys übereinstimmten.
Wütend pfeffert sie es zurück in das Kinderbett.
„Mein Baby", flüstert sie mit erstickender Stimme.
Klagende Trauer und stummer Schmerz überrollen sie. Zerren an ihrem Haar, an ihrem Leib.
Die Sehnsucht nach ihrem Kind fordert all ihre Kräfte. Sorgen, Vorwürfe und Wut.
Ja, vor allem Wut. Wut über sich selbst. Wut über ihre Familie. Wut über all die Ärzte und Hebammen da draußen.
„Warum bist du nur so?"
„Was meinst du?"
„Warum kannst du nicht vergessen?"
„Es gibt nichts zu vergessen."
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Hallöchen c:
Herzlich willkommen zu dem ersten Kapitel meiner neuen Geschichte - Kurzgeschichte! Vermutlich wird es sich hierbei nur um 10 - 15 Kapitel handeln, die kaum mehr als 500 Wörter beherbergen.
Ich hoffe dennoch, dass ich euch mit den paar Zeilen begeistern kann :)
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