Das Erste Date

Zusammen liegen wir unter dem großen Teleskop.
Schauen durch die große Öffnung im Dach in den Himmel, wo die Sterne leuchten. Der Mond ist das einzige, was uns in dem Moment Licht spendet und wir hören nur vereinzelt die Autos, die unten auf der Straße fahren, ansonsten herrscht Totenstille.

Es hat sich herausgestellt, dass Manuel hier arbeitet. Als wir uns heute Abend hier getroffen haben, trug er dieses kleine Namensschild und grinste mich breit an.
Es waren nur vier Tage, aber in diesen habe ich dieses Grinsen unglaublich vermisst. Irgendwie erfüllt es mich. Sorgt dafür, dass ich mich lebendig fühle. Als wäre sein Grinsen der Grund weshalb ich lebe.

"Ich finde die Sterne so unglaublich erstaunlich", haucht Manuel, "von hier unten sieht es zwar so aus, als wären sie nur irgendwelche alleinstehenden, leuchtende Punkte. Dabei sind sie so viel mehr. Fast alle Sterne, die wir sehen, sind eine Art Sonne, die einfach nur weit entfernt ist. Und alleine sind sie auch nicht. Es gibt Systeme und zusammen bilden sie ganze Galaxien. Sie haben uns geholfen unsere Kalender zu bestimmen und uns bei der Orientierung geholfen. Die kleinen Punkte sind so vielfältig. Und das wird von den meisten einfach ignoriert."

Wieder ist es still.

"Ich habe Sterne auch nie als solche gesehen", gebe ich zu, "ich fand sie faszinierend. Ich habe gerne hinauf gesehen und sie einfach nur angeschaut. Ich kam mir immer so unbeschwert vor. Als wären alle Probleme mit dem Blick nach oben verschwunden."

Wir schauen dem Mond dabei zu, wie er über uns hinweg zieht und die Zeit verstreicht. Erst, als der Mond aus unserem Blickfeld verschwindet, schauen wir beide auf. Das Licht meines Handys blendet mich und ich muss mich kurz an die Helligkeit gewöhnen.

Kurz vor zwei.

"Wann müssen wir hier raus sein?", möchte ich wissen.

"Morgen Abend."

Manuel dreht sich auf die Seite, schaut mich von dort aus an.
Seine grünen Augen sind nicht erkennbar in der Dunkelheit. Aber sie reflektieren die Sterne und alleine das sieht wunderschön aus.
Mein Herz klopft unglaublich schnell, wenn er mich so anschaut und lässt meinen Bauch kribbeln. Am liebsten hätte ich mich jetzt zu ihm gelegt. Einen Arm an seiner Hüfte und eng aneinander gekuschelt.

Ein wenig müde und seufzend setze ich mich auf und streiche mir einmal über meine Augen. Darauf bedacht, mir meine Gefühle nicht anmerken zu lassen. Ich schaue mich in dem kleinen Raum um und stütze mich mit meinen Armen auf dem Boden ab.

"Was hast du vor?", fragt Manuel, gefolgt von einem Gähnen.

"Schlafen", gebe ich zurück, drehe meinen Kopf ein wenig um ihn anschauen zu können und grinse.
Er sieht einfach zu niedlich aus, wie er da liegt. So verschlafen.
"Aber ganz sicher nicht auf diesem Boden."

Um meine Aussage zu verstärken klopfe ich einmal auf den Holzboden, der mir in den paar Stunden, in denen wir schon hier liegen, ein paar Splitter im Rücken und in den Armen eingebracht hat.

"Und wo willst du dann hin?"

Nun setzt sich auch Manuel auf, winkelt seine Beine an und legt seinen Kopf auf seine Knie. Die Augen schließt er und anscheinend muss er sich anstrengen, nicht einzuschlafen.

"Weißt du, mein Bett ist ziemlich bequem. Und eine Couch hätte ich auch."

Leicht öffnen sich die Augen von Manuel und er schaut mich verschwörerisch an.
Mein Herz hämmert in meiner Brust, sorgt dafür, dass es sich so anfühlt, als würde die komplette Sternwarte wackeln.
Um nicht vor Aufregung zu platzen oder irgendeinen Schwachsinn zu labern, beiße ich mir auf die Lippe.

Was wird er sagen? Stimmt er zu? Oder will er gar nicht noch mehr Zeit mit mir verbringen?

Meine Taktik mit der Lippe funktioniert nicht und ich fange an zu sprechen:

"Also ich hätte auch Tiefkühlpizza da. Und Bier, wahlweise auch Cola. Und Videospiele."

Nun erhebt Manuel seinen Kopf von seinen Knien und lacht.

"Hört sich sehr gut an."

Auch Manuel beißt sich auf die Lippe, während er ein Grinsen nicht unterdrücken kann. Schnell packen wir unsere Sachen zusammen, verlassen die Sternwarte und machen uns auf den Weg zu meiner Wohnung, die nicht weit von der Sternwarte entfernt ist.

Ich schließe schnell die Tür auf und gemeinsam laufen wir die vielen Stufen nach oben zu meiner Wohnung. Auch die Tür schließe ich auf und halte sie Manuel auf, welcher grinsend an mir vorbei in die Wohnung läuft. Ebenfalls grinsend schließe ich die Tür und stelle mich neben Manuel, der sich in meinem Flur die Bilder an der Wand ansieht. Vorsichtig nehme ich ihm seine Jacke ab und hänge sie mit meiner an einen der Haken an der Wand. Meine Schuhe streife ich schnell ab und stelle sie unter die Jacken. Auch Manuel zieht seine Schuhe aus und ich dirigiere ihn ins Wohnzimmer, wo er sich auf das große Sofa wirft.

"Hunger?", frage ich und mustere den Mann, der gerade mehr wie ein süßes Kleinkind aussieht, amüsiert.

"Großen."

Er setzt sich wieder auf und mustert mich mit seinen klaren, grünen Augen, die mich wieder nervös werden lassen.
Kurz unterhalten wir uns darüber, welche Pizza er will und kurze Zeit später stehen wir in meiner Küche und schieben die beiden Pizzen in den Ofen. Manuel sitzt auf einer meiner Theken, wackelt mit den Beinen und beobachtet mich dabei, wie ich Teller aus den Schränken nehme.
Seine Augen glänzen vor Neugierde und Interesse unter seinen langen Wimpern auf. Ich erwidere seinen Blick. Seine Augen liegen auf meinen. Meine Augen liegen auf seinen.

Eine Weile stehen wir so da, schauen dem anderen in die Augen. Versuchen die Gedanken des jeweils anderen zu lesen. Sind fasziniert von der Kraft, die Augen ausstrahlen können.

Bis es irgendwann verbrannt riecht. Erschrocken schauen wir auf und schnell wird uns klar, woran das liegt. Hastig öffne ich die Tür des Ofens, versuche den Rauch, der mir entgegenkommt mit der Hand wegzuwedeln und kneife die Augen ein wenig zusammen.
Die Pizza ist in Ordnung, an ein paar Stellen ein bisschen dunkel, aber noch essbar. Während Manuel noch lacht, schneide ich die Pizza und lege sie auf die Teller.
Den einen Teller reiche ich meinem Gast, der inzwischen von der Theke gerutscht ist und neben mir steht und den anderen nehme ich.

Zusammen gehen wir wieder ins Wohnzimmer, wo ich den Fernseher und die Konsole einschalte. Dann gebe ich Manuel noch einen Controller in die Hand und setze mich neben ihn auf die Couch.

Wir spielen ein paar Spiele, regen uns ab und zu viel zu laut auf und entwickeln leichten, unbedeutenden Hass auf den anderen.
Als Manuel gähnt, seine Arme von sich streckt und den Rücken biegt, schalte ich die Konsole wieder aus.

"Beweg dich nicht vom Fleck", bestimme ich und laufe mit vielen kleinen Schritten in mein Schlafzimmer.

Ein paar Minuten später gebe ich Manuel eine Decke und ein Shirt zum Schlafen. Dankend nimmt er das Zeug entgegen und zieht sich um, während ich es mir auf dem Sofa gemütlich mache.

"Was wird das?", fragt Manuel, als er sieht, was ich vorhabe.

"Ich lasse dich doch nicht alleine."

Lachend verdreht Manuel die Augen, legt sich auf das Sofa und kuschelt sich in die Decke.
Noch einmal stehe ich auf um das Licht auszumachen und stolpere zurück zum Sofa.

Mein Kopf ist unmittelbar vor seinem und er schaut mich an. Zumindest vermute ich das. In dem Zimmer ist es komplett dunkel und ich erkenne nur die Umrisse.

"Gute Nacht, Patrick."

"Gute Nacht, Manuel."

Am nächsten Morgen werde ich von der Sonne geweckt und strecke mich, als ich erschrecke und sofort alle Körperteile ganz nah an meinen Körper ziehe.
Vosichtig schaue ich zu Manuel, der mit seinem Kopf direkt neben mir liegt und gerade meine Hand ins Gesicht bekommen hat. Grummelnd dreht er sich und schaut mich mit verschlafenen Augen an. Sogar das sieht unglaublich hübsch aus. Wenn das grün in seinen Augen noch ein wenig trüb ist und seine Wimpern viel von seinen Augen verdecken.

"Wolltest du mir die Nase brechen?"

Lachend setze ich mich auf und schaue auf den Mann herab, der mehr auf seiner Decke liegt als unter ihr.

"Nein, habe nur vergessen, dass du direkt neben mir liegst."

Manuel antwortet nicht, sondern streckt sich einfach nur und gähnt einmal kräftig, ehe er sich ebenfalls aufsetzt und sich verschlafen in meinem Wohnzimmer umsieht. Die Teller von gestern stehen noch auf dem Tisch, ein paar Kissen liegen auf dem Boden und seine Kleidung liegt unordentlich auf dem Sessel.

Seufzend steht er auf und zieht sich an.
Wir wissen beide nicht so Recht, was wir jetzt machen sollen.
Soll er bleiben?
Sollte er gehen?
Will er noch frühstücken?
Oder direkt nach Hause?

Um auf Nummer sicher zu gehen, geht Manuel in den Flur und zieht sich dort seine Jacke und Schuhe wieder an.
Es wäre unhöflich, wenn er einfach bleibt, ohne nachzufragen.
Und ich will ihm nicht auf die Pelle rücken.
Was, wenn er gar nicht bleiben will?

Nun steht er im Treppenhaus des Wohngebäudes und schaut mich an, während ich an dem Türrahmen lehne und ihn mustere.

"Also dann... Mach's gut."

"Mach's besser."

Wir verabschieden uns absichtlich nicht. Für uns beide war die gemeinsame Zeit viel zu kurz. Das soll noch nicht zu Ende gehen. Und eine Verabschiedung würde bedeuten, dass es das war. Dass unser Date beendet ist.
Widerwillig dreht Manuel sich um. Läuft langsam dir Treppen herunter. Er will nicht gehen. Ich will nicht, dass er geht.

"Manuel!", rufe ich die Treppen herunter, wehalb er sofort auf den Stufen stehen bleibt, sich umdreht und grinsend zu mir hochschaut.
Er hat nur darauf gewartet, dass ich etwas sage.

"Hättest du Lust, mit mir zu frühstücken?"

Lächelnd und mit strahlenden Augen nickt er.

"Ich dachte schon, du fragst nie."

Er kommt die paar Stufen wieder hinauf und steht erneut vor mir.
Schnell schnappe ich mir meine Jacke, schlüpfe in meine Schuhe und trete zu Manuel in den Hausflur.

So schnell lasse ich ihn nicht gehen.

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