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»Ich meine, wie kann es sein, dass einem ein einzelner Mensch solche Kopfschmerzen bereiten kann?«, jammerte Kevin, entlockte seiner Schwester damit allerdings bloss ein helles Lachen, bevor sie ihm tröstend durch die Haare wuschelte. »So schlimm?«, fragte sie amüsiert, worauf Kevin bloss ein missmutiges Grummeln von sich gab. »Schlimmer«, behauptete er, auch wenn das vielleicht ein wenig übertrieben war.
Stella richtete sich ein wenig auf und nickte dann. »Ich verstehe«, sagte sie dann ernst, doch ihre noch immer zuckenden Mundwinkel verrieten sich. Kevin schnaubte. Da wollte er sich einmal bei seiner Schwester ausheulen und dann machte die sich mehr über ihn lustig, als dass sie ihm zu Seite stand. Vielleicht sollte er doch wieder ausziehen.
»Und es ist wirklich derselbe Kerl, von dem du dich hast ausrauben lassen?«, wollte sie wissen, obwohl ihr Kevin das schon zuvor bestätigt hatte. »Ja leider«, seufzte er, denn Sunwoo hatte ihm das heute bereits ziemlich oft unter die Nase gerieben. Zu oft.
»Klingt fast ein wenig wie Schicksal, findest du nicht?«, meinte Stella nachdenklich, worauf sich Kevin beinahe an dem Stück Pizza verschluckte, welches er sich zuvor in den Mund geschoben hatte. »Ist das dein scheiss Ernst?«, er starrte sie ungläubig an, worauf sie jedoch bloss mit den Schultern zuckte. »Ich mein ja nur«, sagte sie gleichgültig.
»Aber wie kommt es eigentlich, dass ausgerechnet du Babysitter spielen darfst, freiwillig wirst du dich ja wohl kaum gemeldet haben.« Damit traf sie den Nagel eigentlich ziemlich genau auf den Kopf, denn selbst wenn es nicht Sunwoo wäre, um den es sich handelte, hätte Kevin sich nie und nimmer von selbst dazu bereit erklärt, den Jungen zu betreuen.
»Du weisst schon, Jaesang und seine fixen Ideen. Er glaubt wohl, dass ich einen guten Einfluss auf ihn habe. Ausserdem sind wir ja fast im selben Alter, am Arsch. Der Typ ist noch nicht mal volljährig.« Er verdrehte sichtlich genervt die Augen, bis sein Blick jedoch auf Stella fiel, die ihn mit hochgezogener Augenbraue ansah.
»Ach und du bist ja so erwachsen mit deinen zweiundzwanzig Jahren«, erwiderte sie spöttisch, worauf Kevin empört nach Luft schnappte. »Solltest du nicht eigentlich voll auf meiner Seite stehen?«, fragte er, die Lippen zu einem Schmollmund verzogen, was Stella abermals zum Lachen brachte. »Oh Bruderherz, nicht einmal du bist so naiv, dass du das ernsthaft denken kannst«, sagte sie grinsend und legte ihm einen Arm um die Schultern.
»Hör zu, ich liebe dich kleiner Bruder. Genug um dir zu auch mal zu sagen, wenn du dich im Unrecht befindest, das ist immerhin meine Aufgabe als grosse Schwester.« Kevin sagte nichts, obwohl sich ihm bei den Worten seiner Schwester das Herz erwärmte. Er war wirklich froh sie zu haben. Er wüsste ehrlich gesagt gar nicht, was er ohne sie tun würde, hier so ganz alleine in einer fremden Stadt, weit weg von Zuhause. Wäre sie nicht gewesen, hätte er sich wahrscheinlich niemals dazu durchringen können, Kanada zu verlassen und stattdessen nach Korea zu ziehen und auch wenn das mit seinem Studium vielleicht nicht die allerbeste Idee gewesen war, so hatte er hier doch Freunde fürs Leben gefunden, die er auf keinen Fall missen wollte.
Er hatte ihr also viel zu verdanken und nicht nur den Fakt, dass er jetzt mit in ihrer Wohnung leben durfte. Er wusste aber auch, dass Stella ebenso seine Gesellschaft schätzte. Es gab oft Abende wie diesen, an denen sie gemeinsam auf der Couch hockten, sich einen Film ansahen und sich eine Pizza bestellten. Er mochte solche Tage, sie erinnerten ihn an Zuhause. Es war mittlerweile schon wieder fast ein Jahr her, seit er das letzte Mal dort gewesen war und langsam aber sicher fiel ihm auf, wie sehr er es vermisste. Er telefonierte zwar regelmässig mit seinen Eltern, doch es war trotzdem nicht dasselbe, wie wirklich dort zu sein.
Er seufzte schwer und versuchte den Gedanken daran zu verdrängen. »Du solltest dir die Worte dieses Bengels nicht so sehr zu Herzen nehmen.« Überrascht hob Kevin den Kopf und sah zu seiner Schwester hinüber. Sie hatte sein Seufzen mal wieder völlig falsch interpretiert und auch wenn der Gedanke an Sunwoo ihn stresste, so hatte er diese eigentlich bis gerade eben komplett aus seinem Hirn verbannt gehabt.
»Tu ich nicht, versprochen«, versicherte er ihr, weil er wusste, dass sie sonst nie Ruhe geben würde. Notfalls würde sie sich Sunwoo sogar persönlich vorknöpfen. Das wollte er gerne verhindern. Er würde schon selber mit ihm fertigwerden.
»Gut«, meinte Stella und man konnte den noch immer nicht ganz verschwundenen Argwohn in ihrem Gesicht deutlich erkennen. »Denn ansonsten kann er etwas erleben.« Ja, Kevin kannte seine Schwester mittlerweile richtig gut. Er lächelte ihr zuversichtlich zu.
»Und sag ihm, er schuldet mir noch zwanzigtausend Won!« Das Lächeln rutschte Kevin aus dem Gesicht. »Ist das wirklich notwendig?«, klagte er, was Stella bejahte. »Aber es sind nur zwanzigtausend Won«, gab er zu bedenken.
Stella zuckte mit den Schultern. »Und ich will sie zurückhaben«, erwiderte sie nüchtern und Kevin nahm an, dass es ihr weniger um das Geld ging, als vielmehr ums Prinzip, es ärgerte ihn bloss, dass er derjenige war, der jetzt mit Sunwoo verhandeln sollte, denn freiwillig würde ihm dieser das Geld ganz bestimmt nicht zurückgeben. Er seufzte tief. Als hätte er nicht auch schon so genug Probleme.
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