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Sie erwachten am nächsten Morgen, als jemand unsanft gegen ihre Tür polterte. Kevin öffnete blinzelnd seine Augen und entdeckte Sunwoo, der ihm gegenüber lag. Der Jüngere schien auch gerade erst aufgewacht zu sein und wirkte deshalb wohl auch noch dementsprechend verschlafen. Kevin konnte nicht anders, als bei dem Anblick zu lächeln, doch der Moment hielt nur kurz.

Die Tür wurde aufgerissen und Stella erschien im Zimmer. Als sie die beiden auf dem Boden liegend entdeckte, entwich ihr ein lautes Lachen. »Seid ihr aus dem Bett gefallen?«, fragte sie grinsend und trat dann zum Fenster, um die Vorhänge aufzuziehen. Gleisendes Sonnenlicht flutete den Raum und Kevin musste für einen Moment seine Augen zusammenkneifen, weil die plötzliche Helligkeit ihn blendete.

Sunwoo grummelte etwas Unverständliches und richtete sich dann auf, um sich die Augen zu reiben. Auch Kevin setzte sich hin und fuhr sich einmal durch seine verstrubelten Haare. Er war kein Morgenmensch. »Ich dachte ich komme euch mal wecken, es ist schon nach elf«, informierte seine Schwester sie fröhlich – zu fröhlich für Kevins Geschmack. Wen kümmerte denn schon die Uhrzeit, in Korea wäre es sowieso noch mitten in der Nacht. Ausserdem war es gestern spät geworden und Kevin hatte wirklich auf seine lang ersehnten zwölf Stunden Schlaf gehofft. Natürlich wurden sie ihm nicht vergönnt. Mal wieder.

»Das wäre wirklich nicht nötig gewesen«, klagte er mit weinerlichem Unterton in der Stimme. Er presste sein Kissen gegen seine Brust und schniefte demonstrativ hinein. Nicht dass das auch nur einen Funken Mitgefühl in seiner Schwester hervorgerufen hätte. »Oh, doch! Ihr wollt doch nicht den ganzen Tag verschlafen«, sagte sie streng und verschränkte dabei ihre Arme vor der Brust. »Es schneit übrigens«, fügte sie dann noch ganz beiläufig hinzu und Kevin hätte gar nicht so schnell gucken können, wie Sunwoo von seinem Nachtlager aufgesprungen war.

»Wirklich?«, rief er und hüpfte dann aufgeregt zum Fenster. Stella sah ihm mit offenem Mund hinterher und wechselte dann einen schuldbewussten Blick mit Kevin, der sie kopfschüttelnd ansah. »Nein«, gestand sie zerknirscht, als sie in Sunwoos traurige Augen blickte. »Aber«, fuhr sie gedehnt fort, »wenn man dem Wetterbericht Glauben schenken kann, dann soll es heute gegen Abend tatsächlich noch schneien!« Sofort kehrte die Freude in das Gesicht des Jungen zurück und ein siegessicheres Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

»Hab ich es dir doch gesagt!«, meinte er breit grinsend an Kevin gewandt. Dieser verdrehte ebenfalls lächelnd die Augen. »Wir werden sehen«, erwiderte er zweifelnd, doch auch er konnte nicht leugnen, dass er sich über ein wenig Schnee freuen würde. Alleine um Sunwoos Willen.

»Jacob wollte übrigens heute Nachmittag noch vorbeikommen«, warf Stella dazwischen und Kevin hob überrascht eine Augenbraue. Er hatte schon länger keinen Kontakt mehr mit seinem Kindheitsfreund gehabt, was sicher grösstenteils der Entfernung zwischen ihnen geschuldet war, aber vielleicht auch einfach daran lag, dass sie beide erwachsen geworden waren, beide ihr eigenes Leben lebten und sich deshalb ein wenig aus den Augen verloren hatten. Kevin gab ehrlich zu, dass er sich darauf freute, seinen Freund wiederzusehen.

»Wer ist Jacob?«, wollte Sunwoo wissen, sobald Stella die Tür wieder hinter sich verschlossen hatte. Das selige Lächeln, das bis eben noch auf Kevins Lippen gelegen hatte verrutschte ein wenig. »Mein bester Freund aus Kindheitstagen. Und mein Ex«, erwiderte er und hielt dann instinktiv die Luft an. Sunwoo schwieg und sah ihn dabei durchdringend an.

»Verstehe«, sagte er irgendwann schlicht und Kevin hob eine Augenbraue. »Bist du eifersüchtig?«, stichelte er, auch wenn der Gedanke daran sein Herz auf einmal wieder unnatürlich schnell schlagen liess. Wieso passierte ihm das in letzter Zeit nur andauernd?

Sunwoo verzog sein Gesicht zu einem Grinsen, welches allerdings in Kevins Augen nicht so ganz echt wirkte, doch er hinterfragte es nicht. »Möchtest du denn, dass ich es bin?«, wollte der Jüngere von ihm wissen, während er mit seinen Augenbrauen wackelte. »Ich meine das lässt sich einrichten, aber ich denke nicht, dass es wirklich notwendig ist«, fügte er schnell noch hinzu, doch Kevin schüttelte bloss den Kopf. Er wusste nicht, wieso ihn die Antwort derart enttäuschte. Vielleicht weil er kurzzeitig vergessen hatte, dass das alles ja nur ein Spiel zwischen ihnen war.

»Oh, das ist gut, ich glaube auch nicht, dass ich eifersüchtig so gut gekonnt hätte«, gestand der Jüngere und man konnte die Erleichterung deutlich aus seiner Stimme heraushören. Kevin nickte. »Wir sollten es auch nicht gleich übertreiben«, stimmte er zu. Es sollte ja schliesslich auch nicht aufgesetzt wirken. »Gut«, sagte Sunwoo und kratzte sich dann nachdenklich am Hinterkopf.

»Ähm, ich... also, ich glaube ich könnte eine Dusche ganz gut vertragen«, meinte er mit einem verlegenen Grinsen auf dem Gesicht. »Ah, natürlich!« Kevin sprang auf und kramte in seinem Schrank nach einem Handtuch, das er dem Jüngeren anschliessend überreichte. »Das Bad ist gleich den Gang runter, dritte Tür links«, wies er ihn an, worauf der Junge ihm ein dankbares Lächeln schenkte, ehe er zaghaft auf den Flur hinausspähte und dann, als er sich sicher war, dass er unterwegs niemandem begegnen würde, der ihn in eine unangenehme Konversation verwickeln könnte, machte er sich eilig auf den Weg.

Kevin liess sich unterdessen noch einmal in sein Kissen zurücksinken und starrte hoch zur Decke. Der zweite Tag bei seiner Familie hatte noch nicht einmal richtig angefangen und Kevin hatte trotzdem schon den Eindruck, dass ihm das alles hier zu viel wurde. Die ganze Sache mit Sunwoo stresste ihn, weil er nie so recht wusste, wann dieser ihm bloss etwas vorspielte und wann er die Dinge die er sagte auch ernst meinte. Und das schlimmste daran war, dass Kevin langsam aber sicher anfing sich zu wünschen, dass es eben kein Spiel war. Wann war das geschehen? Er wusste keine Antwort darauf, doch was er wusste war, dass er diese Art von Gefühlen schleunigst unterbinden musste. Und zwar auf der Stelle.

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