'Oktober'

Der Regen klopfte gegen die Fensterscheiben. Meine Mutter klopfte gegen meine abgeschlossene Tür und schrie, dass ich aufmachen solle. Nein, sie klopften nicht, sie hämmerten. Wild, gefährlich und hysterisch, als wären sie beide eins mit den Naturgewalten. Der Lärm prallte an mir ab, klatschte auf den Boden und zerbrach. Ich saß inmitten eines Meeres aus Scherben.

Es war nicht der lauwarme Früchtetee, der mich vor der stürmischen See beschützte. Nicht das blendende Licht meines Displays. Sondern einzig und allein, was auf diesem stattfand.

Ich hätte Besseres zu tun gehabt, als ich in den vergangenen zwei Wochen von der Schule nach Hause kam. Ich hätte meine Wunden versorgen können, ich hätte weinend zusammenbrechen können, aber ich erledigte immer zuerst etwas anderes. So auch heute.

Jedes einzelne Mal setzte ich mich als erstes vors Handy und schaute nach diesem Typen. Diesem weißen, privilegierten Arschloch, das sich herausnahm, es besser zu wissen als ich. Es war zur Routine geworden.

Ich hatte mir sein Profil genau unter die Lupe genommen. Er machte so etwas öfters: Das Geschriebene von Autoren auf dieser App vorführen, von denen er wohl dachte, sie hätten noch nicht genug Probleme im Leben, und seinen Senf dazu abgeben.

Das Kapitel über mich hatte er neulich jedoch wieder zurückgezogen. Warum? War es ihm etwa selbst zu peinlich geworden? Meine Gedanken kreisten um ihn wie die Erde um die Sonne und ich fragte mich Tag für Tag, ob ich auf dieser Plattform noch sicher war. Es war der einzige Ort, an dem ich mich auslassen konnte über alles, das mir rund um die Uhr passierte. Ich brauchte es doch, denn außerhalb davon wollte mir keiner zuhören.

>>Merkst du, dass du nur Ärger machst, du Drecksbengel? Merkst du nicht, wie sehr du mich kaputt machst?<< Jaja, das Übliche. >>Warum kannst du nicht einfach mal dankbar sein? Ich versuche, das Beste aus unserem Leben zu machen, aber ich könnte jedes Mal kotzen, wenn du wieder-<<

>>Fick dich doch<<, murmelte ich und fuhr mir wie in Trance durch die Haare. Oberhalb der Schläfe zuckte es schmerzhaft, dort hatten sie besonders hart gezogen. Ich schloss die Augen, um alles auszublenden, und lehnte mich gegen die Wand. Meine Hand glitt leicht nach unten, zu meiner Wange. Braune Haut. Braune Haut, die mich in diesem Land zum Anderen, zum Fremden, zur Karikatur herabstufte.

Ich wunderte mich, wie die Tür überhaupt noch standhalten konnte.

>>I could play nice or I could be a bully,
I'm tired and angry but somebody should be.<<
-Halsey// Nightmare

Umso überraschter war ich, als du deinen Fehler eingesehen hast.

Adam wäre nicht Adam, hätte er nicht immer einen Trick parat, um seinen Willen durchzusetzen. So erstelltest du dir einfach einen zweiten Account und schriebst mich über diesen an.

Es war ein Tag, an dem mich meine Mutter dafür verfluchte, ihr Kind zu sein, da mir eine Prügelei in der Schule eine Suspendierung für drei Tage eingebrockt hatte. Ich kam mit einem verstauchten Arm nach Hause. Es war eskaliert, weil ich mich gewehrt hatte. Ein Mal hatte ich mich nicht wie Dreck behandeln lassen, und es war noch schlimmer geworden. Eine ungerechte, ewige Spirale in den Schlund der Dunkelheit.

Mein Leben war ein brutaler Sturm, der mich hin und her warf, und du eine warme Bö in all dem Chaos, die mich an eine hoffnungsvolle Lichtung trug, mit der ich nie gerechnet hätte.

So las ich einen halben Monat nach unserer ersten 'Unterhaltung' ein einziges Wort auf meinem Display, das dennoch so viel in mir auslöste.

>>Entschuldigung.<<

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top